Transkript
Rosenbergstrasse 115
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Klar, dass es wieder kommen musste: Es heisst jetzt «Qualitätsinstitut», genauer «Nationales Institut für Qualität und Patientensicherheit». Wir (und andere) haben’s vorhergesagt: DIE Lobby lässt nicht locker. Diesmal ist es BR Berset, der Arbeitsplätze schaffen will für Analysten, Statistiker, Qualitätsprogrammentwickler, Qualitätsüberwacher, Qualitätsstrategen, Qualitätsverfahrens- und -technologiefachleute und was der überflüssigen Schreibtisch- und Bildschirmtäter mehr sind. 35 Millionen soll das Institut vorderhand kosten, berappt werden soll es von den Krankenkassenprämienzahlern. Die Zahl der Institutsmitarbeiter soll vorerst um die 30 betragen. Sie werden sich, Parkinsons Gesetzen folgend, rasch aufs Doppelte und Dreifache vermehren. Versuche keiner, dagegen zu wetten, er wird die Wette mit Sicherheit verlieren.
OOO
Auch wenn selbst der liberale, aber leider mit dem Staat eng verbandelte freisinnige Ständerat und Mediziner Gutzwiller es nicht wahrhaben will (Gutzwiller war auch für das Gott sei Dank versenkte unsägliche Präventionsgesetz): Dieses «Qualitätsinstitut» ist mit dem gescheiterten Präventionsinstitut sehr wohl vergleichbar. Geändert hat der Name. Geblieben und vergleichbar ist die dahinterstehende Lobby. Und geblieben ist die durchsichtig undurchsichtige Zielsetzung. Hinter den schwammigen Begriffen Qualität, Sicherheit, Vorbeugung und so ähnlich werden die fachlich, politisch und ökonomisch Interessierten genau das hervorzaubern, das ihnen zupass kommt. Wenn’s denn kommt.
OOO
Zu den ärgerlichsten Situationen gehören die, bei denen man sich – aus irgendwelchen Gründen – mit ideologisch oder politisch anders Denkenden solidarisieren muss. Da sich die divergierenden Hintergründe nicht immer klarstellen lassen, droht jeweils die
Gefahr, vom politischen Gegner vereinnahmt oder von ideologisch Gleichgesinnten in eine Schublade abgelegt zu werden, in der man nie und nimmer versorgt werden möchte.
OOO
Beispiel: ein Referendum gegen Überwachung à gogo. Als Argument ein gelungener Satz: «Gehorsam ist das Ziel, Überwachung ist das Mittel!» Stimmt. Die amerikanische Verwaltung und Regierung nutzt seit «9/11» jede Möglichkeit, die eigene Bevölkerung, aber eben auch die Menschen anderer Länder, zu disziplinieren. Vorgeschobener Zweck ist der Schutz eben dieser Bevölkerung. Wichtigstes Mittel ist die Überwachung. Der geplante gigantische Überwachungs-Computer der NSA, der alle (ALLE!) elektronischen Kommunikationsvorgänge auf der Welt überwachen, speichern und auswerten können soll und dem keine (KEINE!) Verschlüsselung standhalten können soll, ist nur eines der zahlreichen Projekte.
OOO
Auch FATCA ist so ein Programm, dem sich die Welt – widerwillig zwar, aber letztlich eben doch hasenfüssig – unterzieht. FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) verpflichtet die Banken der Welt, US-Bürger daran zu hindern, Steuern zu hinterziehen. Das tönt akzeptabel, ist aber nur die halbe Wahrheit. FATCA dient der Überwachung aller Finanztransaktionen, auch jener, die den Staat eigentlich nichts angehen. Ausserdem wird der gesamte riesige administrative Aufwand dafür den ausländischen Banken übertragen.
OOO
Das Schweizer Parlament hat geknurrt, als es vom Bundesrat dazu angehalten wurde, FATCA zu akzeptieren. Und nun droht ein Referendum gegen FATCA. Helvetisch trotzig und eigentlich richtig und mutig. Der Haken: Die, die das Referendum lancieren, sind die Gleichen, die gestern mit dubiosen
Argumenten – okay, vielleicht tatsächlich auch aus Sorge um die Selbstbestimmung des Einzelnen – das Epidemiengesetz mit seinem angeblichem Impfzwang bekämpften. Und jetzt: mit diesen kurligen Sonderlingen solidarisch gegen offensichtlichen Unsinn und tatsächliche Gefahren kämpfen? Zudem: Ob sich die kleine Schweiz ein «No» zu FATCA, ohne Schaden zu nehmen, leisten kann? So oder so – man wird sich das gut überlegen müssen.
OOO
Vergleichsweise munter dagegen die bekannten Geschichten aus dem Gerichtssaal. Dialog zwischen Staatsanwalt und Pathologe. Staatsanwalt: «Herr Doktor, wie viel Autopsien haben Sie an Toten vorgenommen?» – Arzt: «Alle. Ich nehme alle meine Autopsien an Toten vor.»
OOO
Und das meint Walti: Diskussionen entscheidet man leichter zu seinen Gunsten, wenn man ruhig und sachlich bleibt und die Pistole vor sich auf den Tisch legt.
OOO
Und weil Walti über die Feiertage so lange schweigen musste, hier noch sein Jahresrückblick: Nüchtern betrachtet war es besoffen besser.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 1 I 2014
5