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STUDIE REFERIERT
10-Jahres-Resultate mit Methotrexat plus Adalimumab bei rheumatoider Arthritis
chendem Ansprechen auf MTX bis zu zehn Jahre eine Kombinationstherapie aus MTX und Adalimumab (Humira®) erhalten hatten. Ergänzend diskutieren sie die langfristigen Auswirkungen einer einjährigen Verzögerung des Behandlungsbeginns mit Adalimumab.
Bei Patienten mit etablierter rheumatoider Arthritis konnten mit einer neun- bis zehnjährigen Adalimumabbehandlung eine wirksame Krankheitskontrolle und eine Hemmung der radiologischen Progression erreicht werden. Ein sofortiger Behandlungsbeginn mit Adalimumab war im Vergleich zum Behandlungsbeginn nach einem Jahr mit besseren klinischen, funktionellen und radiologischen Ergebnissen nach zehn Jahren verbunden.
JOURNAL OF RHEUMATOLOGY
Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) handelt es sich um eine progressive Gelenkerkrankung, die langfristig mit Behinderung und Komorbiditäten verbunden ist. Das Ausmass der medika-
Merksätze
O Mit Methotrexat plus Adalimumab kann bei rheumatoider Arthritis langfristig eine Krankheitskontrolle und eine Hemmung der radiologischen Progression erreicht werden.
O Ein frühzeitiger Beginn der Kombinationstherapie ist im Vergleich zum späteren Beginn mit besseren Langzeitergebnissen verbunden.
O Während des zehnjährigen Beobachtungszeitraums ergaben sich keine neuen Sicherheitsbedenken.
mentösen Beeinflussbarkeit variiert, die meisten Patienten benötigen jedoch eine kontinuierliche Dauerbehandlung, um weiteren erosiven Schädigungen vorzubeugen. Die Erkenntnisse zum Langzeitnutzen und zur Sicherheit verschiedener Behandlungsoptionen sind bis anhin begrenzt. Meist wird Methotrexat (MTX) als krankheitsmodifizierendes antirheumatisches Medikament (DMARD = disease modifying antirheumatic drug) der ersten Wahl zur Behandlung bei RA verschrieben. Aus randomisierten Studien geht hervor, dass bei Patienten, die auf Methotrexat als Einzelsubstanz nicht ausreichend ansprechen, eine Kombination mit TNF-Inhibitoren häufig mit einer signifikanten Verbesserung der klinischen, radiologischen und funktionellen Ergebnisse verbunden ist. In aktuellen Richtlinien wird empfohlen, vor Zugabe eines TNF-Inhibitors drei bis sechs Monate lang mit MTX als Einzelsubstanz zu behandeln. Viele Rheumatologen warten jedoch länger, bevor sie sich für das zusätzliche Biological entscheiden. Das könnte bedenklich sein, da es möglicherweise im frühen Verlauf der Erkrankung (< 3 Jahre) ein Zeitfenster gibt, in dem ein frühzeitiger Behandlungsbeginn mit einem TNF-Inhibitor bei unzureichendem Ansprechen auf MTX zu einer optimalen therapeutischen Kontrolle führt. Bei Hinauszögern des Behandlungsbeginns um mehr als zwei Jahre scheint dieser Zeitraum überschritten zu sein, sodass langfristig keine optimalen Ergebnisse mehr erreicht werden können. In einer Langzeitstudie untersuchten Edward Keystone von der Universität Toronto und seine Arbeitsgruppe die klinischen, funktionellen und radiologischen Befunde bei Patienten mit langjähriger aktiver RA, die nach unzurei- Randomisierte Studie und offene Verlängerung Im Rahmen der einjährigen randomisierten, kontrollierten Studie DE019 erhielten die Patienten zunächst entweder 20 mg Adalimumab wöchentlich oder 40 mg Adalimumab alle zwei Wochen oder ein Plazebo. Alle Patienten wurden zusätzlich mit MTX behandelt. Nach Abschluss des einjährigen Studienzeitraums konnten die Patienten in einer offenen Verlängerungsstudie Adalimumab (40 mg, alle zwei Wochen) über weitere neun Jahre erhalten. Die klinische Evaluierung umfasste den Disease Activity Score 28 mit C-reaktivem Protein (DAS28-CRP), den vereinfachten Krankheitsaktivitätsindex (SDAI) sowie das 50-, 70-, und 90-prozentige Ansprechen nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR50, ACR70, ACR90). Eine niedrige Krankheitsaktivität (LDA) wurde als DAS28-CRP < 3,2 und eine klinische Remission als DAS28-CRP < 2,6 oder SDAI ≤ 3,3 definiert. Die körperliche Funktionsfähigkeit wurde anhand des Health Assessment Questionnaire-Disability Index (HAQDI) evaluiert, wobei eine normale Funktion bei HAQ-DI < 0,5 vorliegt. Das radiologische Ansprechen wurde mithilfe des modifizierten GesamtSharp-Scores (mTSS) (Bereich 0–380) erfasst. Eine radiologische Nichtprogression lag bei mTSS ≤ 0,5 im Jahr 10 des Beobachtungszeitraums vor. Zusätzlich definierten die Wissenschaftler eine minimale radiologische Progression bei Werten von mTSS ≤ 5 nach zehn Jahren, was einem Durchschnitt von ≤ 0,5/Jahr entspricht. Abschliessend wurden die klinischen, funktionellen und radiologischen Ergebnisse zu einem Gesamtresultat zusammengefasst. Eine vollständige Krankheitskontrolle wurde als klinische LDA oder als Remission plus eine normale Funktionsfähigkeit plus eine radiologische Nichtprogression beziehungsweise eine minimale radiologische Progression definiert. ARS MEDICI 19 I 2013 953 STUDIE REFERIERT Gute 10-Jahres-Ergebnisse bei allen Patienten Von 619 randomisierten Patienten entschieden sich 457 für die Teilnahme an der offenen Verlängerungsstudie. Von diesen nahmen 202 über den gesamten Behandlungszeitraum von zehn Jahren an der Studie teil. Nach zehn Jahren war bei allen Patienten eine wirksame Krankheitskontrolle und eine Hemmung der radiologischen Progression erreicht worden. Im Jahr 10 hatten 64,2 Prozent der Teilnehmer ein 50-prozentiges (ACR50), 49 Prozent ein 70-prozentiges (ACR70) und 17,6 Prozent ein 90-prozentiges (ACR90) Ansprechen erreicht. Die durchschnittliche Krankheitsaktivität (DAS28-CRP) betrug 2,6 Punkte, aber 74,1 Prozent der Patienten wiesen eine niedrige Krankheitsaktivität auf. Zudem erreichten 59 Prozent der Teilnehmer eine Remission gemäss DAS28-CRP und 33,2 Prozent eine Remission gemäss SDAI (vereinfachter Krankheitsaktivitätsindex). Die funktionellen Ergebnisse hatten sich in ähnlicher Weise verbessert. Von Studienbeginn bis zum Jahr 10 hatte sich die Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit gemäss HAQ-DI um durchschnittlich 50 Prozent reduziert, und 42 Prozent der Patienten wiesen eine normale körperliche Funktionsfähigkeit auf. Auch wurde im Verlauf der Langzeituntersuchung nur eine minimale radiologische Progression mit einer durchschnittlichen Veränderung des mTSS von 2,8 Einheiten im Verlauf von zehn Jahren beobachtet. Eine umfassende Krankheitskontrolle wurde von 21,2 Prozent der Patienten erreicht. Während des zehnjährigen Behandlungszeitraums ergaben sich keine neuen Sicherheitsbedenken. Frühzeitiger Behandlungsbeginn – bessere Ergebnisse Die während der einjährigen randomisierten Studie beobachteten signifikanten Unterschiede des klinischen und funktionellen Ansprechens zwischen MTX plus Adalimumab und MTX plus Plazebo waren nach zehn Jahren weniger deutlich ausgeprägt. Dennoch litten Patienten, die erst nach einem Jahr Adalimumab erhalten hatten, nach zehn Jahren immer noch unter einer höheren Krankheitsaktivität (DAS28-CRP) und einer ausgeprägteren funktionellen Beeinträchtigung (HAQDI). Bei Patienten mit einem Adalimumabbeginn nach einem Jahr blieb im Verlauf der restlichen neun Jahre eine höhere Anzahl geschwollener und/oder schmerzempfindlicher Gelenke bestehen. Zudem wurden statistisch höhere ACR50-, ACR70- und ACR90-Ansprechraten bei den Patienten beobachtet, die sofort Adalimumab erhalten hatten. Nach dem zehnjährigen Beobachtungszeitraum hatten 46 Prozent der sofort behandelten Patienten und 33 Prozent der später mit Adalimumab behandelten Patienten einen funktionellen Status von HAQ-DI < 0,5 und somit eine normale körperliche Funktionsfähigkeit erreicht. Der prozentuale Anteil der Patienten mit einer radiologischen Nichtprogression war nach einem Jahr bei den sofort mit Adalimumab behandelten Patienten signifikant höher. Nach zehn Jahren waren die Anteile in beiden Gruppen dagegen vergleichbar. Ähnliches wurde im Hinblick auf eine minimale radiologische Progression beobachtet. Dennoch wiesen Patienten, die sofort Adalimumab plus MTX erhalten hatten, nach zehn Jahren immer noch einen signifikant niedrigeren mTSS im Vergleich zu Patienten auf, die im ersten Jahr Plazebo plus MTX erhalten hatten. Bei den Patienten mit radiologischer Progression waren bei den sofort mit Adalimumab behandelten Patienten weniger strukturelle Schäden vorhanden als bei denjenigen, die erst nach einem Jahr damit behandelt wurden. Nach zehn Jahren hatten auch signifikant mehr Patienten der sofort behandelten Gruppe im Vergleich zur später behandelten Gruppe eine vollständige Krankheitskontrolle erreicht. Diskussion Die meisten RA-Patienten benötigen eine kontinuierliche Dauerbehandlung. Um das Nutzen-Risiko-Profil einer Therapie umfassend beurteilen zu können, sind Langzeituntersuchungen daher unerlässlich. In der hier vorgestellten Studie zeigte sich langfristig ein konsistent besseres Ansprechen bei Patienten, die bereits zu Beginn und nicht erst nach einem Jahr Adalimumab plus MTX erhalten hatten. Das lässt darauf schliessen, dass es sogar bei Patienten mit etablierter RA ein frühes Zeitfenster für ein besse- res Ansprechen gibt. In aktuellen Empfehlungen ist die Re- mission das primäre Ziel, und bei the- rapierefraktärer Erkrankung gilt eine niedrige Krankheitsaktivität als akzep- tabel. Obwohl bei den Studienteil- nehmern aufgrund der langen Krank- heitsdauer und des unzureichenden An- sprechens auf die Standard-DMARD- Behandlung bereits zu Beginn ausge- prägte Gelenkschädigungen vorhanden waren, erreichten nahezu 60 Prozent der Patienten, die den Behandlungszeit- raum von zehn Jahren vollendeten, eine Remission gemäss DAS28-CRP. Somit ist eine Remission sogar bei therapie- resistenten Patienten möglich. Zudem erreichten die Patienten nach zehn Jah- ren ausgezeichnete funktionelle und radiologische Ergebnisse und etwa ein Fünftel von ihnen eine umfassende Krankheitskontrolle. Die Unterschiede im Ansprechen zwi- schen der sofortigen und der verzögert beginnenden Kombinationstherapie zeigten sich vor allem im Hinblick auf geschwollene und schmerzempfindli- che Gelenke und radiologische Ergeb- nisse. Die Persistenz höherer Krank- heitsscores bei später behandelten Patienten könnte nach Ansicht der Autoren mit der ausgeprägteren struk- turellen Schädigung im einjährigen Studienzeitraum zu Beginn zusammen- hängen, in dem die Patienten MTX plus Plazebo erhalten hatten. Da bis anhin keine Behandlung zur Verfügung steht, mit der bereits eingetretene Ge- lenkschädigungen rückgängig gemacht werden können, ist das Aufhalten der Krankheitsprogression vermutlich be- sonders wichtig, um den Verlust an Knorpel und Weichteilgewebe innerhalb des Gelenks zu verhindern. Die Akku- mulation irreversibler Schädigungen könnte nach Ansicht der Autoren einen langfristigen Behandlungserfolg wie die Wiederherstellung der körperlichen Funktionsfähigkeit verhindern. O Petra Stölting Quelle: Keystone EC et al: Clinical, functional, and radiographic benefis of longterm Adalimumab plus methotrexat: Final 10-year data in longstanding rheumatoid arthritis, J Rheumatol First Release July 1 2013; doi:10.3899/jrheum.120964 Interessenkonflikte: Alle Autoren der Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten oder sind bei einem Pharmaunternehmen angestellt. 954 ARS MEDICI 19 I 2013