Transkript
FORSCHUNG
Ebenbürtigkeit des Johanniskraut-Extraktes Ze 117 mit Fluoxetin
Resultate einer klinischen Vergleichsstudie bei milder bis moderater Depression
Der vorliegende Artikel stellt
eine Zusammenfassung einer
publizierten Studie dar, die
dokumentiert, dass der Johan-
niskraut-Extrakt Ze 117 bei der
Behandlung von leichten bis
moderaten Depressionen
gleich gut wirkt wie der syn-
thetische SSRI-Wirkstoff Fluo-
xetin, der jahrelang als das
Antidepressivum schlechthin
gegolten hatte. In Bezug auf
die Nebenwirkungen schnei-
det das Johanniskraut erwar-
tungsgemäss wesentlich bes-
ser ab als Fluoxetin.
Christoph Bachmann
Einleitung
Ziel der hier zusammengefassten Studie (1) war es, die Wirksamkeit und die Sicherheit des standardisierten Johanniskraut-Extrakts Ze 117 (vgl. Kasten) mit dem etablierten Antidepressivum Fluoxetin bei der Behandlung von leichten bis moderaten Depressionen zu vergleichen. Die Studie wurde als multizentrische, prospektive, randomisierte doppelblinde
Parallelgruppenstudie von 6 Wochen Dauer angelegt und in 7 internistischen Praxen durchgeführt.
Methode
Für die mit genau definierten Ein- und Ausschlusskriterien angelegte Studie wurden 252 ambulante Patienten oder Patientinnen mit depressiven Störungen gemäss ICD-10 ([wiederkehrende] depressive Episode: F 32 0 mild; F32 1 moderat) und mit einer Depression gemäss HAM-D (21 Einheiten) von 16 bis 24 aufgenommen. 240 konnten randomisiert werden, 12 verweigerten die Einwilligung zur Studie. 114 (48%) wurden in die Fluoxetin-Gruppe, 126 (52%) in die Hypericum-Gruppe randomisiert. Das Durchschnittsalter betrug 47 Jahre in der Fluoxetin-Gruppe und 46 Jahre in der Hypericum-Gruppe, in der Fluoxetin-Gruppe waren 59% und in der Hypericum-Gruppe 71% Frauen.
Medikation und Auswertung
Die Probanden erhielten während 6 Wochen entweder zweimal täglich 250 mg Ze 117 oder einmal täglich 20 mg Fluoxetin und einmal täglich ein Plazebo. Die Verblindung wurde auf die «Double-dummy-Art» garantiert. Die Prüfparameter der Studienärzte waren der HAM-D (21 Punkte), die CGI, die Ängstlichkeits-Unterskala (Punkte 9, 10, 11 der HAM-D), der Depressions-Subscore (Punkte
1, 2, 3, 7 und 8 von HAM-D). Die Patienten konnten ihren Zustand mit einer Visual Analogue Scale (VAS) selber beurteilen. Primäre Zielvariable war die Veränderung von HAM-D zwischen Baseline und dem Endpunkt der Studie, das heisst nach 6 Wochen. Die Gleichwertigkeit von Johanniskraut gegenüber Fluoxetin wurde angenommen, im Fall dass am Ende der Studie der mittlere HAM-D-Wert der Johanniskraut-Gruppe nicht schlechter als 3,0 Punkte sei als der HAM-D-Wert der Fluoxetin-Gruppe. Folgende sekundäre Zielvariablen wurden definiert: N Veränderung in der Depressions- und
Ängstlichkeits-Unterskala von HAM-D N CGI (I–III Einheiten) N Responderraten (≥ 50% Verringerung
des HAM-D gegenüber Baseline oder ≤ 10 Punkte im HAM-D am Endpunkt) N Selbstbeurteilung der Probanden N Rate der Studienabbrüche N Rate der UAW. Die Auswertungen wurden auf einer ITTund einer Protokoll-Compliance-Basis gemacht. Die Sicherheitsparameter wurden basierend auf der ITT-Population ausgewertet.
Resultate
Wirksamkeit Alle ermittelten Werte wurden statistisch ausgewertet. Zwischen den beiden Behandlungsgruppen bestanden keine demografi-
Kasten: Der Johanniskraut-Extrakt Ze 117
Zusammensetzung: Hyperici herbae extractum ethanolicum (50% m/m) DEV Entsprechend Gesamthypericin
250 mg 4 – 7: 1 0,25–0,75 mg
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FORSCHUNG
schen oder auf die Krankheitsgeschichte bezogenen statistischen Unterschiede. Alle Protokollverstösse wurden dokumentiert, die zum Ausscheiden von je einem ursprünglich randomisierten Probanden in beiden Behandlungsgruppen führten. Die Tabelle zeigt die durchschnittlichen Messparameter am Endpunkt der Studie (ITT). Die Zahlen der Tabelle dokumentieren die Gleichwertigkeit von Johanniskraut und Fluoxetin in Bezug auf die Veränderung von HAM-D bei der Behandlung von leichten und mittleren Depressionen. In Bezug auf die sekundären Zielvariablen besteht ein Trend zur Überlegenheit von Johanniskraut bei der absoluten Veränderung von HAM-D und beim CGI-Item 1 (Schweregrad). Bei den meisten andern sekundären Zielvariablen zeigte sich eben nur bei den meisten, nicht allen Gleichwertigkeit der beiden Arzneimittel. Die Responderrate in der JohanniskrautGruppe war signifikant grösser als diejenige in der Fluoxetin-Gruppe. Die Compliance war in beiden Gruppen sehr hoch, ohne Bevorzugung einer der beiden Behandlungsgruppen.
Sicherheit Bei der Sicherheit zeigte sich ein beträchtlicher Vorteil für Johanniskraut gegenüber Fluoxetin: 25 Prozent der Probanden der FluoxetinGruppe berichteten von unerwünschten Ereignissen (adverse events: AE). In der Hypericum-Gruppe waren es 14 Prozent. Wenn die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges mit dem Studienmedikament nicht berücksichtigt wurde, dann bestand zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied (p < 0,07). Wenn dieser Zusammenhang aber berücksichtigt wurde, dann wurden 72 Prozent der gemeldeten AE der Fluoxetin-Gruppe und 28 Prozent der HypericumGruppe zugeordnet. Das ergab eine signifikante Überlegenheit der JohanniskrautGruppe (p < 0,00).
Tabelle:
Durchschnittliche Werte der primären und sekundären Zielvariablen nach 6 Behandlungswochen
Zielvariable Primäre
HAM-D-Verbesserung Sekundäre
HAM-D-Wert absolut Baseline Endpunkt Depressions-Subscore Baseline Endpunkt Ängstlichkeits-Subscore Baseline Endpunkt CGI-Verbesserung (absolut) N Schweregrad N Zustandsänderung N Therapeutischer Effekt/
Nebenwirkungen Selbstbeurteilung der Probanden (Verbesserung seit Baseline) Responderrate (%) Compliance (%)1
Fluoxetin-Gruppe
7,25
19,50 12,20
6,4 4,0
4,4 2,7
1,3 3,4 2,6
28
40 87
Hypericum-Gruppe p-Wert 8,11 gleichwertig
19,65 11,54
6,6 3,7
4,6 2,5
1,6 3,2 2,8
33
0,09
0,10
0,28 0,03 0,12 0,06 0,12
60 0,05 94 nicht signifikant
1 Definiert als die Patienten, die mindestens 75 Prozent der verschriebenen Medikamentendosen eingenommen hatten.
Diskussion und Schlussfolgerung
Wegen der unangenehmen Nebenwirkungen ist eine Therapie milderer Formen der Depression mit herkömmlichen Medikamenten problematisch. Diese sind mit einer für leichte Beschwerden unvereinbaren Art von Nebenwirkungen behaftet, weil diese ebenso unangenehm sind wie die primären Beschwerden. Auch eine Dosisreduktion führte nicht zu einer erheblichen Verminderung dieser Nebenwirkungen. Bei älteren Patienten treten solche Nebenwirkungen auf unübliche Weise häufiger auf als bei jüngeren Patienten (2, 3). Die vorliegende Studie belegt, dass der Hypericum-Extrakt Ze 117 bei der Behandlung von leichten bis moderaten Depressionen ebenso wirksam ist wie das synthetische SSRI Fluoxetin und in Bezug auf
Sicherheit dem synthetischen Wirkstoff
überlegen ist. Daher bietet sich Ze 117 bei der
Behandlung von leichten bis moderaten De-
pressionen als eine wirksame und neben-
wirkungsarme Therapieoption an.
N
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
1. Schrader E. et al.: Equivalence of St. John’s wort extract (Ze 117) and fluoxetin: a randomized, controlled study in mild-moderate depression, International Clinical Psychopharmacology 2000 (2); 15: 61–68.
2. Wheatley D.: Hypericum extract, CNS Drugs 1998; 9: 431–440.
3. Wheatley D., Smith D.: Psychopharmacology of Cognitive and Psychiatric Disorders in the Elderly, London 1997, Chapman and Hall.
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