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STUDIE REFERIERT
Betablocker als initiale Therapie der Hypertonie
Gemäss einem Cochrane-Review reduzieren ältere Betablocker wie Atenolol als Initialtherapie des Bluthochdrucks im Vergleich zu Plazebo nicht die Gesamtsterblichkeit. Des Weiteren sind sie mit höheren kardiovaskulären Ereignisraten als Kalziumkanalblocker und RASHemmer verbunden. Zu neueren vasodilatierenden Betablockern wie Carvedilol lagen keine entsprechenden Studienergebnisse vor.
JAMA
Betablocker sind bei Herzinsuffizienz oder nach einem Herzinfarkt im Vergleich zu Plazebo mit einer geringeren Mortalität und weniger kardiovaskulären Ereignissen verbunden. Der Nutzen dieser Substanzen als primäre Option bei Bluthochdruck ist dagegen weniger klar. In einem Übersichtsartikel haben Wissenschaftler der Stellenbosch University in Kapstadt (Südafrika) die Ergebnisse eines neuen Cochrane-Reviews zur Verbindung von Betablockern als Initialtherapie des Bluthochdrucks mit der Gesamtsterblichkeit und kardiovaskulären Ereignissen zusammengefasst. In den Cochrane-Review wurden 13 klinische Studien aus dem Zeitraum von 1969 bis 2000 eingeschlossen. Insgesamt nahmen 91 562 Patienten (59% Männer) aus mehr als 20 Ländern in einem mittleren Alter von 61 (18–80) Jahren daran teil, von denen die meisten zuvor noch keine Behandlung erhalten hatten. In den ausgewerteten Studien wurden die Betablocker Atenolol (Tenormin® und Generika), Propranolol (Inderal® und Generika), Meto-
Merksätze
O Ältere Betablocker reduzieren als Initialtherapie der Hypertonie nicht die Gesamtsterblichkeit.
O Im Vergleich zu Kaliumkanalblockern und RASHemmern sind ältere Betablocker mit mehr kardiovaskulären Ereignissen assoziiert.
proplol (BelocZok® und Generika) und Oxprenolol (nicht im AK der Schweiz) im Vergleich zu Plazebo oder keiner Behandlung sowie im Vergleich mit anderen blutdrucksenkenden Medikamenten untersucht.
Ergebnisse Im Hinblick auf die Gesamtsterblichkeit stellten die Wissenschaftler keine Unterschiede zwischen Betablockern, Plazebo oder keiner Behandlung fest. Betablocker waren jedoch mit weniger kardiovaskulären Ereignissen im Vergleich zu Plazebo oder keiner Behandlung verbunden (5,7 vs. 6,5%; relatives Risiko [RR]: 0,88; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,79–0,97). Dies war vor allem auf niedrigere Schlaganafallraten unter Betablockern im Vergleich zu Plazebo oder keiner Behandlung zurückzuführen (1,8 vs. 2,3%; RR: 0,80; 95%KI: 0,66–0,96). Die «number needed to treat» (NNT) über 5 Jahre betrug 140 für alle kardiovaskulären Ereignisse und 200 für Schlaganfälle. Zwischen Herzerkrankungsraten und Behandlungsabbrüchen aufgrund unerwünschter Wirkungen bestand ebenfalls kein Unterschied zwischen Betablockern, Plazebo und keiner Behandlung. Beim Vergleich mit anderen Medikamenten beobachteten die Forscher keine Unterschiede bezüglich der Gesamtsterblichkeit zwischen Betablockern, Diuretika und Renin-Angiotensin-System-(RAS-)Inhibitoren. Im Vergleich zu Kalziumkanalblockern war die Gesamtsterblichkeit unter Betablockern jedoch erhöht (7,3 vs. 7,8%). Die «number needed to harm» (NNH) über 5 Jahre bei Einnahme eines Betablockers statt eines Kalziumkanalblockers lag bei 200. Im Hinblick auf alle kardiovaskulären Ereignisse bestand kein Unterschied zwischen Betablockern, Diuretika oder RAS-Inhibitoren. Im Vergleich zu Kalziumkanalblockern waren Betablocker jedoch mit mehr kardiovaskulären Ereignissen insgesamt (9,4 vs. 8,1%; RR: 1,18; 95%-KI: 1,08–1,29) und darunter mit mehr Schlaganfällen (2,9 vs. 2,3%; RR: 1,24; 95%-KI: 1,11–1,40; NNH 180) verbunden. Zudem wurden unter Beta-
blockern auch höhere Schlaganfallraten beobachtet als bei Applikation von RAS-Hemmern (6,6 vs. 5,1%; RR: 1,30; 95%-KI: 1,11–1,53; NNH 65). Unerwünschte Wirkungen wie Depressionen, Fatigue oder sexuelle Störungen und Behandlungsabbrüche kamen unter Betablockern ebenfalls häufiger vor als unter RAS-Hemmern (19,2 vs. 13,7%; RR: 1,42; 95%-KI: 1,28–1,58; NNH 18).
Diskussion Die geringere Wirksamkeit der Betablocker konnte nicht durch eine weniger ausgeprägte Senkung des Blutdrucks erklärt werden. Nach Ansicht der Autoren könnten die Ergebnisse vielmehr mit einer suboptimalen Wirksamkeit der Betablocker auf den zentralen Blutdruck und die linksventrikuläre Hypertrophie sowie auf die Intima-Media-Dicke der Karotis, die Aortensteifigkeit und das Remodelling kleiner Arterien assoziiert sein. Möglicherweise waren auch die Studienzeiträume zu kurz, um einen signifikanten Rückgang der Gesamtsterblichkeit feststellen zu können. Als Limitierung ihres Reviews erachten die Autoren das Alter der ausgewerteten Studien, die bereits 8 bis 44 Jahre zuvor durchgeführt wurden. Zudem bemängeln sie, dass in drei Viertel der Studien Atenolol untersucht wurde. Mit neueren Betablockern wie Carvedilol (Dilatrend® und Generika) und Nebivolol (Nebilet® und Generika), welche antihypertensive und vasodilatierende Eigenschaften aufweisen, könnten möglicherweise andere Ergebnisse erzielt werden. Zum Zeitpunkt der Review-Erstellung lagen jedoch keine Daten zur Mortalität und zu kardiovaskulären Ereignisraten im Zusammenhang mit vasodilatorischen Betablockern als Initialtherapie des Bluthochdrucks vor. In den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie aus dem Jahr 2013 werden Betablocker als Initialtherapie bei Bluthochdruck nur für ausgewählte Patienten empfohlen. O
Petra Stölting
Quelle: Wiysonge CS, Opie LH: ß-Blockers as initial therapy for hypertension. JAMA 2013; 310 (17): 1851–1852.
Interessenkonflikte: Die Autoren haben lediglich Gelder von der National Research Foundation of South Africa erhalten.
ARS MEDICI 5 I 2014
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