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Politforum: Xundheit in Bärn
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Rubriken — POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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5828
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Ärzte, die mit dem Gesetz in Konflikt standen, arbeiten für die IV

INTERPELLATION vom 18.9.2013
Margrit Kessler Nationalrätin GLP Kanton St. Gallen
1. Weshalb werden die Zusatzgutachten der IV nicht explizit an Fachärzte der öffentlichen Spitäler vergeben?
2. Braucht es dazu eine Gesetzesanpassung? 3. Wie ist es möglich, dass Gutachter, die mit
dem Gesetz in Konflikt kamen, weiterhin für die IV arbeiten können? 4. Wir bitten Sie offenzulegen, wie viele Gutachten den folgenden 19 Gutachterstellen im Jahr 2012 jeweils zugeteilt wurden: ABI BS, Asim BS, Begaz Binningen, Medas Interlaken, Medas Oberaargau, Medas Zentral-

schweiz LU, Medizinisches Zentrum Römerhof ZH, Medas Ostschweiz, ZMB BS, Medas BE, Zimb Schwyz, Smab AG BE, MGSG Rorschach, Servizio Accertamento Medico Bellinzona, Cemed SA Nyon, Clinique Corela GE, CRR Sion, PMU Lausanne, BEM Vevey. 5. Zu wie viel Prozent arbeiten die obengenannten Gutachterstellen für die IV? 6. Wie setzt sich der Ausschuss zur Qualitätssicherung zusammen? 7. Wann hat er die Arbeit aufgenommen?
Begründung (leicht gekürzt) Bei der SPO Patientenschutz melden sich unzufriedene Patientinnen und Patienten, die bei einer medizinischen Abklärungsstelle (Medas) schlecht behandelt wurden oder mit dem Inhalt des Gutachtens unzufrieden sind. Im Jahr 2012 wurden innerhalb von sechs Monaten 2280 IV-Gutachten in Auftrag gegeben. Das Bundesgericht bearbeitete im Jahr 2012 900 IV-Klagen.

Bei gewissen Medas-Stellen arbeiten Ärzte, die mit dem Gesetz in Konflikt standen und trotzdem mit der IV unter Vertrag stehen. Laut «Tages-Anzeiger» musste sich ein Gutachter im April 2012 vom Bezirksgericht Zürich sagen lassen, er habe «ärztliche und gutachterliche Sorgfaltspflichten verletzt». Ein Gutachter wurde am 15. Dezember 2009 wegen Manipulation mindestens eines Gutachtens vom Bundesgericht schuldig gesprochen. Die meisten Patienten leiden an Multimorbidität, und so kann ein Medas-Arzt alleine kein Gutachten verfassen. Es müssen zusätzliche Gutachter beigezogen werden. Die Honorare für die Gutachten sind grosszügig berechnet, und es fällt auf, dass oft entsprechende Fachärzte aus der Privatpraxis/Privatklinik zugezogen werden. Das stärkt das Misstrauen der Betroffenen gegenüber der Unabhängigkeit der Gutachter, weil das Sprichwort gilt: «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.»

Antwort des Bundesrates vom 6.12.2013 (leicht gekürzt)

Mit dem per 1. März 2012 in Kraft getretenen neuen Artikel 72bis der Verordnung über die Invalidenversicherung werden die Forderungen des Bundesgerichtes wie auch des Parlamentes erfüllt, indem sichergestellt wird, dass polydisziplinäre Gutachten für die IV nur noch von Gutachterstellen erstellt werden dürfen, die die Qualitätsanforderungen und -kontrollen erfüllen. Zudem wurde bundesrechtlich verankert, dass die Zuweisung von Aufträgen für polydisziplinäre Gutachten nur noch nach dem Zufallsprinzip – via die Internetplattform Suissemedap – erfolgen darf.
1./2. Die öffentlichen Spitäler können eine Zulassung als Gutachterstelle verlangen. Dazu müssen sie, wie auch private Gutachterstellen, bestimmte Voraussetzungen erfüllen, beispielsweise müssen sie institutionell unabhängig sein und qualifizierte Fachleute beschäftigen. Im Übrigen müssen die notwendigen Fachärztinnen und Fachärzte für die Teilgutachten und die nachfolgende Konsensbesprechung jeweils rasch zur Verfügung stehen können. Nur gerade zwei öffentliche Spitäler sehen sich in der Lage, dies zu gewährleisten. Seit Einführung der neuen Zulassungskriterien im März 2012 zeigte bisher noch kein öffentliches Spital Interesse an einer Zulassung als Gutachterstelle für die IV. 3. Für die IV arbeiten keine Gutachter, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind und bei denen sich daraus ein Problem hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit ergeben hätte. Sofern eine für die Gutachtertätigkeit relevante Verurteilung vorliegt, erfüllt eine Gutachterin oder ein Gutachter die Zulassungsbedingungen nicht mehr. In solchen Fällen verlangt das BSV von der zuständigen Gutachterstelle die sofortige Suspendierung von der Gutachtertätigkeit für die IV, was bisher noch nie geschah. Ein Sachverständiger gilt jedoch nicht schon deshalb als voreingenommen, wenn gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet wird. Es gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung.

Gutachterstelle

Zugeteilte Aufträge

ABI Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel

931

Asim, Basel

422

Begaz GmbH, Binningen

182

Medas Interlaken GmbH

144

Medas Zentralschweiz, Luzern

245

Medizinisches Zentrum Römerhof (MZR), Zürich

68

Stiftung Medas Ostschweiz, St. Gallen

256

Zentrum für medizinische Begutachtung (ZMB), Basel

214

Zentrum für versicherungsmedizinische Begutachtung GmbH, Medas Bern

256

Zentrum für interdisziplinäre medizinische Begutachtungen AG (Zimb), Schwyz 182

Smab AG, Bern

238

Smab AG, St. Gallen

190

Medizinisches Gutachterzentrum Region St. Gallen GmbH (MGSG), Rorschach

7

PMEDA AG, Zürich

42

GA eins GmbH, Einsiedeln

1

Servizio Accertamento Medico, Bellinzona

341

Cemed SA, Nyon

278

Clinique Corela, Genf

100

Clinique romande de réadaptation (CRR), Sion

155

Policlinique Médicale Universitaire (PMU), Lausanne

96

BEM Bureau d'Expertises Médicales, Vevey

12

Medas Oberaargau AG

0 (zurzeit nicht aktiv)

Schulthess-Klinik, Zürich

0 (zugelassen seit Juli 2013)

4./5. Weil Suissemedap per 1. März 2012 eingeführt und zahlreiche Gutachterstellen erst im Laufe des Jahres 2012 bzw. 2013 auf Suissemedap aufgeschaltet worden sind, ermöglicht das entsprechende Kalenderjahr noch keine aussagekräftigen Zahlen. Ein erstes umfassendes Reporting über die via Suissemedap verteilten Gutachten sowie über die diversen Auftraggeber, wird für das Jahr 2013 im Sommer 2014 vorliegen. Im Folgenden werden jedoch die Zahlen für die Periode vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Juli 2013 präsentiert.

6./7. Die Tarifvereinbarung für polydisziplinäre Gutachten sieht die Einsetzung eines gemischten Ausschusses vor, um die relevanten und massgebenden Begutachtungsleitlinien zusammenzustellen. Wie sich gezeigt hat, sind die Erarbeitung und Implementierung von allgemein anerkannten und breit abgestützten Qualitätsleitlinien noch nicht im gewünschten Ausmass fortgeschritten und brauchen noch etwas Zeit.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt

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ARS MEDICI 6 I 2014

POLITFORUM

In der Schweiz sollen nur einwandfrei getestete Medikamente auf den Markt kommen

INTERPELLATION vom 27.9.2013
Marina Carobbio Guscetti Nationalrätin SP Kanton Tessin
Jedes zweite Medikament, das in der Schweiz im Handel ist, wurde zumindest teilweise in einem Entwicklungs- oder Schwellenland getestet, in dem es grosse Regulierungslücken und Mängel bei der ethischen Kontrolle von klinischen Versuchen gibt. Demnach werden aus möglicherweise unethischen Tests gewonnene Daten dazu genutzt, die Zulassung für die betreffenden Produkte in der Schweiz zu erhalten. Die Swissmedic muss unter den gegebenen Umständen die ethischen Aspekte von im Ausland durchgeführten Tests mit dop-

pelter Sorgfalt überprüfen. Die Kontrollen, die die Swissmedic in diesem Bereich durchführt, sind lückenhaft und wenig transparent. Nach eigenen Aussagen unterhält die Swissmedic keinen regelmässigen und offiziellen Kontakt mit den entsprechenden Prüfstellen in den betreffenden Entwicklungs- und Schwellenländern, um zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Tests durchgeführt werden. Neben dem Risiko, dass ethische Richtlinien verletzt werden, besteht zudem ein ernst zu nehmendes Problem mit der Transparenz. Die Europäische Arzneimittel-Agentur plant, alle Berichte über klinische Versuche zur Zulassung von Medikamenten in der EU zu veröffentlichen. Im Vergleich dazu sind die Undurchsichtigkeit und die Passivität der Swissmedic offenkundig und stehen im Widerspruch zu deren Leistungsauftrag. Wissenschaftliche Daten, die im Rahmen von klinischen Tests gewonnen werden, unterstehen nicht dem Betriebsgeheimnis und sollten als Allgemeingut erachtet werden. Ich ersuche daher den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Ist der Bundesrat nicht auch der Auffassung, dass bei der Swissmedic dringende Massnahmen ergriffen werden müssten, mit dem Ziel, die nachträglichen ethischen Kontrollen klinischer Tests in Drittländern zu stärken? Wenn ja, was gedenkt er zu tun, damit die Behörde entsprechend eingreift?
2. Was gedenkt er zu unternehmen, um die Transparenz bei der Swissmedic zu erhöhen und somit dem von der EU in diesem Bereich vorgegebenen Weg zu folgen?
3. Mit Inkrafttreten des Humanforschungsgesetzes im Januar 2014 wurde der Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an in der Schweiz durchgeführten klinischen Versuchen verbessert. Das Gesetz beantwortet aber nicht die Frage nach ethischen Kontrollen von Tests, die in Drittländern durchgeführt wurden und deren Daten für die Zulassung von Medikamenten in der Schweiz genutzt werden. Gedenkt der Bundesrat, das genannte Gesetz durch Bestimmungen zu ergänzen, die der internationalen Dimension von Versuchen mit Medikamenten Rechnung tragen?

Die Antwort des Bundesrates vom 6.12.2013 (leicht gekürzt)

Der Bundesrat teilt im Grundsatz das der Interpellation zugrunde liegende Anliegen. So hat er am 13. September 2013 den Leistungsauftrag von Swissmedic erweitert, indem er diese explizit ermächtigt, Projekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und/oder gemeinnützigen Organisationen durchzuführen. Diese Projekte könnten auch die Unterstützung lokaler Behörden bei der Umsetzung und Überwachung der Good Clinical Practices umfassen. 1. Aus Sicht des Bunderates sind keine dringenden Massnahmen erforder-
lich. Die Anforderungen an die Durchführung klinischer Versuche sind in den international geltenden Good Clinical Practices festgelegt. Die im Rahmen von Zulassungsgesuchen eingereichten klinischen Studien werden bereits heute im Rahmen des Zulassungsverfahrens auf die Einhaltung der Good Clinical Practices hin überprüft. Sollte ein Verdacht bestehen, dass eine Studie nicht ordnungsgemäss durchgeführt wurde, kann Swissmedic zusätzliche Abklärungen vornehmen. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, würden diese Daten nicht in die Beurteilung von Nutzen und Risiken einfliessen. 2. Gemäss dem Vorschlag der Kommission würde die Zulassungsinhaberin nach erteilter Zulassung die Daten der im Rahmen der Zulassungsverfahren eingereichten klinischen Studien in einer EU-Datenbank publizieren. Während einige Firmen das Vorgehen der EU begrüssen, haben zwei Firmen gegen diese geplante Policy Klage beim Europäischen Gerichts-

hof (EuGH) eingereicht. Diese sehen eine Gefahr darin, dass Nachahmer/Konkurrenten sich durch die Publikation der Daten Vorteile verschaffen. Die Verfahren sind noch hängig. Die Umsetzung der EU-Policy für mehr Transparenz in der klinischen Forschung wird von den zuständigen Bundesstellen weiter verfolgt. 3. Das Humanforschungsgesetz (HFG), das am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, regelt die Durchführung und mithin die Kontrolle von Forschungsprojekten und namentlich klinischen Versuchen. Es verpflichtet die Forschung, bewilligte klinische Versuche, die in der Schweiz durchgeführt werden, in einem öffentlichen Register zu erfassen. Dabei werden bereits bestehende, hauptsächlich internationale Register einbezogen, beispielsweise die von der WHO anerkannten Primärregister. Entsprechende Register existieren zum Beispiel in der EU (EudraCT, EU Clinical Trials Register) oder den USA (clinicaltrials.gov). Demgegenüber können klinische Versuche, die im Ausland veranlasst und durchgeführt werden, mangels Bezug zur Schweiz nicht durch das HFG erfasst werden. Ein Bezug zur Schweiz besteht erst dann, wenn die Daten solcher klinischer Versuche im Rahmen von Zulassungsgesuchen aufgeführt werden. In diesem Fall können bei einem Verdacht auf eine nicht ordnungsgemässe Durchführung dieser Versuche zusätzliche Abklärungen durchgeführt werden (vgl. Antwort zu Frage 1).
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

XUNDHEIT IN BÄRN

ARS MEDICI 6 I 2014

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