Transkript
FORTBILDUNG
Trauma, Entzündung oder Verschleiss?
Richtig diagnostizieren und behandeln bei akut geschwollenem Knie
Das Knie ist das grösste Gelenk in unserem Körper. Durch das Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Bändern und Knorpel verleiht es Stabilität und zugleich Beweglichkeit. Durch seinen komplexen Aufbau ist es allerdings auch störanfällig, weshalb das akut geschwollene Knie zum medizinischen Alltag gehört.
JOURNAL OF THE ROYAL SOCIETY OF MEDICINE
Im Vergleich zu anderen Gelenken wird das Knie viel häufiger verletzt. Dies ist nicht weiter verwunderlich, schliesslich ist es Teil einer Gliedmasse, auf der das ganze Körpergewicht ruht. Hinzu kommt, dass es aufgrund des anatomischen Aufbaus im Vergleich zur Hüfte und zum Fussknöchel eine geringere Stabilität aufweist. Stellt sich ein Patient mit einem stark geschwollenen Knie in der Praxis vor, kann es sich um eine Unfallfolge handeln, oder es liegt ein nicht traumatisches Ereignis vor. Gerade bei jungen Personen kann eine Schwellung im Knie ohne äusserliche Gewalteinwirkung auf eine reaktive Arthritis hinweisen. Dies bedeutet, dass eine andere Krankheit der Auslöser ist – urogenitale Infekte und Durchfallerkrankungen sind typische Beispiele. Es sollte zudem eine Lyme-Borreliose ausgeschlossen werden. Daneben leiden überwiegend ältere Menschen an Verschleisserscheinungen wie Arthrose. Ausserdem ist es möglich, dass eine Hüfterkrankung in das Kniegelenk ausstrahlt.
Merksätze
O Ein stark geschwollenes Knie kann die Folge eines traumatischen Ereignisses, eines entzündlichen Geschehens oder einer Verschleisserscheinung sein.
O Bei einem Kreuzbandriss muss zwischen einer konservativen oder operativen Behandlung abgewogen werden.
O Ein verletzter Meniskus wird vorzugsweise im Rahmen einer Arthroskopie genäht oder teilweise entfernt.
O Eine Gonarthrose wird zunächst konservativ behandelt, und erst im fortgeschrittenen Stadium wird eine Knieprothese bei älteren Patienten eingesetzt.
Erste Untersuchungen Um die richtige Diagnose stellen zu können, wird der Patient zunächst zur Vorgeschichte befragt. Bei einem Unfall hilft es, dessen Ablauf zu rekonstruieren. Häufig kann vom Geschehen abgeleitet werden, welche Körperstrukturen möglicherweise betroffen sind. So kann es aufschlussreich sein, aus welcher Richtung die Gewalteinwirkung kam. Oder ob ein Fussballer mit der frischen Verletzung noch weiterspielen konnte. Ferner stellt sich dann die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Schwellung auftrat. Als nächstes folgt die Schmerzlokalisation: Rund 69 Prozent der Patienten können angeben, an welcher Stelle sich der Schmerz genau befindet. Je nachdem, ob die Innen-, Aussen-, Vorder- oder Rückseite des Knies betroffen ist, kann auf die lädierte Struktur rückgeschlossen werden. Manche Patienten klagen auch über einen Schmerz, den sie rings um das Knie verspüren. Des Weiteren sollten schmerzverstärkende Faktoren hinterfragt werden. Dazu gehören bestimmte Tätigkeiten wie Treppensteigen oder Bergablaufen. Durch einen Beweglichkeitstest wird ausserdem überprüft, ob das Knie blockiert oder instabil ist. Ergänzend sollte es dann abgetastet werden.
Weitere Abklärungen Mehr Klarheit kann eine Gelenkpunktion unter streng aseptischen Bedingungen schaffen. Ist die gewonnene Flüssigkeit blutig, ist ein schwerer Bänderriss oder ein geschädigter Meniskus denkbar. Dahingegen können sich bei einem Knochenbruch auch fettige Tröpfchen im Blut befinden, wenn Knochenmark austritt. Im Labor ist zudem eine umfassende Bestimmung von Leukozytenzahl, Erreger und Uratkristallen möglich. Häufig dient eine Gelenkpunktion auch therapeutischen Zwecken, da dadurch ein starker Gelenkerguss entlastet wird. Weitere Massnahmen zur näheren Abklärung sind bildgebende Untersuchungen. Durch das Röntgen werden Knochen und Gelenke gut dargestellt, und mit der Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich vor allem Weichteile wie Bänder oder Knorpel gut beurteilen. Es gibt viele Arten von Knieverletzungen: Häufig wird eine Bänderverletzung oder ein Meniskusriss diagnostiziert. Es können allerdings auch eine Kniescheibenverrenkung, abgebrochene Knochen-/Knorpelstückchen oder eine Verletzung der Gelenkkapsel vorkommen. Die anschliessende Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Pathologie und reicht von entzündungshemmenden Medikamenten bis hin zu einem operativen Eingriff.
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FORTBILDUNG
Kreuzbandriss Das Kniegelenk wird durch Bänder stabilisiert. Insbesondere das vordere Kreuzband ist anfällig für Verletzungen. Durch das Verdrehen des Gelenks kann es überdehnt werden oder sogar reissen. Typische Auslöser sind Gewalteinwirkungen ohne Kontakt beim Skifahren oder Fussballspielen. Im Moment der Verletzung wird von den Betroffenen ein starker Schmerz wahrgenommen. Anschliessend lösen vor allem Belastungen Schmerzen aus. Starke Schwellungen und ein Kniegelenkerguss werden ebenfalls beobachtet. In manchen Fällen wird ein Kreuzbandriss nicht sofort entdeckt, sondern er äussert sich erst durch Unsicherheiten beim Gehen. Bei der Diagnosestellung kann die Kreuzbandstabilität mittels des Schubladentests ermittelt werden. Als noch aussagekräftiger wird der Lachmann-Test angesehen. Dazu liegt der Patient mit dem Rücken auf einer Liege, und sein Knie wird in einer Beugung von etwa 20° bis 30° gehalten. Die Ferse hat dabei noch Kontakt zur Liege. Der Arzt umfasst dann den Unterschenkel mit beiden Händen, wobei die Zeigefinger in der Kniekehle liegen. Nun zieht er den Unterschenkel nach vorn. Die Verschiebbarkeit des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel gibt darüber Aufschluss, inwieweit eine Verletzung des Kreuzbands besteht. Starke Gelenkergüsse werden zudem häufig punktiert. Das Vorkommen von Blut bestätigt einen Riss, da die Kreuzbänder gut durchblutet werden. Es muss gut abgewogen werden, ob ein Kreuzbandriss am besten konservativ oder operativ behandelt wird. Das Alter des Patienten ist sicherlich ein wichtiger Faktor. Junge Menschen (<20 Jahre) weisen bei einer konservativen Behandlung eine schlechtere Prognose auf, da bei ihnen häufiger degenerative Veränderungen auftreten. Es spielt zudem eine Rolle, ob der Betroffene aktiv Sport treibt oder starken beruflichen Belastungen ausgesetzt ist. Des Weiteren wurde beobachtet, dass eine Rekonstruktion bei Personen mit einem BMI über 30 weniger erfolgversprechend ist. Meniskusverletzung Knorpelschäden im Kniegelenk sind häufig anzutreffen. Vor allem ruckartige Drehbewegungen können einen Riss im lateralen oder medialen Meniskus hervorrufen. Ist er bereits vorgeschädigt, genügen bereits kleine Gewalteinwirkungen, um ihn weiter zu verletzen. Zu den typischen Beschwerden gehören einschiessende Schmerzen im Augenblick des Unfalls. Danach kann das Knie dann häufig nicht mehr vollständig gestreckt oder gebeugt werden. Zudem empfinden die Patienten im Bereich des inneren und äusseren Knie- gelenkspalts Schmerzen, weshalb sie eine Schonhaltung mit leicht gebeugtem Knie einnehmen. Durch bestimmte Bewegungen des Knies kann der Arzt charakteristische Schmerzreaktionen provozieren – man spricht auch von Meniskuszeichen. Ebenso lösen Varus- und Valgusstress durch eine Kompression Schmerzen aus. Nur in wenigen Fällen wird eine konservative Behandlung mit Schmerzmitteln und Physiotherapie in Betracht gezogen. Denn üblicherweise verspricht ein operatives Vorgehen bessere Heilungsaussichten. Im Rahmen einer Arthroskopie kann der Meniskus entweder genäht oder teilweise entfernt werden. Nach Möglichkeit sollte es vermieden werden, ihn vollständig zu entfernen, da sich anderenfalls leicht eine Arthrose bilden kann. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sollte dies verhindert werden. Gonarthrose Bei einer Arthrose liegt ein degenerativer Verschleiss des Gelenkknorpels vor. Dadurch sind die Knochen nicht mehr gut geschützt und können direkt aneinander reiben. Bei vielen Patienten ist dies eine natürliche Erscheinung des Alterungsprozesses. Im Gegensatz zu rheumatischen Erkrankungen, bei denen häufig Morgensteifigkeit auftritt, klagen Personen mit einer Kniegelenkarthrose in erster Linie über Belastungsschmerzen, die im Verlauf des Tages zunehmen. Bei fortgeschrittener Krankheit sind auch Ruheschmerzen möglich. Zunächst wird eine konservative Therapie verfolgt. Bei Übergewicht kann eine Diät dabei helfen, dass die Gelenke entlastet werden. Ansonsten werden oftmals entzündungshemmende Medikamente und Salben verordnet. Ergänzend wird die Muskulatur durch eine Physiotherapie gekräftigt. Und falls es erforderlich ist, können mit einer Arthroskopie störende Gelenkknorpelstückchen entfernt werden. Da es mit der Zeit auch zu Achsfehlstellungen kommen kann, ist womöglich eine Osteotomie zur Korrektur notwendig. Letztendlich kann es unumgänglich werden, dass Prothesen operativ eingesetzt werden, um das eigene Kniegelenk teilweise oder vollständig zu ersetzen. Vorzugsweise erfolgt dieser Eingriff erst im fortgeschrittenen Alter jenseits von 50 Jahren. Monika Lenzer Quelle: Gupte C et al: The acute swollen knee: diagnosis and management. J R Soc Med 2013: 106: 259–268. Interessenlage: Gemäss den Autoren der Originalpublikation bestehen keine Interessenkonflikte. 952 ARS MEDICI 19 I 2013