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FORTBILDUNG
Was hilft bei Schlafstörungen?
Möglichst verhaltenstherapeutisch behandeln, Medikamente nur kurzfristig und niedrig dosiert einsetzen
Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) sind sehr verbreitet. Sie führen zu Tagesmüdigkeit und Reizbarkeit und wirken sich insgesamt negativ auf die Gesundheit aus. Wenn möglich, sollten Schlafstörungen mit verhaltenstherapeutischen Methoden behandelt werden. Hypnotika sind ebenfalls wirksam, müssen jedoch im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen sorgfältig überwacht werden.
JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION
Metaanalysen stützen die Wirksamkeit von behavioralen, kognitiven und medikamentösen Massnahmen bei Schlafstörungen. Kurze behaviorale Interventionen sowie eine internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie erscheinen in der Primärversorgung vielversprechend. Was die medikamentösen Therapieoptionen anbelangt, besteht für Benzodiazepinrezeptoragonisten die beste Evidenz, doch gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit in Relation zu ihrer eher mässigen Wirksamkeit. Ziel der Behandlung von Schlafstörungen ist es, die quantitativen und qualitativen Aspekte des Schlafs zu verbessern, Angst und Stress, die mit schlechtem Schlaf assoziiert sind, zu reduzieren und die funktionellen Fähigkeiten während des Tages zu verbessern.
Die Prävalenz von Schlafstörungen liegt bei etwa 10 bis 20 Prozent, wobei die Hälfte der Fälle chronisch verläuft. Insomnien sind ein Risikofaktor für die Entwicklung anderer internistischer und psychischer Erkrankungen, und sie verursachen erhebliche Kosten im Gesundheitswesen. Genetische, physiologische, Verhaltens- und Umweltfaktoren sind an der Ätiologie und Pathophysiologie von Schlafstörungen beteiligt, und sie führen zu einer physiologischen Übererregung (Hyperarousal). Die Diagnostik einer Insomnie beruht auf einer gründlichen Anamnese des Schlafverhaltens, von internistischen und psychiatrischen Problemen sowie der Medikamenteneinnahme und wird ergänzt durch eine prospektive Aufzeichnung des Schlafmusters (Schlaftagebuch).
Merksätze
O Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) haben eine Prävalenz von etwa 10 bis 20 Prozent, wobei rund 50 Prozent chronisch verlaufen.
O Was die medikamentösen Therapieoptionen betrifft, besteht für Benzodiazepinrezeptoragonisten die beste Evidenz, doch gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit in Relation zu ihrer eher mässigen Wirksamkeit.
O Wenn möglich, sollten verhaltenstherapeutische Verfahren angewandt und Medikamente möglichst kurz und niedrig dosiert eingesetzt werden.
Kognitive Verhaltenstherapie Die kognitive Verhaltenstherapie ist bei Schlafstörungen die am weitesten verbreitete und am besten untersuchte nicht medikamentöse Therapieoption. Die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie ist bei chronischer primärer und sekundärer Insomnie bei jüngeren und älteren Erwachsenen belegt. Die akuten Effekte einer kognitiven Verhaltenstherapie über sechs bis zehn Wochen sind mit denjenigen von Hypnotika vergleichbar oder sogar besser, und sie halten über eine Nachbeobachtungszeit von drei Jahren an. Verhaltenstherapien sind bei Patienten wirksam, die Hypnotika einnehmen, und sie tragen dazu bei, dass die Medikamenteneinnahme reduziert werden kann. Eine initiale kombinierte Behandlung aus Verhaltens- und Pharmakotherapie, der eine alleinige kognitive Verhaltenstherapie folgt, führt möglicherweise zu den besten Langzeitergebnissen. Eine kognitive Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen umfasst typischerweise sechs bis acht Einzelsitzungen, doch wurde auch die Wirksamkeit von Kurzversionen und von internetgestützter Verhaltenstherapie demonstriert.
Medikamentöse Therapie Benzodiazepinrezeptoragonisten Zu den Benzodiazepinrezeptoragonisten (BzRA) zählen Benzodiazepine (z.B. Temazepam, Triazolam) und Nichtbenzodiazepin-Hypnotika (z.B. Zolpidem, Zaleplon, Eszopiclon; Tabelle 1). Diese Substanzen weisen einen gemeinsamen Wirkmechanismus auf: Sie binden an eine bestimmte Stelle des Gammaaminobuttersäure-A-(GABA-A-)Rezeptors. BzRA zeigen sedative/hypnotische, amnestische, anxiolytische, muskelentspannende und antikonvulsive Effekte, doch sind unterschiedliche GABA-A-Rezeptor-Subtypen für diese Effekte verantwortlich, und die verschiedenen BzRA
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Tabelle 1:
Benzodiazepinrezeptoragonisten (BzRA)
Benzodiazepine O Triazolam O Temazepam O Estazolam O Quazepam O Flurazepam O Alprazolam O Lorazepam O Clonazepam
Nichtbenzodiazepinhypnotika O Zaleplon O Eszopiclon O Zolpidem (oral, Retardformulierung O sublingual, Oralspray)
Tabelle 2:
Weitere Medikamente, die häufig als Hypnotika eingesetzt werden
Melatoninagonisten O Melatonin O Ramelteon
Sedierende Antidepressiva O Doxepin O Amitriptylin O Trazodon O Mirtazapin
Sedierende Antipsychotika O Olanzapin O Quetiapin
Antihistaminika O Diphenhydramin O Doxylamin
Antikonvulsiva O Gabapentin O Pregabalin
eine Halbwertszeit von einer Stunde aufweist, die Schlaflatenz, aber es hat keinen signifikanten Effekt auf nächtliches Erwachen. Flurazepam und sein Metabolit haben Halbwertszeiten von bis zu 120 Stunden, was das nächtliche Erwachen reduziert, aber auch zu erhöhter Tagesmüdigkeit führt. Die pharmakokinetischen Unterschiede kann man sich klinisch zunutze machen. Patienten mit Einschlafstörungen oder morgendlicher Sedierung durch Hypnotika können von einer Substanz mit kurzer Halbwertszeit profitieren, während Patienten mit Durchschlafstörungen eher eine Substanz mit längerer Halbwertszeit benötigen. Obwohl einige BzRA von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für Schlafstörungen und andere für Angsterkrankungen zugelassen sind, haben sie doch ähnliche pharmakodynamische Eigenschaften. So werden Clonazepam und Lorazepam manchmal als Hypnotika eingesetzt, wenn sie das gewünschte pharmakokinetische Profil haben. Umgekehrt kann der Einsatz mehrerer BzRASubstanzen (z.B. Lorazepam gegen Angst, Temazepam gegen Schlafstörungen) zu additiven Effekten führen und nicht zu spezifischen Effekten auf unterschiedliche Symptome. Alkohol- oder Sedativamissbrauch beziehungsweise -abhängigkeit gelten als relative Kontraindikation gegen den Einsatz von BzRA. Weitere relative Kontraindikationen sind die Anwendung anderer Sedativa, schwere respiratorische Insuffizienz oder unbehandelte Schlafapnoe, Leberversagen sowie eine Überempfindlichkeit gegenüber der Substanzklasse. BzRA sollen bei Patienten mit Depressionen und bei älteren Menschen zurückhaltend eingesetzt werden. Zu den unerwünschten Wirkungen von BzRA zählen: O morgendliche Sedierung; O anterograde Amnesie; O Angst; O Gleichgewichtsstörungen; O Sturzneigung und Hüftfrakturen; O komplexe schlafbezogene Störungen wie Schlafwandeln.
variieren hinsichtlich ihrer Spezifität für diese Rezeptoren. Beispielsweise sind Zolpidem und Zaleplon relativ spezifisch für GABA-A-alpha1-Rezeptoren und weisen mehr hypnotische als andere Effekte auf. Die kurzfristige Wirksamkeit von BzRA ist durch klinische Studien gut belegt. Diese Studien zeigen eine statistisch signifikante Besserung von Schlafqualität und -latenz. Auch nächtliches Erwachen, Schlafzeit und Schlafeffizienz besserten sich in Abhängigkeit von der Wirkdauer der jeweiligen Substanz. Plazebokontrollierte Doppelblindstudien stützen die Wirksamkeit der BzRA für einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten, wenn sie jede Nacht oder intermittierend eingenommen werden, und bis zu 12 Monaten in offenen Studien. Aufgrund ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften gibt es klinisch bedeutsame Unterschiede zwischen spezifischen BzRA. Die meisten hypnotischen BzRA werden rasch absorbiert, und ihre Wirkung tritt schnell ein. BzRA mit langsamerer Absorption wie beispielsweise Oxazepam oder Clorazepat eignen sich für die Therapie von Schlafstörungen weniger gut. Die Eliminationshalbwertszeiten der hypnotischen BzRA differieren stark, was zu vorhersagbaren klinischen Effekten führt. Beispielsweise reduziert Zaleplon, das
Die meisten dieser Nebenwirkungen sind dosisabhängig, und einige – wie beispielsweise die morgendliche Sedierung – hängen mit den pharmakokinetischen Eigenschaften spezifischer Substanzen zusammen. Weitere Risikofaktoren für Nebenwirkungen sind fortgeschrittenes Lebensalter, Konsum von anderen Sedativa oder Alkohol oder anamnestisch bekannte Parasomnien. Eine Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass bei älteren Menschen die Nebenwirkungen von BzRA grösser sind als ihr Nutzen. Nachdem neue Daten über den Zusammenhang zwischen der psychomotorischen Leistungsfähigkeit und den BzRA-Blutspiegeln vorgelegen hatten, verlangte die FDA von den Herstellern von Zolpidem, die empfohlene Dosis für Frauen von 10 mg auf 5 mg und bei Retardpräparaten von 12,5 mg auf 6,25 mg zu senken. Darüber hinaus verlangte die FDA von den Herstellern, die niedrigeren Dosierungen auch für Männer zu empfehlen. Weitere Nachteile der BzRA sind Reboundinsomnie, Entzugssymptome sowie Abhängigkeitsentwicklung. Bei Medikamentenüberdosierungen sind häufig BzRA-Hypnotika im Spiel, obwohl BzRA an sich aufgrund ihrer hohen medianen letalen Dosis selten allein tödlich sind. Doch werden sie häufig in Kombination mit Alkohol, Opiaten und anderen Medikamenten eingenommen, was zu erhöhter Toxizität und Mortalität führt.
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Andere Medikamente Weitere Medikamente, die häufig als Hypnotika eingesetzt werden, sind in Tabelle 2 aufgelistet. Ramelteon ist ein Melatonin-1- und Melatonin-2-RezeptorAgonist mit ähnlichen Eigenschaften wie endogenes Melatonin. Klinische Studien zeigen signifikante Effekte auf Schlaflatenz und Schlafdauer, aber inkonsistente Effekte auf nächtliches Erwachen. Ramelteon kann wie Melatonin zirkadiane Rhythmen verschieben, je nach Zeitpunkt der Einnahme. Ramelteon wird im Allgemeinen gut vertragen; ausser Sedierung werden nur wenige unerwünschte Wirkungen beobachtet. Doxepin, eine trizyklische Substanz, ist von der FDA in Dosen von 100 bis 200 mg bei Depression zugelassen und in Dosen von 3 bis 6 mg bei Schlafstörungen. In antidepressiven Dosen übt Doxepin Wirkungen auf viele zentralnervöse Transmitter aus, in hypnotischen Dosen wirkt Doxepin dagegen sedativ auf Histamin-1-Rezeptoren, was erklären kann, warum es ohne die typischen anticholinergen Nebenwirkungen (z.B. Mundtrockenheit, Verschwommensehen, Obstipation) sedativ wirkt, welche bei höheren Dosierungen berichtet werden. Klinische Studien mit Doxepin belegen eine Reduktion von Durchschlafstörungen, eine bessere Schlafeffizienz und Gesamtschlafdauer für bis zu fünf Wochen, aber nur einen geringen Effekt auf die Schlaflatenz. Doxepin reduziert nächtliches Erwachen und bessert die Schlafeffizienz während der gesamten Nacht, während BzRA mit kurzer Halbwertszeit im letzten Drittel der Nacht nur begrenzt wirksam sind. Verschiedene «natürliche» und frei verkäufliche Medikamente werden als Hypnotika eingesetzt, obwohl es kaum kontrollierte Studien gibt, die ihre Anwendung stützen. Das Hormon Melatonin wird typischerweise nachts ausgeschüttet, also während der beim Menschen wichtigsten Schlafphase. Melatonin wurde in Dosen zwischen 0,3 und 80 mg als Hypnotikum evaluiert, was einen kleinen, aber signifikanten Effekt auf die Schlaflatenz ergab, nicht jedoch auf andere Schlafparameter. Baldrianderivate sind die bei Schlafstörungen am häufigsten eingesetzten Phytopharmaka. Die Heterogenität spezifischer Baldrianzubereitungen und -dosierungen sowie der Studienmethoden erlaubt jedoch keine abschliessende Beurteilung ihrer Wirksamkeit. Diphenhydramin, Doxylamin, Hydroxyzin und andere Antihistaminika werden häufig zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Antihistaminika antagonisieren auch cholinerge Muskarinrezeptoren, was zu Nebenwirkungen wie Harnretention und kognitiven Störungen führen kann. Es stehen nur wenige empirische Daten zur Verfügung, welche die Wirksamkeit oder die Sicherheit von Antihistaminika stützen. Antihistaminika sind in Kombination mit Analgetika in vielen frei verkäuflichen Präparaten enthalten, die zur nächtlichen Linderung von Schmerzen und Schlafstörungen angeboten werden. Es werden weitere verschreibungspflichtige Medikamente zur Behandlung von Schlafstörungen verwendet, aber keines wurde hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit systematisch evaluiert. Trazodon wird häufig in Dosen von 25 bis100 mg verordnet. Die grösste Trazodonstudie ergab hinsichtlich Schlaflatenz und Schlafeffizienz ähnliche Effekte wie Zolpi-
dem, aber in der zweiten Woche waren die Effekte nicht mehr signifikant. Obwohl Trazodon eine relativ kurze Halbwertszeit aufweist, tritt als Nebenwirkung häufig eine morgendliche Sedierung auf. Gabapentin und Pregabalin werden oft zur Behandlung chronischer Schmerzzustände mit begleitenden Schlafstörungen einschliesslich Fibromyalgie eingesetzt. Die von den Patienten in diesen Studien angegebenen Ergebnisse hinsichtlich verschiedener Schlafparameter stützen im Allgemeinen positive Effekte auf Parameter wie Schlaflatenz und nächtliches Erwachen, und polysomnografische Studien haben eine Verlängerung der Tiefschlafphasen ergeben. Sedierende Antipsychotika wie Olanzapin, Quetiapin und Risperidon werden auch im Off-label-Gebrauch zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Die von den Patienten berichteten Ergebnisse und ein paar polysomnografische Studien weisen auf die Wirksamkeit dieser Substanzen hin, doch die Gefahr schwerwiegender Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme und kardiovaskuläre Effekte sprechen gegen ihren Einsatz. Eine Ausnahme bilden Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen.
Überweisung an einen Spezialisten für Schlafstörungen
Die meisten Patienten mit chronischen Schlafstörungen wer-
den von ihrem Hausarzt behandelt, was im Hinblick auf die
Prävalenz von Schlafstörungen und ihre Interaktionen mit
verschiedenen Komorbiditäten und Medikationen angemes-
sen ist.
Eine Untersuchung und Behandlung durch einen Schlaf-
experten ist angezeigt, wenn der Patient Symptome oder
klinische Zeichen einer anderen Schlafstörung zeigt wie bei-
spielsweise exzessive Tagesmüdigkeit (Narkolepsie, Apnoe),
lautes Schnarchen oder vom Schlafpartner beobachtete
Apnoen (schlafbezogene Atmungsstörungen), eine ausge-
prägte Verschiebung der Schlafzeiten (Störung des zirkadia-
nen Schlafrhythmus) oder ungewöhnliches Schlafverhalten
beziehungsweise Verletzungen (Parasomnien). Bei Patienten,
die eine kognitive Verhaltenstherapie ihrer Insomnie wün-
schen oder die auf Hypnotika nicht ansprechen, kann eine
Überweisung ebenfalls angezeigt sein.
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Andrea Wülker
Quelle: Buysse DJ: Insomnia. JAMA 2013; 309(7): 706–716.
Interessenlage: Der Autor gibt an, von verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen Berater- oder Referentenhonorare erhalten zu haben.
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