Transkript
EDITORIAL
Informatiker wollen herausgefunden haben, dass sich ein Spitalarzt bei jedem zweiten Patienten mindestens
eine Frage stellt, auf die er keine Antwort parat hat (1). Ich wage einmal zu behaupten, dass das bei Ihnen in der Hausarztpraxis nicht ganz so häufig vorkommt. Man zählte im Einzelfall zwischen 1 Frage auf 10 Patienten und bis zu 2 Fragen pro Patient, irgendwo in diesem Spektrum dürfte sich wohl jeder wiederfinden. Doch gleichgültig wie häufig sich Fragen auch stellten, Antworten suchte man gemäss der kürzlich publizierten Arbeit nur auf jede zweite Frage. «Keine Zeit» ist, wenig überraschend, einer der am häufigsten genann-
mitteln Jahr für Jahr. Um möglichst viele «Punkte» zu machen, werden Studienresultate gerne so schnell wie möglich und häppchenweise publiziert. Auch das immer wieder Selbe im neuen Gewand ist eine beliebte Methode, möglichst viele Artikel mit dem eigenen Namen zieren zu dürfen. Das ist gut für die Publikationsliste der Forschenden, aber schlecht für alle, die nach Antworten auf konkrete Fragen suchen. Die finden im unendlichen Ozean medizinischer Literatur entweder gar nichts oder Antworten auf Fragen, die sich ihnen gar nicht stellen. Als Informatiker suchen Del Fiol und seine Kollegen eine technische Lösung für das Problem. Sie empfehlen die Entwicklung «intelligenter» Computersysteme, die irgendwann einmal auf jede Frage eine Antwort haben sollen. In einem begleitenden Editorial (2) schwärmt
Frage? Antwort!
ten Gründe, warum man sich damit weiter keine Mühe machte. Auch die Ansicht, dass die Frage letztlich nicht wichtig genug sei, kann davon abhalten, sich auf die Suche nach einer Antwort zu machen. Dabei wird die Mühe meist belohnt: Rund 80 Prozent der Recherchen führten zu einer Antwort, berichten Guilherme Del Fiol und sein Team. Gleichzeitig geben sie allerdings zu bedenken, dass Ärzte eine Art siebten Sinn dafür zu haben scheinen, auf welche Fragen überhaupt mit Antworten zu rechnen sei. Würde man wirklich zu jeder Frage recherchieren, wäre die Erfolgsquote sicher niedriger. An Information scheint es angesichts der Allgegenwärtigkeit des Internets wahrlich nicht zu mangeln, zumal in der Medizin: Fast 10 Millionen Artikel zählte der Index der US National Library of Medicine (NLM) bereits 2006, und die Publikationsrate steigt nicht zuletzt dank fragwürdiger Qualitätskriterien für die Vergabe von Förder-
man von «Systemen, die wissen, wie viel und welche Information man vermitteln muss und in welcher Form». Danach muss man eigentlich nicht lange suchen. Solche «Systeme» gibt es bereits: Verlage nennt man so etwas, Verlage mit Redaktoren und Lektoren, die sich jeden Tag die Mühe machen, aus dem überbordenden Ozean der Information das für Sie Relevante herauszufischen und aufzubereiten. Fragen Sie uns ruhig!
Renate Bonifer
1. Del Fiol G, Workman TE, Gorman PN: Clinical Questions Raised by Clinicians at the Point of Care: A Systematic Review. JAMA Intern Med 2014; doi: 10.1001/jamainternmed.2014.368.
2. Carnahan D: Water, Water, Everywhere, and Not a Drop to Drink. JAMA Intern Med 2014; doi: 10.1001/jamainternmed.2014.1.
ARS MEDICI 8 I 2014
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