Transkript
FORTBILDUNG
Behandlung aktinischer Keratosen
Flüssigstickstoff, Cremes oder Rotlicht?
Bei häufigem Aufenthalt an der Sonne können aggressive UV-Strahlen das Genom basaler Hautzellen verändern. Ohne Schutzmassnahmen kann sich mit der Zeit eine aktinische Keratose bilden. Mit welchen Methoden lässt sich diese epitheliale Präkanzerose aufhalten?
CLINICAL INTERVENTIONS IN AGING
Aktinische Keratosen (AK) sind keine Seltenheit: Die Prävalenz im Jahr 2004 wurde auf rund 39,5 Millionen geschätzt, wobei vor allem über 65-Jährige betroffen waren. Ferner wird angenommen, dass sich pro Jahr zwischen 0,025 bis 20 Prozent der AK in ein Plattenepithelkarzinom umwandeln. Es gibt keine sichere klinische Methode, um gefährdete Läsionen zu ermitteln – daher bleibt nichts anderes übrig, als alle AK zu behandeln.
Läsionsorientierte Therapie Bei der läsionsorientierten Therapie werden veränderte Hautstellen gezielt entfernt. Elektrodesikkation und Kürettage sind hier häufig eingesetzte Verfahren. Grosse Bedeutung hat auch die Kryochirurgie erlangt. In einem Nachbeobachtungszeitraum von 1 bis 81/2 Jahren verschwanden 98,8 Prozent der Läsionen durch das Besprühen mit flüssigem Stickstoff. Eine andere Studie kam zu dem Schluss, dass der Erfolg stark von der eingesetzten Technik abhängt. So
Merksätze
O Sonnenschutz gehört zur wichtigsten präventiven Massnahme bei aktinischen Keratosen.
O Bei der läsionsorientierten Therapie kommen vor allem Elektrodesikkation, Kürettage und Kryotherapie zum Einsatz.
O Für die Feldtherapie stehen verschiedene Topika zur Verfügung, die vom Patienten selbst angewendet werden können.
O Zur Feldtherapie zählen auch die photodynamische Therapie, Laserbehandlungen, die Dermabrasion oder spezielle Peelings in der Arztpraxis.
zeigte eine Einwirkzeit von 1 bis 5 Sekunden eine Heilungsrate von 39 Prozent, wohingegen 20 Sekunden und mehr eine Heilungsrate von 83 Prozent erzielten. Häufige unerwünschte Wirkungen bei diesem Verfahren sind Blasen, Hypopigmentierung, Narbenbildung, Infektionen und Unwohlsein während der Behandlung.
Feldtherapie im Überblick 5-Fluorouracil Bei der Feldtherapie werden nicht nur sichtbare Hautveränderungen behandelt, sondern auch Läsionen, die noch nicht das volle klinische Bild einer AK aufweisen. Verschiedene Topika können vom Patienten in der Regel selbst angewendet werden. Dazu zählen Zubereitungen mit der zytotoxischen Substanz 5-Fluorouracil (5-FU). Dieser Wirkstoff hemmt die Thymidylatsynthase, was die Genese von Desoxythymidinmonophosphat (DTMP) verhindert. Dadurch wird die Bildung von DNS blockiert, weshalb letztlich der Zelltod eintritt. In der Schweiz steht eine 5-prozentige Salbe mit 5-FU (Efudix® 5%) zur Verfügung. Sie wird über einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen 1- bis 2-mal täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen. Daneben gibt es eine Lösung, die 0,5 Prozent 5-FU plus 10 Prozent Salicylsäure enthält (Actikerall®). Vaseline, kalte Kompressen oder eine schwache, 2,5-prozentige Hydrocortisoncreme (Alfacorton®) können die Beschwerden während der Therapie lindern.
Imiquimod Der Immunmodulator Imiquimod wird ebenfalls bei AK eingesetzt. Die Wirkungsweise beruht auf der Stimulation einer zellvermittelten Immunantwort, indem die Substanz an den Toll-like-Rezeptor 7 bindet. Infolgedessen werden Interferon-␥, Interleukin-12 und TNF-␣ vermehrt gebildet. Dadurch werden Langerhans-Zellen und Makrophagen aktiviert, die die Apoptose von betroffenen Zellen herbeiführen. In der Schweiz ist eine 5-prozentige Creme (Aldara® 5%) zugelassen. Laut Fachinformation wird sie 16 Wochen lang 3-mal wöchentlich vor dem Schlafengehen aufgetragen und für etwa 8 Stunden auf der Haut belassen. Untersuchungen zeigen, dass damit eine vollständige Abheilung von bis zu 57 Prozent möglich ist. In anderen Ländern ist auch eine 3,75-prozentige Zubereitung im Handel; sie wird 2 Wochen lang 1-mal täglich vor dem Schlafengehen aufgetragen. Nach einem behandlungsfreien Zeitraum von 2 Wochen wird die Creme nochmals nach dem gleichen Schema für weitere 2 Wochen appliziert. Die schwächere Dosierung hat den Vorteil einer kürzeren Behandlungsdauer
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ARS MEDICI 17 I 2013
FORTBILDUNG
Therapieansätze im Überblick
Läsionsorientierte Therapie Feldtherapie
Läsionsart
einzelne, isolierte Läsionen
diffuse klinische und subklinische Läsionen
Therapieform
Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff, Elektrodesikation, Kürettage
5-Fluorouracil Imiquimod Diclofenac Ingenolmebutat
Keratinozyten reichert sich die Substanz an und wird zu photoaktiven Porphyrinen umgewandelt. Durch Lichteinwirkung bilden sich daraus dann freie Radikale, die eine gezielte Gewebezerstörung herbeiführen. Eine Vorbehandlung mit Dermabrasion, Kürettage oder Ureacreme kann die Wirksamkeit unter Umständen erhöhen. Die Erfolgsrate hängt zwar von verschiedenen Parametern ab, kann jedoch bis zu 66 Prozent betragen. Manche Ärzte führen daneben auch chemische Peelings durch. Hier wird vor allem Trichloressigsäure in einer Konzentration von 35 oder 50 Prozent mit oder ohne JessnerLösung verwendet. Eine prospektive Studie zeigte vergleichbare Behandlungserfolge von 83 bis 92 Prozent beim Einsatz von Trichloressigsäure, 5-FU und CO2-Laser.
photodynamische Therapie chemische Peelings Dermabrasion Laserbehandlung (CO2 oder Erb:YAG)
und erlaubt die Anwendung auf einem grösseren Hautareal im Vergleich zur 5-prozentigen Creme (200 cm2 vs. 25 cm2). Studienergebnisse zeigen allerdings, dass mit der stärkeren Formulierung eine bessere Wirksamkeit erreicht wird.
Diclofenac Ein Gel mit 3-prozentigem Diclofenac und Hyaluronsäure (Solaraze®) wird ebenfalls bei AK eingesetzt. Diclofenac ist ein nicht steroidales Antiphlogistikum, das die Cyclooxygenase-2 (COX-2) hemmt. Dieses Enzym fördert die Karzinogenese, indem es die Angiogenese fördert und die Apoptose hemmt. Ein übliches Behandlungsschema sieht eine 2-mal tägliche Applikation über einen Zeitraum von 60 bis 90 Tagen vor. Dabei wurde eine Wirksamkeit von 50 Prozent, bei der alleinigen Anwendung von Hyaluronsäure hingegen nur von 20 Prozent beobachtet.
Ingenolmebutat Bei Ingenolmebutat handelt es sich um einen Inhaltsstoff aus dem Milchsaft der Gartenwolfsmilch (Euphorbia peplus), der zytotoxische und entzündungsfördernde Eigenschaften aufweist. Ein Gel mit Ingenolmebutat (Picato®) wurde erst kürzlich in der Schweiz zugelassen. In einer Studie wurde das 0,015-prozentige Gel im Gesicht und auf dem Kopf 3 Tage lang aufgetragen. Bei der Kontrolle nach 8 Wochen lag in 42,2 Prozent der Fälle eine vollständige Abheilung vor. Und nach der 2-tägigen Anwendung des 0,05-prozentigen Gels am Körperstamm und an den Extremitäten betrug die Abheilungsrate 34,1 Prozent. Die kurze Anwendungsdauer fördert eine gute Compliance und trägt dadurch zum Behandlungserfolg bei. Es sind allerdings noch mehr Langzeitdaten wünschenswert.
Kombinationstherapie Der gemeinsame Einsatz verschiedener Therapieansätze hat den Vorteil, dass eine höhere Wirksamkeit erzielt werden kann. Zudem ist ein besseres kosmetisches Ergebnis denkbar, wodurch die Patientenzufriedenheit zunimmt. Zu den Nachteilen zählt sicherlich, dass dies mit höheren Kosten verbunden sein kann. Die Kombination von 5-FU mit anderen Behandlungsformen zeigte bisher vielversprechende Resultate. Eine 1-wöchige Behandlung mit 0,5-prozentigem 5-FU, danach Kryotherapie, erzielte in 30 Prozent der Fälle eine vollständige Abheilung im Gesicht. In einer anderen Studie wurde im 20-wöchigen Nachbeobachtungszeitraum eine vollständige Abheilung bei 59,5 Prozent der Patienten beobachtet, deren AK mit Kryotherapie und 3,75-prozentigem Imiquimod behandelt wurde. Im Vergleich hierzu lag die Erfolgsrate mit einer alleinigen Kryotherapie nur bei 29,8 Prozent. Des Weiteren wurde im Anschluss an eine PDT eine 5-prozentige Imiquimodzubereitung 2-mal wöchentlich über einen Zeitraum von 16 Wochen aufgetragen. Die Abheilungsrate betrug dabei 90 Prozent versus 75 Prozent bei einer alleinigen PDT. Es können auch topische Therapien zusammen eingesetzt werden. So untersuchte eine Studie die Anwendung von 5-FU am Morgen und Imiquimod zur Nacht über einen Zeitraum von 1 Woche. Dieses Schema wurde im Wechsel mit einer 3-wöchigen Pause 3 Monate lang wiederholt. Zwar liess sich damit zu 90 Prozent eine vollständige Abheilung erzielen, doch 17 Patienten brachen die Studie aufgrund unerwünschter Wirkungen vorzeitig ab.
Zu guter Letzt
Unabhängig vom gewählten Therapieansatz ist es wichtig,
dass die betroffenen Stellen regelmässig durch einen Arzt
überprüft werden. Je nach Fall wird daher eine halbjährliche
oder jährliche Kontrolle empfohlen. Und zu den wichtigsten
präventiven Massnahmen gehört der Schutz mit einer
geeigneten Sonnencreme, worauf die Patienten regelmässig
hinzuweisen sind.
O
Monika Lenzer
Photodynamische Therapie und Co. Bei der photodynamischen Therapie (PDT) wird entweder 5-Aminolävulinsäure (Alacare® Pflaster) oder Methylaminolävulinat (Metvix® Creme) topisch aufgetragen. In entarteten
Quelle: Uhlenhake EE: Optimal treatment of actinic keratoses. Clin Interv Aging 2013; 8: 29–35.
Interessenkonflikte: Gemäss der Autorin des Beitrags im «Journal of Clinical Interventions of Aging» bestehen keine Interessenkonflikte.
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