Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Der Panitumumabarm. Mag sein, Sie interessieren sich nicht für Interna. Für Probleme also, wie sie typischerweise in einem Verlag auftauchen, nicht gerade täglich, aber auch nicht selten. So ein Internum ist zum Beispiel der Panitumumabarm. Einer unserer Korrektoren meinte, für Fachleute sollte es kein Problem sein, das – dudenkorrekt geschriebene – Wort zu lesen und zu verstehen. Redaktor und Layouter hatten da ihre Zweifel, und einer meinte gar, bei den Leserinnen und Lesern eine gewisse Lesekompetenzermattung feststellen zu können, die es ratsam mache, den Panitumumabarm ausnahmsweise – entgegen der dudenschen Vorgabe – in einen Panitumumab-Arm umzuwandeln. Der Verständlichkeit wegen und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Im Kontext einer Studienbeschreibung würde auf diese (Schreib-)Weise schneller klar, dass es sich um einen Studien-Arm (korrekterweise Studienarm, im vorliegenden diskursiven Kontext ausnahmsweise mit Bindestrich), also einen Behandlungsarm (hier klar kein Behandlungs-Arm) einer klinischen Studie handle.
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Einen Ausweg wies am Ende der Thieme-Verlag, der den Begriff des «optischen Bindestrichs» eingeführt hat, eines Bindestrichs, der zwar nicht dudenkonform ist, aber die Lesefreundlichkeit erhöht. Der Panitumumab-Arm war somit halbwegs legitimiert.
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Zwischenbemerkung: Der Hinweis auf die Lesekompetenzermattung führte bei einem redaktionell Unbeteiligten zur eher drolligen Frage, was denn eigentlich unter dem Begriff «Zermattung» zu verstehen sei. Diese überraschende Neuinterpretation eines zwar nicht alltäglichen, aber durchaus nicht abstrusen Begriffs (mit einem optischen Bindestrich, der aus der Lesekompetenzermattung eine LesekompetenzErmattung gemacht hätte, hätte die dubiose Diskussion übrigens vermieden werden können) führte zu interessanten, teilweise philosophisch ange-
hauchten Diskussionen über die Bedeutung der Vorsilbe «Zer-» sowie der gesamten Zermattung überhaupt. Die Interpretationsvorschläge für Letztere reichten von einer abgekürzten Form der Zermattisierung (die allerdings niemand so recht zu definieren vermochte) bis zur Vernichtung von asphaltierten Parkplätzen durch unregelmässig darin angelegte Matten (Wiesen).
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Die neue Rechtschreibung, obschon noch nicht einmal im Teenageralter, hält weiterhin so manche Überraschung bereit. Auch oder wohl vor allem für altgediente Redaktoren, bei denen die Gämsen noch Gemsen und Selbstständige noch Selbständige waren – was sie übrigens nach der Rereform (bzw. optisch klarer: ReReform) wieder sein dürfen. Aus dem Multiplen Myelom ist das multiple Myelom und logischerweise aus der Multiplen die multiple Sklerose geworden. Was insofern verwirrt, da sie abgekürzt noch immer MS heisst und nicht etwa m.S. Ebenfalls verwirrlich: Nicht einmal die nationalen MS-Gesellschaften halten sich an die dudensche Schreibweise; bei ihnen heisst die Krankheit (glücklicherweise) immer noch Multiple Sklerose.
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Wer seinen ganz privaten medizinischen Vorstellungen nachleben will, und mögen sie noch so skurril sein, darf das tun. Er/sie schadet in der Regel nur sich selber. Heiler oder Arzt, homöopathische Kügelchen oder Tablette – jeder nach seiner Fasson. Der eine lebt dann halt etwas länger, der andere etwas kürzer. Bei den Masern ist es anders. Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, schaden nicht sich selber, sondern ihren Kindern und den Kindern anderer Eltern. Aber das ist eine Diskussion, die im Rahmen des Epidemiengesetzes ja ausreichend diskutiert wurde.
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Schlimm wird medizinische Dummheit, wenn sie sich wie bei Frau Tshabalala-Msimang auf Regierungsebene
etabliert. Frau Tsh… war bis 2008 Gesundheitsministerin Südafrikas und weigerte sich – wie die ganze Regierung – standhaft, den Zusammenhang zwischen Aids und Ansteckung mit dem HI-Virus anzuerkennen. Sie empfahl statt antiviraler Medikamente Zitronensaft, Knoblauch (fast immer und für alles gut…), afrikanische Kartoffeln und kaltgepresstes Olivenöl. Man schätzt, dass wegen der Politik der Dame 35 000 Menschen vorzeitig starben. Dummheit ist eben manchmal doch tödlich – leider für die andern.
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Apropos Epidemiengesetz. Die Gegnerschaft wird’s schwer haben. Massnahmen zur Erkennung, Verhütung und Behandlung von Epidemien sind nun mal sinnvoll. Sorge macht einem (neben der Öffnung der Tür für allerlei ideologisch gefärbte Massnahmen zur Verhaltensänderung der Bevölkerung) allerdings der im Gefolge des Gesetzes zu erwartende Machtzuwachs beim BAG. Immerhin ist die Revue der misslungenen bis törichten Aktivitäten des BAG in den vergangenen Jahren schon bemerkenswert. Man denke nur an SARS und das Einreiseverbot für chinesische Schmuckhändler, die Kommunikationsstrategie bei der Schweinegrippe, den Tamiflu-Deal und das Impfstoffdebakel, aber auch an den Angriff auf die Hausärzte via Analysenliste.
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Und das meint Walti: So richtig alleine bist du erst, wenn du in der Sonne am See sitzt und die Enten dich mit Brot füttern wollen.
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Ausnahmsweise sei auch Susi kurz zitiert. Sie meint: Auch Männer haben Gefühle. Hunger und Durst zum Beispiel.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 17 I 2013
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