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BERICHT
Statine können mehr als Lipide senken
Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC)
Amsterdam, 31. August bis 4. September 2013
Statine zur Prävention von Demenz und Katarakt? Zwei im Rahmen des ESC-Kongresses 2013 präsentierte Studien legen das nahe. Für entsprechende Empfehlungen fehlen allerdings die prospektiven Daten.
RENO BARTH
Die heute in der Behandlung kardiovaskulärer Risikopatienten vorgesehenen Grenzwerte für LDL-Cholesterin sind bei der deutlichen Mehrzahl der Patienten ohne Statintherapie nicht erreichbar. Die extrem breite Anwendung dieser Substanzgruppe stellt höchste Anforderungen an die Sicherheit. Anschuldigungen, Statine könnten das Katarakt- und Demenzrisiko erhöhen, müssen daher äusserst ernst genommen werden. Erfreulicherweise geben zwei im Rahmen des ESC-Kongresses 2013 präsentierte Studien in beiden Fällen Entwarnung.
Reduktion des Demenzrisikos Mehr als das: Statine dürften sogar vor Demenzerkrankungen schützen – wobei ein dosisabhängiger Effekt beobachtet wurde. Das ist umso bedeutsamer, als gegenwärtig sogar die US Food and Drug Administration (FDA) vor einem «statin-associated cognitive impairment» warnt. Nun zeigt jedoch eine populationsbasierte Studie aus Taiwan mit fast 60 000 Teilnehmern nicht nur keine Erhöhung, sondern sogar eine signifikante Reduktion des Demenzrisikos unter Statintherapie. Die Studie wurde anhand von Daten der staatlichen taiwanischen Krankenversicherung durchgeführt. Eingeschlossen wurden 57 669 ältere Menschen,
die in den Jahren 1997 und 1998 unter keiner Demenzerkrankung litten. Im Verlauf des Follow-ups traten in dieser Gruppe bei 5516 Personen Demenzerkrankungen im Sinne der Studienkriterien auf. Das waren in der grossen Mehrzahl Fälle von Morbus Alzheimer, denn – und das ist eine der Besonderheiten der Arbeit – vaskuläre Demenzen waren ausgeschlossen. Damit scheidet die zu erwartende Verhinderung von Atherosklerose durch die Statine als Ursache für den beobachteten Effekt aus.
Risikoreduktion abhängig von der Dosis Die Reduktion des Demenzrisikos unter Statintherapie war ausgeprägt dosisabhängig. Für die Patientengruppe, die die potentesten Statine in den höchsten Dosierungen am längsten einnahm, betrug das relative Risiko im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe, die keine Statine nahm, schliesslich nur mehr rund ein Drittel. Dabei wurde eine Äquivalenzdosis herangezogen, die aus der täglich eingenommenen Menge und der Potenz des Statins errechnet wurde. In der Gruppe mit der höchsten täglichen Statindosis betrug die Erkrankungswahrscheinlichkeit im Vergleich zu Personen, die überhaupt keine Statine nahmen, 0,419 – also weniger als die Hälfte. Berücksichtigt man auch, wie lange Statine genommen wurden, verkleinerte sich bei der höchsten Gesamtdosis das Demenzrisiko auf 0,332. Selbst für die Patienten mit der geringsten Statineinnahme wurde noch eine Risikoreduktion (RR = 0,662) gesehen. Die protektiven Effekte der Statine wurden in allen Altersgruppen, bei beiden Geschlechtern und in allen kardiovaskulären Risikogruppen gefunden. Obwohl die Arbeit nur Patienten aus Taiwan berücksichtigt, Abweichungen in anderen Populationen also möglich sind, gehen die Experten der ESC doch davon aus, dass diese Daten auch für Europa Relevanz haben.
Metaanalyse zeigt reduziertes Kataraktrisiko Das gilt auch für eine weitere Studie, die sogar den höheren Evidenzgrad einer Metaanalyse aufweist. Diese Arbeit zeigte, dass die Einnahme von Statinen das Risiko eines Kataraktes um 20 Prozent reduziert. Auch in diesem Fall geht es um eine klinisch äusserst relevante Entwarnung, zumal immer wieder Befürchtungen geäussert wurden, Statine könnten kataraktogen sein. Aus diesem Grund führte eine Gruppe am Robert Wood Johnson University Hospital in New Jersey, USA, eine Metaanalyse zu dieser Frage durch, in die Daten aus 14 Studien mit 2 399 200 Patienten und 25 618 Katarakten eingingen. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 61 Jahre, die mittlere Behandlungsdauer 54 Monate. Die beobachtete Reduktion des Kataraktrisikos um 20 Prozent war signifikant (Quotenverhältnis [OR] 0,80; 95%-Konfidenzinterval [KI] 0,77–0,83; p < 0,0001). Auch in diesem Fall scheint die Wirkung in gewisser Weise dosisabhängig zu sein. Wurde die Statinbehandlung nämlich schon im Alter ab 40 begonnen und länger durchgeführt, reduzierte sich das Risiko sogar um 50 Prozent. Dazu der Erstautor der Studie, Prof. Dr. John B. Kostis: «Unsere Auswertung zeigt, dass man 71 Personen mit Statinen behandeln muss, um einen grauen Star zu vermeiden. Man kann also bei aller Vorsicht sagen, dass wir uns keine Sorgen über ein vermehrtes Auftreten von Katarakten machen müssen.» Für Empfehlungen zum Einsatz von Statinen in der Prävention von Katarakten ist es jedoch zu früh, zumal es sich bei dem aufgearbeiteten Material um retrospektive Daten handelt und keine prospektiven Studien vorliegen. O Reno Barth Quelle: Kostis JB, Dobrzynski JM: Statins prevent cataract: A meta analysis, Abstract 833, sowie Wu T, Lin C: The statin use and the incidence of dementia, Abstract 1609, ESC-Kongress, 31. August bis 4. September 2013 in Amsterdam. 86 ARS MEDICI 2 I 2014