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FORUM
Der Qualitätspatient
MAX KONZELMANN
Das A und O im schweizerischen Gesundheitswesen ist die Qualität. Sie wird durch einfallsreiche Vorschläge der gesundheitspolitischen Vordenker laufend verbessert und ist heute schon fast nicht mehr zu überbieten. Dass Qualitätsverbesserung etwas Gutes ist, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. So habe ich gelesen, dass zur qualitätszertifizierten Arztpraxis ein Min./Max.-Thermometer in den Kühlschrank gehört; und seitdem ein solches jetzt im Kühlschrank steht, erfüllt mich echter Stolz über die Qualitätszunahme. Das Joghurt ist seither im Kellerfrigo stationiert. Was jetzt noch fehlt, ist der Qualitätspatient (QP). Ist doch der Patient im Gesundheitswesen die zentrale Figur, um die sich alles dreht! Es ist daher wirklich nötig, auch die Qualität des Patienten zu definieren. Gelingt es, dem Arzte mehr Qualitätspatienten zuzuführen, ergibt sich eine ganz gewaltige Arbeitserleichterung. Die heutige Situation ist bekanntlich schlecht, oft fast unhaltbar: Patienten, die den Termin
nicht einhalten, den Versicherungsausweis nicht dabeihaben oder mit den Prämienzahlungen im Rückstand sind, ärgern uns immer wieder. Mühsam auch der Patient, dem am Ende der Konsultation in den Sinn kommt, dass er unbedingt noch seinen Fusspilz zeigen muss und der dann gleich Schuhe und Socken auszieht. Oder die Frau, welche in ihrer vollen Handtasche geschäftig und umständlich nach dem Internetartikel über das allerneueste Krebsmittel sucht, zu dem sie einige dringende Fragen an den Arzt hat. Zeitund nervenaufreibend sind auch Patienten, welche erklären, dass sie alle diese Medikamente schon von ihren Spezialisten in Deutschland und China bekommen haben und dass sie überhaupt nicht wirken, weshalb jetzt unbedingt das Biological Panazeol eingesetzt werden muss. Eindrücklich zeigt uns das Beispiel der Frau Generaldirektor, wie schwer der Arzt durch das Verhalten von Patienten zeitlich und mental belastet wird. Sie erscheint am vereinbarten Termin nicht allein, sondern mit dem Chauffeur, der eine Harnröhrenentzündung hat, und ihrer Tante Hildegard «wegen Knie-
schmerzen». Ärztliche Burn-outs und
vorzeitige Praxisschliessungen spre-
chen Bände!
Gelingt es, die Patientenqualität nach-
haltig zu steigern, wird sich das auf die
ärztliche Zufriedenheit und die beruf-
liche Motivation mit Sicherheit positiv
auswirken. Es liegt klar im Interesse der
FMH, ihre Mitglieder durch Steigerung
der Patientenqualität bei guter Laune
und bei der Stange zu halten. Sie muss
Anreize zur Steigerung der Patienten-
qualität schaffen.
Der Swiss Quality Award hat gezeigt,
dass Preise ein wirksames Mittel sind.
Den Qualitätsaspiranten soll der Swiss
Qualipatient Award winken. Jeder
Qualitätspatient erhält als Ausweis die
QP-Card. Die Schweizerische Akade-
mie für Qualität in der Medizin ist jetzt
gefordert. Sie soll die nötigen Quali-
tätspatienten-Seminarien anbieten, die
QP-Cards ausgeben und ein Dispositiv
dazu erstellen, welche Vergünstigungen
der QP erwarten darf. Ob sich auch das
BAG für die Patientenqualität engagie-
ren wird, ist ungewiss. Bisher hat es
mehr Qualität nur von den Ärzten,
nicht aber für sie gefordert. Pascal
Strupler wird sich mit der Materie doch
auch noch befassen müssen und darü-
ber nachdenken, ob finanzielle Zuwen-
dungen an das Projekt Qualitätspatien-
ten opportun wären. Die Zukunft wird
es weisen.
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Max Konzelmann
ARS MEDICI 23 I 2013 1161