Transkript
BERICHT
Neues über aktinische Keratosen
Aus zahlreichen Behandlungsalternativen die individuell passende Therapie auswählen
Zürcher Dermatologische Fortbildungstage Zürich, 12. bis 15. Juni 2013
Aktinische Keratosen stellen in der Praxis das häufigste dermatoonkologische Problem dar. Viele unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten stehen bei aktinischen Keratosen zur Verfügung, sodass ein individuell angepasstes Therapiekonzept ausgewählt werden kann. Eine Behandlung ist umso nötiger, je zahlreicher die aktinischen Keratosen sind. Oft weisen aktinische Keratosen auf eine Feldkanzerisierung hin, bei der eine Feldbehandlung zu bevorzugen ist. Über aktinische Keratosen und ihre Behandlung sprach Prof. Dr. Günther Hofbauer, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich, an den Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen 2013.
ALFRED LIENHARD
Weshalb ist es überhaupt angezeigt, aktinische Keratosen – also initialen hellen Hautkrebs – zu behandeln? Die Feldkanzerisierung liefert ein gewichtiges onkologisches Argument für die Frühbehandlung. «Wir kämpfen nicht nur gegen eine einzige, sondern gegen viele aktinische Keratosen», sagte der Referent. Zur flächigen Feldkanzerisierung tragen Schäden sowohl in der Epidermis als auch in der Dermis bei. Schädliche Sonneneinwirkung auf die
Epidermis löst epitheliale Mutationen aus, die zur Hyperproliferation präkanzeröser Keratinozyten führen. Dazu kommen noch Differenzierungsstörungen in der Dermis, die auf eine Aktivierung dermaler Fibroblasten hinauslaufen. Insbesondere Risikogruppen (Patienten mit Organtransplantation, mit hoher Tumorlast, mit chronischer lymphatischer Leukämie oder mit Immunsuppression) benötigen eine Behandlung. Ein weiteres onkologisches Argument besteht darin, dass aktinische Keratosen biologisch gesehen spinozelluläre Karzinome in situ sind, auch wenn nicht jedes dieser frühen In-situ-Karzinome progredient ist. Was den Kosten-Nutzen-Aspekt betrifft, ist Primärprävention mit Sonnencreme nachweislich kosteneffizient. Möglicherweise ist auch die Sekundärprävention (Frühbehandlung der aktinischen Keratosen) kosteneffizient verglichen mit der Behandlung invasiver spinozellulärer Karzinome. Auch kosmetische Argumente sprechen für die
Frühbehandlung. Topische Therapien erreichen bei aktinischen Keratosen hohe Heilungsraten und ermöglichen die spurlose Abheilung. Bei Feldkanzerisierung kann möglicherweise ein Langzeitnutzen erzielt werden.
Neue Behandlungsmöglichkeit bei aktinischen Keratosen Die Frage, wie denn nun initialer heller Hautkrebs behandelt werden soll, ist nicht einfach zu beantworten. Sicher spielt die Anzahl der vorhandenen aktinischen Keratosen bei der Therapiewahl eine wichtige Rolle (1, 2–4, 5 und mehr Läsionen). Man muss sich überlegen, ob eine Behandlung zur Selbstanwendung oder eine vom Arzt angewendete Therapie bevorzugt werden soll. Es spielt eine Rolle, wo die Läsionen lokalisiert sind und ob sie vom Patienten beobachtet werden können. Weitere Kriterien für die Therapiewahl sind im Kasten 2 zusammengestellt. Wenn bei einem Patienten mit einer einzigen aktinischen Keratose kein
Kasten 1:
Viele Wege führen zum Ziel – Therapiemöglichkeiten bei aktinischen Keratosen
O Sonnenschutz O 5-Fluorouracil (Efudix®) O 5-Fluorouracil/Salizylsäure (Actikerall®) O Imiquimod (Aldara®) O Resiquimod (in Entwicklung) O Diclofenac (Solaraze®) O Ingenolmebutat (Picato®) O Kryotherapie O photodynamische Therapie (PDT) mit Metvix® O Pflaster-PDT (Alacare®) O Radiotherapie O Chirurgie
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besonderer Risikofaktor vorhanden ist (persönliche Anamnese, Immunsuppression, chronische lymphatische Leukämie), kann mit dem Patienten diskutiert werden, ob er sich mit Sonnenschutz begnügen will oder ob er zusätzlich eine spezifische Behandlung der Läsion wünscht. Ingenolmebutat (Picato® Gel) ist ein neu von Swissmedic am 12. Juni 2013 zugelassenes Präparat für die feldgerichtete Kurzzeittherapie multipler aktinischer Keratosen. Abhängig von der Wirkstoffkonzentration wird das Gel im Gesichts- und Kopfhautbereich (0,015%) nur 3-mal (einmal täglich an 3 aufeinanderfolgenden Tagen) und im Stamm- und Extremitätenbereich (0,05%) sogar nur 2-mal aufgetragen. Weil die Behandlung eine Entzündungsreaktion in Gang setzt, können intensive lokale Hautreaktionen auftreten. Vorteilhaft wirkt sich dabei aus, dass «der Sturm den Patienten erst dann erreicht, wenn er die Behandlung bereits hinter sich hat», wie sich der Referent ausdrückte.
Kasten 2:
Orientierende Kriterien für die Therapiewahl
O Ausprägung der Nebenwirkungen: gering (z.B. Diclofenac), mittel (z.B. Kryotherapie) oder stark (z.B. Imiquimod, Ingenolmebutat, PDT)
O Behandlungsaufwand: gering (z.B. Kryotherapie, Ingenolmebutat, Diclofenac) oder gross (z.B. PDT)
O Behandlungsdauer: kurz (z.B. Kryotherapie, Ingenolmebutat) oder lang (z.B. Diclofenac, Imiquimod)
O Remissionsdauer: eher kurz (z.B. Kryotherapie, Diclofenac) oder lang (z.B. PDT) oder sehr lang (Radiotherapie)
In 4 multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudien wurde die neue topische Feldtherapie getestet (1). Die gepoolte Analyse der Resultate von 2 Studien zur Behandlung von Gesicht oder Kopfhaut ergab nach 57 Tagen bei 42,2 Prozent der Patienten eine vollständige Abheilung (mit Plazebo bei 3,7%). Die Zahl der Läsionen nahm median um 83 Prozent ab. In den beiden andern Studien
resultierte bei der Behandlung des
Rumpfes oder der Extremitäten bei
34,1 Prozent der Patienten eine kom-
plette Abheilung (mit Plazebo bei
4,7%). Die Zahl der Läsionen konnte
an diesen Lokalisationen um 75 Pro-
zent verringert werden (1).
O
Alfred Lienhard
1. Lebwohl M et al.: Ingenol mebutate gel for actinic keratosis. N Engl J Med 2012; 366: 1010–1019.
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