Transkript
BERICHT
Monoklonale Antikörper bei Morbus Crohn
Neue Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit
21. United European Gastroenterology Week Berlin, 12. bis 16. Oktober 2013
Die Behandlung des Morbus Crohn kann für den behandelnden Arzt eine Herausforderung darstellen. An vorderster Front der therapeutischen Optionen stehen neben Kortikosteroiden unter anderem die TNF-Hemmer Infliximab und Adalimumab. Im Rahmen der United European Gastroenterology Week 2013 vorgestellte Studien liefern neue Erkenntnisse bezüglich langfristiger Effektivität und Sicherheit bei Kindern und Erwachsenen sowie Vorgehensweisen bei therapeutischem Versagen.
Hochdosisregime zeigt gewissen Nutzen Bei diesen LOR-Patienten könne eine Dosiserhöhung oder eine Verkürzung der IFX-Behandlungs-Intervalle erforderlich sein, erklären wiederum USamerikanische Forscher (2). Zur Untersuchung der Sicherheit und der Effektivität der Hochdosis-Infliximab-Therapie (HD-IFX) analysierten sie 319 CD-Patienten, von denen 87 HD-IFX (> 10 mg/kg in Intervallen zwischen 4 und 8 Wochen) erhielten. Nach jeweils 4, 24 sowie 52 Wochen Therapie trat bei jeweils 20, 28 sowie 18 Prozent der Patienten ein komplettes Ansprechen auf, bei jeweils 46, 30 und 23 Prozent kam es zu einem partiellen Ansprechen. Bei 58 Patienten mit HD-IFX sank der CRP-Wert von 21,9 mg/l vor der Therapie auf 4,7˙mg/l nach median 16,5 Wochen. CRP könnte zudem als Prädiktor für das Ansprechen eingesetzt werden: Patienten mit komplettem oder partiellem Ansprechen hatten
einen höheren medianen CRP-Ausgangswert als solche ohne Ansprechen. Gründe für den Abbruch der Therapie waren mangelndes Ansprechen (n = 22), Infusionsreaktion oder Infektion (n = 2, n = 1) oder andere (n = 16). Die HD-IFX-Therapie könnte für CDPatienten mit mangelndem Ansprechen auf die standardmässige Behandlungsdosis oder bei solchen mit Versagen anderer Therapien von therapeutischem Nutzen sein, fassen die Autoren zusammen.
Zeitpunkt für den Wechsel Eine andere Vorgehensweise bei LORPatienten als die Dosiseskalation untersuchte eine weitere japanische Studie, nämlich den Umstieg (Switch) von IFX auf Adalimumab (3). Die Forscher analysierten die Effektivität von Adalimumab (ADA) bei 60 CD-Patienten mit aktiven Krankheitsschüben. Die auf ADA wechselnden Patienten waren entweder anti-TNF-naiv oder erhielten
LYDIA UNGER-HUNT
Die Behandlung mit dem TNF-Hemmer Infliximab (IFX) ist bei vielen Patienten mit Morbus Crohn (CD) effektiv, doch bei manchen Betroffenen zeigt sich nach einiger Zeit kein Ansprechen mehr. In solchen Fällen spricht man von einem «loss of response» (LOR). Die Folgen laut einer japanischen Studie mit 59 CD-Patienten: Ein LOR auf Infliximab erhöht das Risiko für stationäre Aufnahmen sowie chirurgische Interventionen; einen gewissen Schutz vor LOR bieten eine kurze Krankheitsdauer bis zum Beginn der Therapie mit Infliximab sowie ein Morbus Crohn des Kolontyps (1).
Abbildung: Aktuelle Entwicklungen wurden an der UEG-Woche auch praktisch demonstriert, wie zum Beispiel im Rahmen der Angebote der European Society of Gastrointestinal Endoscopy.
Foto: United European Gastroenterology, www.ueg.eu, images of UEG Week used by courtesy of Jan Pauls
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5 mg/kg IFX; im Vergleich dazu verblieb eine weitere Patientengruppe auf IFX, aber bei verkürztem Infusionsintervall (Dosiseskalationsgruppe). Der CD-Aktivitäts-Index (CDAI) 52 Wochen nach Einleitung von ADA war in der naiven Gruppe signifikant niedriger als in der vorbehandelten oder der Dosiseskalationsgruppe. Ein weiteres Ergebnis: Sowohl der CDAI als auch die CRP-Werte waren in der 5-mg/kgGruppe signifikant niedriger als in der Dosiseskalationsgruppe (ebenfalls nach 52 Wochen). Die Autoren schliessen daraus, dass bei Patienten mit fehlendem Ansprechen auf IFX ein Switch auf ADA im Vergleich zu einer IFXDosiseskalierung aus therapeutischer Sicht die bessere Entscheidung zu sein scheint.
ADA: neue Daten für Kinder ... ADA ist zudem effektiv und sicher in der Behandlung des Morbus Crohn bei Kindern, bestätigt wiederum eine Studie der Universität Lille (4). Die französischen Forscher analysierten die Daten von 27 CD-Patienten mit einem medianen Alter von 11 Jahren zum Zeitpunkt der Diagnose (zum Zeitpunkt der ADA-Verabreichung betrug das mediane Alter 15 Jahre), die auf IFX nicht ansprachen oder eine Unverträglichkeit gegen den Wirkstoff zeigten. Nach 9 Monaten war ADA bei 70 Prozent der Patienten effektiv, 13 Patienten zeigten ein primäres oder sekundäres Versagen. Bei 40 Prozent der Patienten traten Nebenwirkungen auf (kutan, lokal, transiente Arthralgie); keine der Nebenwirkungen führte zu einem Therapieabbruch. Wachstum und Ernährungsstatus der Kinder zeigten keine signifikante Veränderung während der Studienphase, jedoch wurde eine signifikante Senkung des medianen CRPWerts vom Zeitpunkt des ADA-Therapie-Beginns bis zum Follow-up beobachtet (18 mg/l vs. 7 mg/l). Die Behandlung mit ADA war bei 70 Prozent der CD-Patienten in dieser pädiatrischen Kohorte sicher und effektiv, resümieren die Autoren. Die Sicherheit der ADA-Behandlung auch nach 3 Jahren bestätigt eine internationale Studie (5). Analysiert wurden die Daten von 192 Patienten mit insgesamt 304,1 Jahren ADA-Exposition. Die Rate unerwünschter Ereignisse blieb nach 3 Jahren stabil, es zeigten
sich keine wesentlichen Veränderungen zu den nach 1 Jahr beobachteten Ereignisraten. Zwei Faktoren beeinflussten die Raten für schwere unerwünschte Ereignisse und schwere Infektionen, nämlich jeweils früherer IFX-Gebrauch beziehungsweise Kortikosteroide. Und: Unter der längeren Behandlungsdauer von 3 Jahren wurden keine malignen Tumore beobachtet.
… und bei Erwachsenen In der PYRAMID-Studie wurde die langfristige Effektivität von ADA bei 5000 ADA-naiven CD-Patienten (mittlere Krankheitsdauer: 10 Jahre) untersucht (6). Die mittleren Scores auf der Physician’s-Global-Assessment-Skala (PGA, zusammengesetzt aus HarveyBradshaw-Index und einem Score der rektalen Blutung) zeigten für neue ADA-Anwender Verbesserungen zwischen Baseline und nach 1, 2, 3 und 4 Jahren. Auch klinisch bedeutsame Verbesserungen bezüglich täglicher Aktivität und beruflicher Aktivität blieben über den Verlauf von 4 Jahren erhalten. Die langfristigen Sicherheitsdaten nach jeweils 3 beziehungsweise 5 Jahren wurden in einer weiteren Arbeit zusammengefasst (7). Ergebnis: Nach 5 Jahren wird ADA von den Patienten mit moderat bis schwerem Morbus Crohn weiterhin gut vertragen, neue Sicherheitshinweise wurden nicht identifiziert; die Raten unerwünschter Ereignisse (AE) verblieben im Lauf der Zeit stabil (schwere AE 3 Jahre [8174,7 Patientenjahre]: 22,3%, 5 Jahre [13351,8 Patientenjahre]: 25,4%; zum Abbruch führende AE: 3,3 bzw. 4,0%; maligner Tumor: 0,6 bzw. 0,7%).
Crohn plus multiple Sklerose? Auf einen ganz anderen Aspekt machten schliesslich tschechische Forscher aufmerksam: die extraintestinalen Manifestationen entzündlicher Darmerkrankungen (8). Sie verweisen auf eine höhere Inzidenz demyelinisierender Erkrankungen bei diesen Patienten, die sie durch ihre Untersuchung bestätigt sehen: In der prospektiven Beobachtungsstudie fanden sie bei 38 von 68 CD-Patienten abnorme Befunde in der neurologischen Untersuchung, in 26 Fällen zeigten sich Anomalien im MRT, wovon sich bei 7 Fällen (periventrikuläre Läsionen) der Verdacht auf eine Demyelinisierung ergab. Fazit der
Autoren: Da eine Therapie mit TNFHemmern demyelinisierende Erkrankungen in seltenen Fällen auslösen oder verschlechtern könne, sollte bei allen Patienten vor einer Therapieeinleitung ein MRT durchgeführt werden. O
Lydia Unger-Hunt
Literatur: 1. Araki H et al.: Frequency and clinicopathological
features of loss of response to infliximab in Crohn’s disease, contribution P1448, UEG-Week, 16. Oktober 2013 in Berlin. 2. Hendler S et al.: High dose infliximab in Crohn’s disease: Clinical experience, safety, and efficacy, contribution P1450, UEG-Week, 16. Oktober 2013 in Berlin. 3. Takeuchi et al.: Timing of switching from infliximab to adalimumab in the treatment of Crohn’s disease, contribution P899, UEG-Week, 15. Oktober 2013 in Berlin. 4. Jacob A et al.: Efficacy and safety of adalimumab in children with Crohn’s disease previously treated with infliximab, contribution P332, UEG-Week, 14. Oktober 2013 in Berlin. 5. Baldassano R et al.: Long-term safety of Adalimumab in paediatric patients with Crohn’s disease, contribution P1484, UEG-Week 2013 in Berlin. 6. Loftus EV et al.: Long-term effectiveness of adalimumab in Crohn’s disease: Observational data from the Pyramid-Registry, contribution OP056, UEG-Week, 14. Oktober 2013 in Berlin. 7. D’Haens G et al.: Pyramid registry: an observational study of adalimumab in Crohn’s disease: Results at year 5, contribution OP214, UEG-Week, 15. Oktober 2013 in Berlin. 8. Stovicek J et al.: Asymptomatic white matter lesions in brain suspicious of demyelinsation in patients with Crohn’s disease, contribution OP170, UEG-Week, 15. Oktober 2013 in Berlin.
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