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Rubriken — POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Wann wird die Darmspiegelung zur Früherkennung von Darmkrebs in der Schweiz flächendeckend eingeführt?

INTERPELLATION vom 20.6.2013
Pierre-Alain Fridez Nationalrat SP Kanton Jura
Die Bevölkerung unseres Landes ist von verschiedenen Krebsarten betroffen. Besonders häufig kommt der Dickdarmkrebs vor, der sich mit Hilfe der Darmspiegelung zuverlässig feststellen lässt. Diese Früherkennungsmethode erlaubt nicht nur eine sichere histologische Diagnose, sondern führt auch zu sehr wenigen Falsch-negativ-Resultaten – im Gegensatz zur Untersuchung des Stuhls auf Blut. Hier besteht nämlich ein hohes Risiko, dass Vorstufen von Krebs nicht erkannt werden (falsch negativ), das Resultat aber aus anderen Gründen positiv ausfällt, zum Beispiel wegen Hämorrhoiden. Vor allem aber ermöglicht es die Darmspiegelung, fast alle so ent-

deckten Vorstufen von Krebserkrankungen endgültig zu heilen. Eine Eigenheit des Dickdarmkrebses ist es, dass er sich aus einem gutartigen Polypen entwickelt, der sich im Verlauf mehrerer Jahre – oft nach acht bis zehn Jahren – mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zunächst zu einer Krebsvorstufe und schliesslich zu einer Krebserkrankung entwickelt. Wird der Polyp frühzeitig entfernt, lässt sich das Problem lösen. Die Mammografie zur Brustkrebsvorsorge oder das PSA-Screening zur Prostatakrebsvorsorge sind Methoden, die mit ergänzenden Untersuchungen verbunden sind, wenn ein verdächtiges Resultat vorliegt. Der Anteil falsch positiver Resultate solcher Untersuchungen ist hoch. Hinzu kommen zahlreiche unnötige Tests und Eingriffe. Die Früherkennung von Dickdarmkrebs hingegen ist besonders effizient, weil man direkt Zugang zur erkrankten Stelle hat, histologische Untersuchungen durchgeführt werden können und behandelnde Eingriffe möglich sind. Nicht ausser Acht gelassen werden dürfen jedoch die Kosten, und der Untersuch ist keine

Bagatelle. Wenn es aber darum geht, Leiden, verursacht durch Darmkrebs, und den damit einhergehenden Verlust von Lebensqualität zu vermeiden, ist kein Preis zu hoch. Die Behandlung von Darmkrebs führt überdies zu hohen Folgekosten (Chirurgie, Chemotherapie, Pflege, Palliativbehandlung). Ich stelle dem Bundesrat folgende Fragen: 1. Ist der Bundesrat der Meinung, dass die
Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit bei der Früherkennung von Darmkrebs erfüllt sind? 2. Wenn ja, im Rahmen welcher Art von Früherkennung? Durch die Untersuchung des Stuhls auf Blut, gefolgt von einer Darmspiegelung bei einem positiven Resultat, oder durch eine flächendeckende Einführung der Darmspiegelung? 3. Was steht der flächendeckenden Einführung der Darmspiegelung allenfalls entgegen, wenn der Bundesrat den Nutzen der Methode anerkennen sollte? Die Kosten einer solchen Früherkennung? Ein Mangel an Magen-Darm-Spezialistinnen und -Spezialisten, die eine Darmspiegelung vornehmen können?

Antwort des Bundesrates vom 21.8.2013

1. Der Bundesrat erachtet die Früherkennung von Dickdarmkrebs als eine wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Leistung. Solche Untersuchungen können Krebserkrankungen rechtzeitig entdecken und ermöglichen eine erfolgreichere und kostengünstigere Behandlung im Frühstadium, dies bei geschätzten Nettokosten von 3 bis 8 Mio. Franken pro Jahr (Kosten der Untersuchung abzüglich der eingesparten Kosten dank frühzeitiger Therapie). Das Eidg. Departement des Innern (EDI) hat deshalb gestützt auf einen Antrag der Schweizerischen Krebsliga entschieden, dass seit dem 1. Juli 2013 bei Personen im Alter von 50 bis 69 Jahre die Kosten folgender Untersuchungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen werden: Nachweis von Blut im Stuhl alle 2 Jahre mit nachfolgender Kolonoskopie, falls Blut nachgewiesen wird, oder primäre Kolonoskopie alle 10 Jahre. Dieser Schritt entspricht auch den Zielen der Strategie «Gesundheit 2020» des Bundesrats, die der Prävention und Früherkennung einen hohen Stellenwert zuweist.

2. Zur Früherkennung von Darmkrebs werden international drei Methoden eingesetzt: der Nachweis von Blut im Stuhl, die Spiegelung des letzten Abschnittes des Dickdarms (Sigmoidoskopie) und die Spiegelung des ganzen Dickdarms (Kolonoskopie). Die Sigmoidoskopie wird in der Schweiz kaum zur Früherkennung verwendet. Die beiden anderen Methoden haben je Vor- und Nachteile: Der Nachweis von Blut im Stuhl ist sicher und einfach durchzuführen. Unter Umständen werden aber Krebsvorstufen, die noch nicht bluten, verpasst. Deshalb muss dieser Nachweis alle 2 Jahre wiederholt werden. Zudem besteht die Möglichkeit von falsch-positiven Befunden durch kleine Blutungen anderer Ursache. Die Kolonoskopie ist empfindlicher und Krebsvorstufen können gleichzeitig entfernt werden. Eine Wiederholung ist erst nach 10 Jahren nötig. Sie erfordert aber ein vorgängiges Abführen und in der Regel eine Sedierung, und es besteht ein kleines Risiko, dass die Darmwand verletzt wird. Gemäss Erkenntnissen aus Pilotstudien ist die Bereitschaft der Bevölkerung, Stuhluntersuchungen durchzuführen, grösser, als sich einer

Kolonoskopie zu unterziehen. Mit der seit 1. Juli 2013 gültigen Regelung besteht die Wahlfreiheit der Versicherten. Falls Kantone die Untersuchung im Rahmen von Früherkennungsprogrammen (ähnlich wie die ScreeningMammographie) anbieten wollen, können sie ebenfalls beide Methoden als primäre Untersuchungsmethode vorsehen. In solchen Programmen besteht zudem die Möglichkeit für das EDI, die Untersuchung von der Franchise zu befreien. 3. Mit der Einführung der Leistungspflicht sind die Voraussetzungen geschaffen worden, dass sich die Bevölkerung zu Lasten der OKP frühzeitig auf das Vorliegen einer DickdarmkrebsErkrankung untersuchen lassen kann, dass die Ärzte ihren Patienten diese Untersuchungen anbieten, und die Kantone entsprechende Früherkennungsprogramme etablieren können. Nach Angaben von Krebsliga und Fachgesellschaften sind die Kapazitäten für die Durchführung der Koloskopien vorhanden.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt

1002 ARS MEDICI 20 I 2013

XUNDHEIT IN BÄRN © Boris Mahler, Berlin

POLITFORUM

Kostenlose Verhütungsmittel für Frauen unter zwanzig Jahren

MOTION vom 19.6.2013
Antonio Hodgers Nationalrat Grüne Kanton Genf

Der Bundesrat wird beauftragt, Frauen unter zwanzig Jahren gratis und anonym Zugang zu Verhütungsmitteln zu gewähren (insbesondere der Antibabypille).

Begründung 2012 ist die Anzahl Schwangerschaftsabbrüche bei Jugendlichen (15- bis 19-jährig) auf 4,4 pro 1000 Frauen gestiegen. Auch wenn dieser Prozentsatz im europäischen Vergleich tief ist, sollte er noch gesenkt werden. Denn ein legaler Schwangerschaftsabbruch ist eine traumatische Erfahrung für alle Frauen, insbesondere für die jüngsten unter ihnen. Seit drei Monaten bietet Frankreich minder-

jährigen Frauen gratis die Anti-Baby-Pille an. Die Schweiz könnte diesem Beispiel folgen und auf weitere Verhütungsmittel für Frauen (Vaginalring, Implantate usw.) und auf die «Pille danach» ausweiten. Die Kosten dieser Massnahme würden bei Weitem ausgeglichen durch die sinkenden Kosten ungewollter Schwangerschaften, ob diese nun ausgetragen werden oder nicht.

Stellungnahme des Bundesrates vom 13.9.2013

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass ein Schwangerschaftsabbruch immer eine traumatische Erfahrung für Frauen jeden Alters ist, und nimmt die Thematik sehr ernst. Aus diesem Grund ist er auch froh, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche insbesondere bei Jugendlichen abgenommen hat. Die Rate der Schwangerschaftsabbrüche in dieser Altersklasse (15- bis 19-Jährige) lag im Jahr 2005 noch bei 6 pro 1000 Frauen und ist seither auf 4,4 gesunken. Bei Schweizerinnen ist die Rate noch tiefer, während sie bei Ausländerinnen etwas höher liegt (3,7 versus 7,5 im Jahr 2010). Überhaupt verzeichnet die Schweiz im europäischen Vergleich eine sehr tiefe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen bei Jugendlichen wie auch bei erwachsenen Frauen. 2012 wurden insgesamt 10 853 Abbrüche durchgeführt (7 pro 1000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren), bei unter 20-jährigen Frauen waren es 956. Diese Abbruchraten sind deutlich tiefer als in Grossbritannien, Skandinavien und Frankreich und liegen auch unter den Zahlen der Bundesrepublik Deutschland. In Frankreich lag die

Rate bei Jugendlichen 2007 bei über 15 pro 1000, in Grossbritannien und Schweden 2009 bei über 20 pro 1000. Nur in der Bundesrepublik Deutschland lag die Rate 2010 mit 5,5 vergleichbar tief wie in der Schweiz. Der Bund verfügt zwar mit dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung über eine bundesgesetzliche Regelung, über welche eine Vergütung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geregelt werden könnte. Wie schon in verschiedenen Antworten dargelegt fällt die Abgabe von Verhütungsmitteln indessen nicht in den Aufgabenbereich der Krankenversicherung. Die Forderung nach einem kostenlosen und anonymen Zugang lässt sich zudem weder über das KVG-System noch über andere Systeme umsetzen, weil eine ärztliche Verschreibung der Antikonzeptionsmedikamente zwingend vorgeschrieben ist und nicht anonym umgesetzt werden kann. Gemäss Bundesgesetz über die Schwangerschaftsberatungsstellen haben Bund und Kantone dafür zu sorgen, dass unmittelbar an einer Schwangerschaft beteiligte Personen unentgeltliche Beratung und

Hilfe in Anspruch nehmen können. Dies beinhaltet auch die Beratung zur Schwangerschaftsverhütung. Insofern ist die öffentliche Hand in die Prävention unerwünschter Schwangerschaften bereits involviert. Wie in der Antwort auf die Frage Stump, «Kostenloser Zugang zur Schwangerschaftsverhütung für alle», erläutert, liegt es nach Meinung des Bundesrates in erster Linie in der individuellen Verantwortung, unerwünschte Schwangerschaften zu vermeiden. Diese individuelle Verantwortung kann bei gewissen Bevölkerungsgruppen, insbesondere bei Migrantinnen in prekären Verhältnissen oder jungen Frauen, unterstützt werden, indem niederschwellige Beratungszentren subventionierte Verhütungsmittel in diesen Zielgruppen abgeben. In einigen Kantonen ist dies gängige Praxis.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt

ARS MEDICI 20 I 2013 1003