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Rubriken — POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Lebensmittel oder Heilmittel? Offizielle Kriterien zur Einstufung von Pflanzen

INTERPELLATION vom 15.4.2013
Isabelle Chevalley Nationalrätin GLP Kanton Waadt
Ich bitte den Bundesrat um Antwort auf folgende Fragen: 1. In der umfangreichen wissenschaftlichen
Literatur gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Rhodiola oder Rosenwurz irgendein spezifisches Risiko bergen würde. Zudem bestätigen qualitativ hochstehende klinische Tests, dass diese Pflanze von Interesse ist. Bekanntlich wird diese Pflanze überdies in den nordischen Ländern seit Urzeiten verwendet. Aufgrund welcher Kriterien und in welchem Verfahren wurde diese Pflanze als Lebensmittel gänzlich verboten? 2. Warum werden Heidelbeeren und Rosenwurz rechtlich so unterschiedlich behan-

delt? Welche wissenschaftlichen Grundlagen haben zu dieser Ungleichbehandlung geführt? 3. Wie wird eine Pflanze, die in ihrer Ganzheit als Arzneimittel gilt, zu einem Lebensmittel? Auf Gesuch hin? Durch eine Neubeurteilung? 4. Welche Personen sind für diese Einstufung zuständig? Welches fachliche Rüstzeug weisen sie auf?
Begründung Die Einstufung in Lebensmittel oder Arzneimittel wird von der Swissmedic und vom BAG geregelt. Sie richtet sich nach der Liste «Einstufung pflanzlicher Stoffe und Zubereitungen als Lebensmittel oder als Arzneimittel». Die Pflanzen, die unter die Arzneimittel fallen, dürfen nicht als Lebensmittel in den Handel gebracht werden. Diese klare Trennung stellt unter anderem die Landwirtschaftsbetriebe mit Verkauf ab Hof und kleinere Veredelungsbetriebe vor Probleme. Diese werden nicht informiert, wenn eine Pflanze plötzlich als Arzneimittel eingestuft wird. Das nebulöse Entscheidverfahren hilft

auch nicht zu verstehen, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage diese Einstufung vorgenommen wird. Hier ein Beispiel: Auf Anregung der landwirtschaftlichen Forschungsanstalten des Bundes haben verschiedene Landwirte eine Pflanze – Rosenwurz – angepflanzt, die auf der Liste nicht als Arzneimittel aufgeführt war. Die Kulturen brauchen fünf Jahre Pflege, bis die Wurzeln geerntet werden können. In dieser Zeit verursachen sie neben Arbeit auch erhebliche Kosten. Nun wurde aber in der Zwischenzeit verboten, diese Pflanze als Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Zum Vergleich: Es gibt ein Arzneimittel auf Heidelbeerbasis mit einer SwissmedicNummer, dennoch wurden die Heidelbeeren als Lebensmittel nicht verboten. Zu beachten ist des Weiteren: Pflanzen wie der Acker-Schachtelhalm oder der Spitzlappige Frauenmantel waren während Jahren als Arzneimittel eingestuft, weshalb sich die Landwirte gezwungen sahen, sie aus ihren Endprodukten (Kräutertees und anderen seit Ewigkeiten genutzten Zubereitungen) zu entfernen. Diese Pflanzen sind nun ohne Einschränkung als Lebensmittel zugelassen.

Stellungnahme des Bundesrates vom 14.6.2013

Dem Bundesrat ist es bewusst, dass die Abgrenzung Lebensmittel/Heilmittel nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europa bzw. weltweit ein komplexes Thema darstellt. Das BAG und Swissmedic haben aus diesem Grund eine Arbeitsgruppe (technische Plattform BAG-Swissmedic zu Abgrenzungsfragen) gebildet, in welcher Expertinnen und Experten der beiden Institutionen Einzelfälle prüfen und diskutieren, welcher Kategorie die zur Diskussion stehenden Pflanzen oder anderen Substanzen zuzuordnen sind. Der Bericht des BAG und von Swissmedic zur Abgrenzung Arzneimittel/Lebensmittel vom 25. Februar 2010 ist ein weiteres Beispiel der intensiven Zusammenarbeit der beiden Bundesstellen. Dieser Bericht kann unter folgendem Link eingesehen werden: www.bag. admin.ch/themen/lebensmittel/04865/04896/index. html?lang=de. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, hängt die Beurteilung einer Substanz als Lebensmittel oder Arzneimittel von diversen Faktoren ab. Zu berücksichtigen sind die Definitionen in der Lebensmittel- und in der Heilmittelgesetzgebung sowie zahlreiche weitere Kriterien wie gesundheitliche Unbedenklichkeit, pharmakologische Wirkung, Nebenwirkungen, Ver-

wendungszweck, Zusammensetzung, Aufmachung usw. Der Prozess einer Beurteilung im Einzelfall ist zeit- und ressourcenintensiv. Zu den technischen Fragen nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung: 1. Das BAG hat zur Einstufung von Rosenwurz
umfangreiche Abklärungen durchgeführt. In deren Rahmen hat es unter anderem ein toxikologisches und ein ernährungsphysiologisches Gutachten erstellt und ist nach Wertung aller Aspekte zum Schluss gelangt, dass Rosenwurz der Definition eines Lebensmittels nicht entspricht. Die Pflanze dient nicht dem Aufbau oder Unterhalt des menschlichen Körpers. Nach Artikel 3 des Lebensmittelgesetzes (LMG; SR 817.0) ist dies jedoch Voraussetzung. 2. Die vermeintliche Ungleichbehandlung von Heidelbeeren und Rosenwurz ist Folge der Verwendung unterschiedlicher Pflanzenteile. Während beim Rosenwurz ein Extrakt aus dessen Wurzeln verwendet wird, werden bei den Heidelbeeren die Beeren gegessen. Diese führen dem Körper Makronährstoffe zu, was eine der Voraussetzungen eines Lebensmittels ist, zudem dienen sie dem Genuss.

3. Für eine Pflanze, welche in ihrer Ganzheit als Arzneimittel gilt, kann auf Gesuch hin jederzeit eine Neubeurteilung als Lebensmittel beantragt werden. Die Kriterien für eine Umteilung zu den Lebensmitteln lassen jedoch nicht viel Spielraum: Der Lebensmittelzweck muss im Vordergrund stehen, und die Pflanze muss, wenn sie als Lebensmittel genossen wird, gesundheitlich unbedenklich sein. Entsprechende Unterlagen, welche die gesundheitliche Unbedenklichkeit als Lebensmittel und den Lebensmittelzweck zeigen, müssen beim BAG, Abteilung Lebensmittelsicherheit, eingereicht werden.
4. Bei der Prüfung von Pflanzen in Lebensmitteln oder als Lebensmittel werden die unterschiedlichen Aspekte von Pharmazeuten, Juristen, Toxikologen und Lebensmittelchemikern des BAG und gegebenenfalls von Swissmedic geprüft.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

10 ARS MEDICI 1 I 2014

POLITFORUM

Kostenexplosion im Gesundheitswesen – immer mehr unnötige Operationen?

INTERPELLATION vom 27.9.2013
Pirmin Bischof Ständerat CVP Kanton Solothurn
Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Wie ist das Mengen- und Kostengerüst
der jährlich in der Schweiz durchgeführten Operationen? Wie teilt es sich auf die wichtigsten Fallgruppen auf? Wie entwickelt es sich? 2. Welcher Anteil davon ist medizinisch begründet, welcher nicht?

3. Besteht eine Korrelation zwischen der Anzahl Spezialärzte und der Anzahl Operationen in einem bestimmten Fachgebiet? Zwischen Wohnsitzkanton und Anzahl Operationen in einem bestimmten Fachgebiet?
4. Trifft die Aussage in einer neuen OECDStudie zu, wonach die Anzahl bestimmter Operationen pro Kopf der Bevölkerung in der Schweiz deutlich höher liegt als in anderen Industriestaaten? Wenn ja, warum? Welche Risiken bringt das für die Patienten und Patientinnen? Welche Zusatzkosten?
5. Teilt er die Prognose des Präsidenten der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie, Dr. Bernhard Christen, wonach mit der Einführung der Fallpauschalen wie in Deutschland die Anzahl der Operationen

wegen falscher Anreize nochmals um etwa einen Viertel zunehmen wird («NZZ am Sonntag» vom 25. August 2013)? 6. Trifft es zu, dass die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) die ärztlichen Fachgesellschaften aufgefordert hat, bis Ende 2013 eine Liste der zehn kostspieligsten Behandlungen zu erarbeiten, die offensichtlich unnötig sind, mit dem Ziel, diese von der Grundversicherungsliste zu streichen (so SAMW-Präsident Peter Suter in der «Schweiz am Sonntag» vom 28. April 2013)? 7. Welche diesbezüglichen Massnahmen plant er? Welches sind die medizinischen und ökonomischen Folgen?

Antwort des Bundesrates vom 29.11.2013 (gekürzt)

1. Das Bundesamt für Statistik veröffentlicht die detaillierten Daten der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser sowie der Statistik diagnosebezogener Fallkosten in Tabellenform (www.bfs.admin.ch). Weiter sind in der jährlichen Veröffentlichung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu den Qualitätsindikatoren der Schweizer Akutspitäler die Fallzahlen zu 40 Krankheitsbildern und Behandlungen der einzelnen Spitäler ersichtlich. Eine tiefer gehende Untersuchung von möglichen Faktoren und Ursachen für die Unterschiede wurde seitens des Bundes bisher im Bereich der Kaiserschnitte vorgenommen und im Bericht «Kaiserschnittraten in der Schweiz» in Erfüllung des Postulates Maury Pasquier vom 27. Februar 2013 veröffentlicht. 2. Auf der alleinigen Grundlage der statistischen Angaben ist es nicht möglich, die Frage zu beantworten, ob gewisse in der Statistik erfasste Behandlungen nicht medizinisch begründet gewesen sein könnten. Der erwähnte Bericht zu den Kaiserschnittraten zeigt auf, dass die hohe Kaiserschnittrate in der Schweiz nicht mit einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen erklärt werden kann. Vielmehr spielen verschiedene Einflussfaktoren aufseiten der Gebärenden und der geburtsmedizinischen Versorgung eine Rolle. 3. Vertiefte Analysen zu Korrelationen von Faktoren und Anzahl Operationen wurden seitens des Bundes nur im Rahmen des erwähnten Berichtes zu den Kaiserschnittraten gemacht. Es wurden zwar kantonale Unterschiede festgestellt, aber keine Korrelationen zwischen der Kaiserschnittrate und der Anzahl Kliniken, die diese Leistung anbieten, nachgewiesen. Es gibt derzeit keine systematische Analyse für andere Operationen. Im Rahmen der Diskussion über die Zu-

lassungssteuerung hat der Bundesrat aber aufgezeigt, dass es mutmasslich einen Zusammenhang zwischen der Dichte der Spezialärzte und den Kosten im jeweiligen Bereich gibt. 4. In einem im März 2013 veröffentlichten Arbeitspapier («Health Working Paper» Nr. 61) untersuchte die OECD die Häufigkeit von fünf Operationen (Kaiserschnitt, Gebärmutterentfernung, Prostataentfernung, Hüftersatz, Blinddarmoperation) in den OECD-Ländern. Die Schweiz gehört bei den meisten Operationen zur Gruppe der Länder mit einer hohen Rate. Mehrere andere Länder weisen jedoch ähnliche oder sogar höhere Raten auf. Auf dieser Grundlage ist es nicht möglich, Schlüsse zu allfälligen Risiken oder zusätzlichen Kosten zu ziehen, denn man müsste insbesondere die gesamte Behandlungskette und das erzielte Outcome beim Patienten analysieren. 5. Es gibt derzeit keine zuverlässigen Informationen, die es im Fall der Schweiz ermöglichen, die vom Interpellanten angesprochenen Prognosen betreffend Zunahme der Operationen zu bestätigen oder zu widerlegen. Gemäss dem vom Bundesrat am 25. Mai 2011 genehmigten Konzept zur Wirkungsanalyse der KVGRevision bezüglich Spitalfinanzierung werden zwischen 2012 und 2018 verschiedene Studien durchgeführt. Eine Studie wird namentlich die Wirkung der Revision auf Kosten und Finanzierung der Gesundheitsversorgung untersuchen, und eine weitere analysiert die Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung im stationären Bereich der Spitäler. Die Frage nach einer allfälligen Zunahme des Leistungsvolumens wird in diesem Rahmen behandelt. Die ersten Ergebnisse liegen nicht vor Ende 2014 vor.

6. Die SAMW hat in ihrem Positionspapier «Nachhaltige Medizin Schweiz» und ihrer Roadmap für ein nachhaltiges Gesundheitssystem für die Schweiz als eine der Massnahmen aufgeführt, dass alle Fachgesellschaften eine Liste mit zehn Interventionen erstellen, die offensichtlich unnötig sind und daher nicht mehr durchgeführt werden sollten. Die SAMW ist diesbezüglich mit den Fachgesellschaften in Kontakt. Der Bundesrat respektiert aber die Unabhängigkeit der SAMW und möchte somit deren konkrete Schritte bei den ärztlichen Fachgesellschaften nicht kommentieren. 7. Der Bund strebt im Rahmen eines Gesetzgebungsprojekts zur Verstärkung von Qualität und HTA-Tätigkeiten (Health Technology Assessment) die Schaffung von strukturellen und finanziellen Grundlagen an, die eine angemessene Leistungserbringung noch mehr fördern. Weiter ist es nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (SR 832.10) die Aufgabe der Versicherer und Leistungserbringer, Massnahmen zur Sicherstellung des zweckmässigen Einsatzes der Leistungen sowie zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der erbrachten Leistungen zu vereinbaren. Die Schweiz beteiligt sich an einem OECD-Projekt (Medical Practice Variations), bei dem regionale Unterschiede in der Häufigkeit von sechs Behandlungen und Operationen aufgrund der Daten der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser analysiert werden. Die Veröffentlichung eines Berichtes zu den Unterschieden in den medizinischen Praktiken, der Erkenntnisse in diesem Bereich bringen könnte, ist für den Sommer 2014 vorgesehen.

ARS MEDICI 1 I 2014

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