Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Wäre François Hollande, der französische Präsident, das, wonach er aussieht: Abteilungsleiter in einer Konservenfabrik, hätte er gewiss keine 20 Jahre jüngere, gut aussehende, offenherzige Schauspielerin als (vermutliche) Geliebte. So wie sein Vorgänger, Nicolas Sarkozy, selbst als Vertreter von mongolischen Kaschmir-BusinessSocken kaum an Carla Bruni heran gekommen wäre. Wofür und wogegen das spricht? Einerseits für die pragmatische Karriereplanung emanzipierter Damen, und tendenziell eher gegen Konserven und Kaschmir-Herrenstrümpfe.
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Besuch bei Bekannten. Die Dame des Hauses in bestem Alter, spät zweifache Mutter geworden, verheiratet mit einem gut situierten, grad mal 15 Jahre älteren Mann. Und dies das Ende eines Gesprächs über die positiven Aspekte des Lebens: «Ein pensionierter Mann zuhause, zwei pubertierende Teenies, die nicht so doof und spiessig leben möchten wie wir, die Wechseljahre, die mir zeigen, wie schweisstreibend das Leben die nächsten Jahre sein wird, unterm Tisch ein zwölf Wochen alter Labradorwelpe, der sich über alles freut und immer wenn er sich freut pinkelt, und morgen Besuch von meiner dementen Schwiegermutter – und Sie finden also, jeder Lebensabschnitt habe seine positiven Seiten? Mag ja sein, aber nicht, wenn alle aufs Mal in meiner Stube sitzen.»
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Bekanntenbesuch zum zweiten: Der gute Bekannte hat sich eben eine – was sonst? – Harley-Davidson gekauft. Frage seiner Gattin: «Was machen eigentlich Rocker, wenn sie in die Midlife-Krise kommen?»
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Heikle Sache, vor allem für gestandene Alt-68er. Die Fristenlösung beziehungsweise der straffreie Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche ist
ein schwer erkämpftes Recht «auf den eigenen Bauch». Und eigentlich kaum mehr umstritten, obschon – soviel Ehrlichkeit muss sein – Abtreibung auch nichts weiter ist als das Töten eines noch nicht geborenen Kinds. Aber was soll’s, die Gesellschaft findet das akzeptabel. Und zweifellos ist es eine pragmatische Lösung, straffrei zu lassen, was eh nicht zu verhindern ist. Ob die Lösung ethisch richtig ist, ist eine andere Frage, um die es längst nicht mehr geht. Bei der Abstimmung über die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» muss man sich allerdings schon fragen, ob es nicht doch etwas viel verlangt ist von jenen, die Mühe haben mit dem pragmatischen Töten von Kindern, dass man sie das über die Krankenkassenprämien auch noch mit zu finanzieren zwingt.
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Eher drollig wirkt da die Diskussion über das Gegenteil: die Erzeugung von Leben. Genauer: die Zulässigkeit der Eizellen-Spende. Will heissen darüber, ob es angeht, dem Mann zu erlauben, seinen Samen zwecks Erzeugung eines Kindes wildfremden Frauen zu spenden, nicht aber Frauen, einer andern Frau eine ihrer raren Eizellen zur Verfügung zu stellen. (Wobei «spenden» in diesem Zusammenhang eh eine irreführende Bezeichnung ist, erhält der Samenspender für die «Spende» doch meist ein paar Batzen. Samenverkäufer wäre vielleicht eher angebracht.)
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Herr Chodorkowski ist frei und lebt jetzt in der Schweiz. Frau Merkel, Herr Genscher und viele andere wichtige Leute haben sich dafür eingesetzt, dass Putin den armen Kerl begnadigt. Schön für ihn, der natürlich längst nicht der einzige unrechtmässig Inhaftierte in Russland war und ist. Ganz sicher aber der reichste.
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Und was heisst eigentlich unrechtmässig inhaftiert? Ist eine Inhaftierung des-
halb unrechtmässig, nur weil andere, die ihre innert kürzester Zeit entstandenen Milliardenvermögen ebenfalls nicht rechtmässig zusammen ramisiert haben, NICHT im Gefängnis sind? Oder ist der durchaus sympathische Herr Chodorkowski wirklich die grosse Ausnahme? Einer, der in Russland auf rechtmässige Art und Weise innert weniger Jahre Milliarden gescheffelt hat? Nicht kriminell, nur etwas cleverer als andere?
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Egal, ist doch schön zu wissen, dass man sich einerseits selbst mit zehn Milliarden Dollar auf dem Konto nicht vor Verurteilung schützen kann, wenn man die FALSCHEN Feinde hat. Und dass man sich andererseits mit genügend gebunkerten Milliarden allemal auf die westlichen Politiker verlassen kann, wenn man nur die RICHTIGEN Feinde hat.
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Der Schwedische Aussenminister Carl Bildt meinte, es spreche nichts dagegen, die private Internet-Kommunikation staatlich zu überwachen, solange die Überwachung – man wundere sich – diskret sei («discreetly performed»). Mit andern Worten: Wenn Geheimdienste oder Polizei unsere privaten Briefe öffnen und lesen, ist das für Herrn Bildt so lange kein Problem, als die Polizei das taktvoll unaufdringlich macht und wir Briefempfänger nichts davon merken. Was wir daraus lernen: Erstaunlich, in was für wichtige Positionen es Leute schaffen, denen wir nicht mal das Leeren des Briefkastens in den Ferien anvertrauen würden.
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Und das meint Walti: Als Morgenmuffel hasse ich drei Dinge: Tageslicht, Frischluft und – das unerträgliche Gebrüll der Vögel.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 2 I 2014
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