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Rubriken — POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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5656
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Informationen über mögliche falsche Ärzte müssen an die kantonalen Behörden weitergeleitet werden

INTERPELLATION vom 19.6.2013
Margrit Kessler Nationalrätin GLP Kanton St. Gallen
Eine Pflegefachfrau gab sich als Ärztin aus und arbeitete über Jahre als «falsche Ärztin» in fünf Schweizer Spitälern. Das Bundesamt erhielt wichtige Hinweise, überprüfte diese

aber viel zu wenig. Das BAG versteckt seine Untätigkeit hinter der fehlenden Gesetzgebung. Es kann nicht sein, dass wegen eines fehlenden Gesetzes Patientinnen und Patienten durch eine Hochstaplerin zu Schaden kommen und das BAG wichtige Informationen der kantonalen Behörde nicht weiterleiten kann. Deshalb bitte ich um Beantwortung folgender Fragen: 1. Welche Bundesstelle wusste oder hatte
Hinweise, dass eine mögliche falsche Ärztin in der Schweiz tätig war? 2. Weshalb konnten diese wichtigen Informationen dem Kantonsarzt nicht mitgeteilt werden?

3. Welche Gesetze müssen angepasst werden, damit wichtige Informationen wie die angesprochene unmittelbar an die entsprechenden Stellen weitergeleitet werden können?
4. Beabsichtigt der Bundesrat, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen?
5. Ist er bereit, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass in Zukunft alle Ärztinnen und Ärzte im Register eingetragen werden müssen?
6. Ist er bereit, mit gesetzlichen Massnahmen die Patientensicherheit zu verbessern?

Antwort des Bundesrates vom 4.9.2013

1. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wurde im September 2012 durch einen Arzt schriftlich informiert. Dieser äusserte den Verdacht, die besagte «Ärztin» verfüge über kein Diplom. Es gibt keine weiteren Hinweise, dass auch andere Bundesstellen informiert waren. 2. Das Medizinalberufegesetz regelt die Voraussetzungen für die selbstständige Berufsausübung von universitären Medizinalpersonen, die Kantone sind für die Überwachung der Berufsausübung zuständig. Die Voraussetzungen für die unselbstständige Berufsausübung sowie deren Überwachung liegen in der alleinigen Kompetenz der Kantone und sind durch Bundesrecht nicht geregelt. Das Bundesamt für Gesundheit darf Personendaten nur bearbeiten beziehungsweise weitergeben, wenn eine entsprechende gesetzliche Grundlage besteht. Sind besonders schützenswerte Personendaten betroffen, braucht es dafür eine gesetzliche Grundlage im formellen Sinn. Artikel 42 MedBG sieht vor, dass Gerichts- und Verwaltungsbehörden der jeweiligen kantonalen Aufsichtsbehörde unverzüglich Vorfälle melden, welche die gemäss MedBG vorgesehenen Berufspflichten selbstständig tätiger Medizinalpersonen verletzen könnten. Im beschriebenen Fall handelte es sich um eine Person, welche als «Ärztin» angestellt war, ohne über die notwendigen beruflichen Qualifikationen zu verfügen. Sie war in verschiedenen Spitälern tätig und im Sinne des MedBG unselbstständig.

Vorfälle, welche unselbstständig tätige Medizinalpersonen betreffen, fallen nicht unter die Berufsausübungsbestimmungen des MedBG und somit auch nicht unter Artikel 42 MedBG. Für die Überprüfung der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen dieser Medizinalpersonen sind grundsätzlich die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber verantwortlich. Das BAG hat den Informanten darauf hingewiesen, dass die Kantone abschliessend für die Aufsicht über die Medizinalpersonen zuständig seien. In Zukunft wird das BAG alle Informanten, die gegenüber Gesundheitsfachpersonen einen Verdacht äussern, explizit an die zuständige kantonale Aufsichtsbehörde verweisen. 3./4. Um sämtliche wichtigen Informationen an die zuständige kantonale Behörde weiterleiten zu können, bräuchte der Bund eine gesetzliche Regelung über alle Gesundheitsfachpersonen in öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlich ausgerichteten Institutionen gestützt auf eine umfassende verfassungsrechtliche Grundlage, die aber derzeit nicht vorhanden ist. Momentan kann der Bund lediglich Vorschriften über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erlassen. Mit der laufenden Revision des MedBG wird der Bund seine Kompetenz so weit wie möglich ausschöpfen, indem der Begriff «selbstständig» durch den Begriff «privatwirtschaftlich in eigener fachlicher Verantwortung» ersetzt wird. Dies führt zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Be-

rufsausübungsbestimmungen des MedBG. Ungeachtet der Revisionsvorlage werden Ärztinnen und Ärzte, die im öffentlichen Dienst von Kantonen und Gemeinden tätig sind, aber weiterhin der kantonalen Kompetenz unterstellt sein. Für eine umfassende, bundesrechtliche Regelung der Berufsausübung aller Medizinalpersonen müsste wie erwähnt eine entsprechende Verfassungsgrundlage geschaffen werden. 5./6. Die Registrierung sämtlicher Ärztinnen und Ärzte, ungeachtet der Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit (im öffentlich-rechtlichen oder privatwirtschaftlichen Sektor), im Medizinalberuferegister und deren Unterstellung unter abschliessend geregelte bundesrechtliche Berufspflichten/Disziplinarmassnahmen ist aus der Sicht des Bundesrates im Einvernehmen mit den Kantonen zu prüfen. Voraussetzung für die Kompetenzanpassungen wäre wie erwähnt aber eine Verfassungsänderung. Der Bundesrat unterstützt Bestrebungen, die zu einer Erhöhung der Patientensicherheit führen. Die Patientensicherheit wäre aber auch bei einer Registrierung sämtlicher Ärztinnen und Ärzte oder aller übrigen Gesundheitsfachpersonen nur dann gewährleistet, wenn die Spitäler keine Anstellungen vornehmen, ohne vorgängig entweder einen Auszug aus dem Register oder eine beglaubigte Diplomkopie zu verlangen.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.

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ARS MEDICI 22 I 2013

POLITFORUM

Patientenschutz bei Teilnahme an klinischen Forschungsprojekten stärken

INTERPELLATION vom 19.6.2013
Yvonne Gilli Nationalrätin Grüne Kanton St. Gallen
Es sollte selbstverständlich sein, dass Patienten oder Probanden, die an klinischen Studien teilnehmen, im Fall einer Schädigung angemessen unterstützt und entschädigt werden. In der Realität können sie trotz erleichterter Beweisführung in Bezug auf die Kausalität der Schädigung grosse Schwierigkeiten haben, ihre Rechte durchzusetzen. Die Beweislast liegt in der Schweiz letztlich beim

Patienten. Die Interaktion zwischen diagnostisch-therapeutischen Verfahren und Medikamentenwirkungen mit dem menschlichen Organismus ist meist komplex, weshalb einzelne Verfahren oft nur bedingt in kausalem Zusammenhang mit unerwünschten Wirkungen stehen. Ich stelle deshalb dem Bundesrat folgende Fragen: 1. Eine Beweislastumkehr kommt für den
Bundesrat nicht infrage. Wie stellt er im Rahmen der Verordnungen zum HFG sicher, dass betroffene Probanden und Patienten trotz strittigem Nachweis der Kausalität im Fall einer Schädigung angemessen entschädigt werden? 2. Teilt er die Haltung, dass diesbezügliche Patientenrechte unabhängig von der Versuchskategorie durchsetzbar sein müssen? Wird er sich dafür einsetzen, dass für alle Versuchskategorien die gleiche Regelung gilt?

3. Wird er im Rahmen der Verordnungen sicherstellen, dass
a. zum Schutz der geschädigten Personen ein unmittelbares Forderungsrecht im Sinn einer Verfahrenserleichterung garantiert ist, unabhängig von der Strittigkeit der Versicherungsdeckung? Dieses soll insbesondere sicherstellen, dass offene Fragen in Bezug auf das Verschulden zwischen Haftpflichtversicherer, Sponsor und allfälligen Drittpersonen besprochen und gelöst werden können, ohne dass die geschädigte Partei verzögert entschädigt wird.
b. dieses Forderungsrecht für alle Studienkategorien garantiert ist
c. zugunsten der Probanden/Patienten zwingend eine Rechtsschutzversicherung abzuschliessen ist.

Antwort des Bundesrates vom 4.9.2013

Mit dem Humanforschungsgesetz (HFG, vorgesehenes Inkrafttreten: 1. Januar 2014) werden eine Kausalhaftung und eine entsprechende Sicherstellungspflicht bei Forschungsprojekten mit Personen festgeschrieben; der Gesetzgeber hat jedoch keine Beweislastumkehr vorgesehen. Damit sind mit dem HFG im Vergleich zur Haftung im Arzt-/Spitalbereich gewisse Beweiserleichterungen für die geschädigte Person verbunden, namentlich muss kein Nachweis eines Verschuldens beziehungsweise einer Sorgfaltspflichtverletzung der forschenden Person erbracht werden. Der Nachweis, dass ein Schaden durch das Forschungsprojekt verursacht wurde, bleibt aber notwendig, da nicht sämtliche Schädigungen im Verlaufe des Forschungsprojekts (z. B. Verschlechterung des Gesundheitszustandes infolge vorbestehender Krankheiten) der Forschung angelastet werden können. 1. Die Festlegung einer – im schweizerischen Recht sehr seltenen – Beweislastumkehr in Abweichung von der allgemeinen Beweisregel nach Artikel 8 ZGB müsste auf Stufe Bundesgesetz erfolgen; sie kann nicht vom Bundesrat angeordnet werden. Der Beweis, dass ein eingetretener Schaden auf die Forschungsaktivitäten zurückzuführen ist, obliegt mangels gegenteiliger Bestimmung im HFG damit der am Forschungsprojekt teilnehmenden geschädigten

Person. Angesichts des für medizinische Laien teilweise schwierigen Nachweises dieses Kausalzusammenhangs im Arzt-/Spitalbereich werden den Patientinnen und Patienten nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung jedoch Erleichterungen zugestanden: So genügt es, wenn die Kausalität mit genügender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wird. Kann der Schaden nicht mit genügender Wahrscheinlichkeit auf die Forschungshandlungen zurückgeführt werden, oder bleibt diese Würdigung strittig, sieht das HFG keine spezifischen weiteren Vorkehren vor. Die Erfahrungen aus dem Vollzug des HFG werden schliesslich zeigen, ob die neuen Regelungen den Schutz der teilnehmenden Personen auch im Schadensfall gewährleisten können. Die Evaluation des Gesetzes soll auch diesbezüglich die notwendigen Angaben liefern. 2. Beim Erlass der Ausführungsbestimmungen zum HFG ist der Bundesrat gehalten, das unterschiedliche Ausmass der Gefährdung von Würde und Persönlichkeit bei den einzelnen Forschungsbereichen und -vorgehen zu beachten, namentlich in den Bereichen Haftung und Sicherstellung. Der vom EDI 2012 in die Anhörung gegebene Entwurf des Verordnungsrechts sah dementsprechend, internationalen Bestrebungen folgend, risikoadaptierte, abgestufte Anforderungen vor. Der Bundesrat wird in Kenntnis

der Ergebnisse der Anhörung voraussichtlich im Herbst 2013 im Rahmen der Genehmigung des Verordnungsrechts auch über die entsprechenden Anforderungen im Bereich der Kausalhaftung beziehungsweise Sicherstellungspflicht entscheiden. Unbestritten ist, dass dabei der Schutz der an Forschungsprojekten teilnehmenden Personen und namentlich die Durchsetzung der entsprechenden Rechte gewährleistet bleiben muss. 3. Der erwähnte Entwurf des Verordnungsrechts sieht auch ein direktes Forderungsrecht der geschädigten teilnehmenden Person gegenüber der Versicherung für alle Forschungsprojekte vor, deren Haftpflicht durch eine Versicherung oder andere gleichwertige Formen der Sicherstellung abgedeckt werden muss. Der Bundesrat wird über die Ausgestaltung dieses Aspekts in Kenntnis der Ergebnisse der Anhörung voraussichtlich im Herbst 2013 im Rahmen der Genehmigung des Verordnungsrechts entscheiden. Hingegen bietet das HFG keine Grundlage, um Forschende dazu zu verpflichten, eine Rechtsschutzversicherung zugunsten der teilnehmenden Personen abzuschliessen.
Stand der Beratung: im Plenum noch nicht behandelt.

XUNDHEIT IN BÄRN

ARS MEDICI 22 I 2013 1115