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BERICHT
Hepatitis-B-Virus-Infektion
Was tun, wenn HBV-Infizierte eine immunsuppressive Therapie brauchen?
European Congress on Clinical Microbiology and Infectious Diseases Symposium «The revolving alphabet soup of hepatitis viral infections», 30. April 2013, Berlin
Wird bei einem Patienten mit Hepatitis B eine immunsuppressive Therapie erforderlich, ist Vorsicht geboten, selbst wenn der Patient HBeAntigen-negativ ist, das Virus sich also derzeit nicht aktiv repliziert. Denn eine Reaktivierung ist jederzeit möglich und kann leicht tödlich enden. Im Zweifelsfall sollten betroffene Patienten antiviral abgeschirmt werden.
MANUELA ARAND
Ob nach einer Transplantation oder bei einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung: Dass Patienten mit chronischer Hepatitis B eine immunsuppressive Therapie benötigen, kommt in der Praxis nicht selten vor. Anders als bei der chronischen Hepatitis C, bei der dann zwar die Viruslast ansteigen kann, Leberfunktion und Verlauf aber zumeist nicht wesentlich beeinträchtigt werden, drohe bei der Hepatitis B eine Reaktivierung der Infektion, die nur noch schwer beherrschbar sei, gab Prof. Dr. Heiner Wedemeyer, Hannover, zu bedenken. Eine derartige Reaktivierung ist grundsätzlich immer möglich, weil das Hepatitis-B-Virus (HBV) nicht mehr eliminiert werden kann, wenn es sich einmal chronisch in den Hepatozyten festgesetzt hat. Das geschieht bei etwa 10 Prozent der Patienten mit akuter
HBV-Infektion. Auch wenn die Replikation komplett unterdrückt ist, verbleibt das Virusgenom in den Zellen. Weder das Immunsystem noch eine antivirale Therapie können dann noch die Ausheilung herbeiführen. Da eine Reaktivierung jederzeit geschehen kann, müssen chronisch HBVInfizierte regelmässig hinsichtlich der Virusaktivität gemonitort werden. Dazu sollte neben den Transaminasen auch die Virus-DNA bestimmt werden, weil der Anstieg der Leberwerte häufig verzögert erfolgt. Eine antivirale Therapie wird erforderlich, wenn die Viruslast über 2000 IU/ml steigt und entweder ein Transaminasenanstieg oder Zeichen einer Leberfibrose vorliegen, so Wedemeyer. Bei Patienten, die bereits eine Leberfibrose aufweisen, stellt jeder positive DNA-Nachweis eine Therapieindikation dar. Bei inaktiven Carriern und latent Infizierten halten immunologische Mechanismen HBV unter Kontrolle. Wahrscheinlich ist daran sowohl das zelluläre als auch das humorale System beteiligt. Jede immunsuppressive Behandlung birgt deshalb das Risiko, dass das Virus reaktiviert wird. Besonders hoch scheint die Gefahr bei einer Therapie mit dem B-Zell-Depletor Rituximab zu sein, doch auch andere Biologika oder Zytostatika können eine Reaktivierung auslösen. Die European Association for the Study of the Liver (EASL) empfiehlt deshalb, alle Patienten, bei denen eine solche Behandlung geplant ist, auf Anti-HBc als Zeichen, dass irgendwann eine HBV-Infektion stattgefunden hat, und HBsAg als Hinweis auf eine fortbestehende Infektion zu testen. In der Praxis wird diese Empfehlung aber nur selten befolgt. So ergab eine Analyse des renommierten MD Anderson Cancer Center, dass dort von über 10 000
chemotherapierten Patienten nur jeder Fünfte vor Behandlungsbeginn gescreent worden war. Die Studie zeigt auch, dass sich die präemptive Therapie lohnt: Von denen, die eine Reaktivierung erlitten hatten und notfallmässig antiviral behandelt wurden oder keine Therapie erhielten, starben über 70 Prozent, aber nur 22 Prozent derer mit Prophylaxe. Gemäss EASL-Leitlinie sollten HBsAgpositive Patienten eine präemptive antivirale Therapie über mindestens zwölf Monate erhalten, wenn eine Behandlung ansteht, die das Immunsystem supprimiert. Liegt die Viruslast unter 2000 IU/ml, reicht Lamivudin aus. Bei höheren Virus-DNA-Messwerten sollten potentere Wirkstoffe wie Entecavir oder Tenofovir gewählt werden. Ähnliches gilt für Patienten mit positivem Anti-HBc und negativem HBsAg. Bei positivem DNA-Nachweis ist eine mindestens zwölfmonatige antivirale Therapie indiziert. Einen Sonderfall sieht die EASL bei einer geplanten Rituximabtherapie: Hier sollte unabhängig vom DNASpiegel immer eine Behandlung erwogen werden, auch wenn nur Anti-HBc positiv ausfällt. Patienten, bei denen sich keine Virus-DNA nachweisen lässt, sollen in regelmässigen Abständen erneut getestet werden. Hier geht Wedemeyer nicht mit der Leitlinie konform: Es könne letztlich kostengünstiger sein, den Patienten prophylaktisch das gut verträgliche Lamivudin zu verordnen, als immer wieder zu testen. O
Manuela Arand
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ARS MEDICI 22 I 2013