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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Orthopädie
Nicht traumatische Rotatorenmanschettenruptur konservativ behandeln
Abbildung: Anatomie von Schultergelenk und Rotatorenmanschette
In einer randomisierten Studie wurden drei verschiedene Behandlungen bei nicht traumatischer Ruptur der Supraspinatussehne bei 173 Frauen und Männern über 55 Jahre verglichen. Bei einigen Patienten waren
beide Schultern betroffen, sodass insgesamt 180 Fälle vorlagen. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip drei gleich grossen Behandlungsgruppen zugeteilt: (a) nur Physiotherapie, (b) Akromioplastik (subakromiale Dekompression, wobei endoskopisch durch Abtragung des Schulterdachs von unten mehr Platz für die Sehnen geschaffen wird) plus Physiotherapie sowie (c) Operation des Risses plus Akromioplastik plus Physiotherapie. Die Resultate wurden nach 3, 6 und 12 Monaten von Ärzten evaluiert, die nicht wussten, welche Behandlung durchgeführt worden war. Die Follow-up-Rate nach 12 Monaten war mit rund 93 Prozent sehr hoch. Das Resultat wurde mit dem Constant-Score ermittelt, einem Fragebogen, mit dem Schmerz, Alltagsfunktionstüchtigkeit, Bewegungsumfang und Kraft der
Schulter gemessen werden. Die maximale
Punktzahl beträgt 100 Punkte.
Nach 12 Monaten zeigten sich keine statis-
tisch signifikanten Unterschiede zwischen
den Gruppen: Sie erreichten jeweils 74,1
(± 14,2), 77,2 (± 13) und 77,9 (± 12,1) Punkte
(p = 0,34). Die mittlere Veränderung im
Constant-Score vor der Behandlung und
nach 12 Monaten betrug 17, 17,5 bezie-
hungsweise 19,8 Punkte (p = 0,34).
Dieses Ergebnis spricht dafür, dass eine
operative Behandlung bei nicht traumati-
schen Supraspinatorrupturen nicht besser
ist als ausschliesslich Physiotherapie. Darum
sollte zunächst eine konservative Behand-
lung versucht werden.
RBOO
Kukkonen J, Joukainen A, Lehtinen J et al.: Treatment of nontraumatic rotator cuff tears: A randomised controlled trial with one-year clinical results. Bone Joint J 2014; 96-B(1): 75–81.
Kardiologie
Jahreszeitliche Cholesterinwerte
Die Konzentration der Serumlipide schwankt mit den Jahreszeiten. Das ergab eine entsprechende Auswertung von 2,8 Millionen Cholesterinbefunden, die in den USA von 2006 bis 2013 erhoben wurden. Demnach sind die LDL- und Nicht-HDL-Spiegel im Winter im Durchschnitt bei Männern 4 mg/dl und bei Frauen 2 mg/dl höher als
im Sommer. Das entspricht einem relativen Anstieg von 3,5 beziehungsweise 1,7 Prozent. Die Triglyzeride waren bei den Männern im Winter um 2,5 Prozent erhöht. Nur beim HDL-Spiegel gab es weder bei Frauen noch bei Männern kaum Unterschiede zwischen Sommer und Winter.
Man weiss nicht genau, worauf die kleinen, aber statistisch signifikanten Unterschiede im jahreszeitlichen Lipidprofil beruhen. Die Autoren der Studie vermuten, dass eine fettreichere Ernährung, weniger Bewegung sowie ein niedrigerer Vitamin-D-Spiegel im Winter dafür verantwortlich sein könnten.
RBOO
Pressemitteilung des American College of Cardiology (ACC) vom 27. März 2014.
Ernährungsmedizin
Kein Unterschied zwischen «guten» und «schlechten» Fetten
Nachdem bereits die Erwartungen zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen durch Omegafettsäuren in kontrollierten Studien enttäuscht wurden, erweist sich der Glaube an besonders «herzgesunde» Fette in einer Metaanalyse erneut als Mythos. Die im Auftrag der British Heart Association erstellte Untersuchung ergab, dass es praktisch keinen Nachweis für unterschiedliche Auswirkungen verschiedener Fettarten auf das Risiko koronarer Herzkrankheit gibt. Als statistisch signifikant erwies
sich lediglich ein leicht erhöhtes Risiko für Transfettsäuren (+16%) sowie ein statistisch nicht signifikanter Trend für Omega6-Fettsäuren (-11%). Die Autoren analysierten 32 Beobachtungsstudien zum Fettsäureverzehr mit zirka 530 000 Personen, 17 Beobachtungsstudien über Fettsäurebiomarker mit 25 000 Personen und 27 randomisierte, kontrollierte Studien über Fettsäuresupplementation mit 100 000 Personen.
Sowohl die britische als auch die US-amerikanische Herzgesellschaft raten aber weiterhin zur mediterranen Kost mit viel Gemüse und Obst, bei welcher der Anteil an gesättigten Fettsäuren gering ist. Für die Verminderung des Herzrisikos stehen körperliche Aktivität und der Verzicht auf das Rauchen weiter an erster Stelle.
RBO/Helmut Schatz, DGEO
Chowdhury R et al.: Association of dietary, circulating, and supplement fatty acids with coronary risk. Ann Intern Med 2014: 160: 398-404.
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ARS MEDICI 7 I 2014
Kardiologie
Statine zur Primärprävention?
Das Swiss Medical Board sieht ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis für Statine zur Primärprävention bei einem niedrigen Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Falls das individuelle Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung innert zehn Jahren unter 10 Prozent liege, sei der Einsatz von Statinen nicht angezeigt. Ein hoher Cholesterinwert ist nur einer von vielen Risikofaktoren; weitere sind zum Beispiel Rauchen, Übergewicht oder Bluthochdruck. Bei diesen gilt es zuerst anzusetzen, da die Einnahme von Statinen auch mit unerwünschten Wirkungen verbunden sein kann; am häufigsten sind das Veränderungen der Leberwerte und Muskelschädigungen. Zusammen mit dem hohen Preis der Statine führe das bei Personen mit einem niedrigen Risiko für ein künftiges kardiovaskuläres Ereignis zu einem ungünstigen Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis für die Statinbehandlung in der Primärprävention, schreibt das Swiss Medical Board in seiner kürzlich publizierten
Stellungnahme und formuliert folgende
Empfehlungen:
O Eine Verschreibung von Statinen zur Pri-
märprävention soll erst in Betracht gezo-
gen werden, wenn die anderen Möglich-
keiten zur Reduktion der Risikofaktoren
ausgeschöpft sind.
O Das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereig-
nis muss individuell gemäss den gültigen
Guidelines bestimmt werden.
O Eine Verschreibung von Statinen in der Pri-
märprävention ist bei einem Risiko für ein
tödliches kardiovaskuläres Ereignis von
unter 10 Prozent (gemäss ESC-Score) nicht
indiziert.
Der Bericht des Swiss Medical Board «Statine
zur Primärprävention kardiovaskulärer Er-
krankungen» bietet zudem einen guten
Überblick zum aktuellen Stand des Wissens
zur Wirksamkeit dieser Substanzklasse:
www.swissmedicalboard.ch.
RBOO
Pressemitteilung des Swiss Medical Board vom 2. April 2014.
Hypertonie
Jeder vierte «therapieresistente» Hypertoniker nimmt seine Medikamente nicht
An einer Hypertonieklinik in Leicester, Grossbritannien, wollte man ganz genau wissen, ob und welche Medikamente die als «therapieresistent» überwiesenen Patienten tatsächlich einnahmen. Man nutzte dafür die gleiche Analytik, wie sie aus dem Drogen- und Dopingscreening bekannt ist, und suchte im Urin der Patienten nach den 40 meistverschriebenen Medikamenten. Das Resultat: Rund ein Viertel der Patienten nahm die verordneten Antihypertonika nicht oder nur teilweise korrekt ein. Je weniger sich die Patienten an die Verordnungen hielten, umso schlechter war ihr Blutdruck eingestellt. Die Studie umfasste 208 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 57 Jahren. 10 Prozent aller Patienten nahmen ihre Antihypertonika überhaupt nicht ein und sogar fast jeder
vierte derjenigen, für die
wegen vermeintlich therapie-
resistenter Hypertonie als
letztes Mittel die Ablation
der renalen Sympathikus-
nerven erwogen wurde. Das
sei alarmierend, zumal ange-
sichts der Folgen eines irre-
versiblen Eingriffs, heisst es
in einem begleitenden Edi-
torial. Es sei darum zu über-
legen, ob man bei therapie-
resistenter Hypertonie nicht
zuerst per Urintest die The-
rapietreue der Patienten prüfen solle. Die
Untersuchung kostet in England zirka
45 Franken.
RBOO
Tomaszewski M et al.: High rates of non-adherence to antihypertensive treatment revealed by high-performance liquid chromatography-tandem mass spectrometry (HP LC-MS/MS) urine analysis. Heart 2014; doi: 10.1136/heartjnl-2013-305063. Brown M: Resistant hypertension: resistance to treatment or resistance to taking treatment? Heart 2014; doi: 10.1136/heart jnl- 2014-305540.
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Wachsendes Hirn
Der Neurologe Arne May und sein Team publizieren in «Nature», dass im Erwachsenenalter das Gehirn noch «wachsen» kann. Die Probanden lernten jonglieren.
Nach drei Monaten fand man einen morphologischen Unterschied zwischen den Gehirnen der talentiertesten Jongleure im Vergleich mit denjenigen untrainierter Nichtjongleure: Der Lernprozess hatte strukturelle Veränderungen in der Hirnrinde bewirkt. Diese bildeten sich nach einer dreimonatigen Trainingspause wieder zurück (Foto: Matthew Ragan, Flickr).
Vor 50 Jahren
Lipotropin
Forscher an der Universität Kalifornien entdecken das Hormon Lipotropin. Es gilt als das erste Hormon, das man chemisch isolierte, bevor man etwas über seine Wirkung wusste. «Die Substanz verflüssigt gespeichertes Körperfett», schrieb damals die Wochenzeitung «Die Zeit». Heute weiss man, dass Lipotropin ein Polypeptid ist, das in kleinere Peptide mit verschiedenen Eigenschaften aufgespalten wird. Eines dieser Peptide, das AOD-9604, mobilisiert in der Tat Körperfett, eine Eigenschaft, die zurzeit im Anti-Aging- und Dopingbusiness von Interesse ist.
Vor 100 Jahren
Keimgift Röntgenstrahlen
Der Frauenarzt Max Hirsch (1877–1948) warnt in seinem Buch «Zeugungskraft und Zeugungswille» vor der erbgutschädigenden Wirkung der Röntgenstrahlung. In seinem 1914 erschienenen Buch mit dem Untertitel «Fruchtabtreibung und Präventivverkehr im Zusammenhang mit dem Geburtenrückgang: eine medizinische, juristische und sozialpolitische Betrachtung» ist das jedoch nur ein Nebenaspekt unter vielen. Max Hirsch arbeitete in Berlin und emigrierte 1939 nach England. Er gilt als Wegbereiter der modernen Frauenheilkunde.
RBOO