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FORSCHUNG
Vitex agnus castus gegen zyklusbedingte Beschwerden
Eine Metaanalyse belegt Wirksamkeit des Mönchspfeffers
Seit der Einführung von Mönchspfefferpräparaten zur Behandlung der zyklusbedingten Beschwerden, in erster Linie des prämenstruellen Syndroms (PMS), haben zahlreiche Studien immer wieder die Wirksamkeit der Arzneipflanze belegt. Eine Metaanalyse (1) listet RCT-Studien auf und bestätigt die Resultate. Die einzige Studie mit einem Negativresultat weist grosse methodische Fehler auf und verwendet ein Plazebo, das wahrscheinlich selbst
Klosterleuten auch geholfen haben, das sexuelle Verlangen zu bändigen. Daher stammt wohl der zweite deutsche Name «Keuschlamm», der auch in der Artbezeichnung Agnus castus enthalten ist. Heute wird der Mönchspfeffer zur Behandlung von zyklisch bedingten, in erster Linie prämenstruellen Beschwerden eingesetzt. In der Schweiz gibt es mehrere Präparate (vgl. Tabelle 1). Daneben gibt es Firmen, die Vitex agnus castus als Tinktur anbieten. Bemerkenswert ist, dass es neben diesen Mönchspfefferpräparaten in der Schweiz keine weiteren Präparate gibt, also auch keine Präparate mit synthetischen Wirkstoffen, die die Zulassung für die Indikation «prämenstruelles Syndrom» besitzen.
Studien
Die ersten klinischen Studien über die Wirksamkeit von Mönchspfeffer erschienen in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Seither sind zahlreiche weitere klinische Studien publiziert worden, die sich in erster Linie mit der Wirksamkeit gegen das prämenstruelle Syndrom (PMS) beschäftigten, aber auch in vereinzelten Fällen gegen prämenstruelle Dysphorie, gegen Hyperprolaktinämie und gegen Mastalgie.
Metaanalyse
Kürzlich wurde eine Metaanalyse (1) publiziert, die randomisierte, kontrollierte Studien über die Wirksamkeit von Vitex agnus castus bei zyklusbedingten Störungen (female reproductive disorders) auswertete. In diesem Sinne wurden frühere offene Studien und Anwendungsbeobachtungen ausgeschlossen, darunter auch Studien, die die milchfördernde Wirksamkeit des Mönchspfeffers untersuchten. Die Autoren werteten mehrere Datenbanken aus. Eingeschlossen wurden randomisierte, kontrollierte Studien, darunter plazebokontrollierte und Vergleichsstudien. Nicht in die Metaanalyse aufgenommen wurden Präparate, die neben Mönchspfeffer noch andere pflanzliche Extrakte enthielten. Bei den aufgenommenen Studien wurden Aspekte des Studiendesigns wie Dauer, Zielvariablen, Probandinnen, ermittelte Werte und so weiter bestimmt und die Validität der Studien mit dem Cochrane Risk of Bias Assesment und mit der Jadad-Skala ermittelt. Weiter wurde überprüft, ob bei den Studien die CONSORT-Richtlinien für klinische Studien mit pflanzlichen Präparaten eingehalten worden sind.
gegen PMS wirksam ist.
Christoph Bachmann
Einleitung
Vitex agnus castus L., Mönchspfeffer, ist eine seit der Antike bekannte Arzneipflanze. Dioscurides schrieb ihr Eigenschaften als Aphrodisiakum zu. Später wurde die Pflanze als Gewürz verwendet. Im Mittelalter soll der Mönchspfeffer den
Tabelle 1: Mönchspfefferpräparate in der Schweiz Markenname Extrakt
Premens®
Opran®
Agnus castus-Mepha® Emoton® Alpha agnus castus
Agni casti extractum ethanolicum siccum, DER: 6–12:1, 20 mg (Ze 440) Agni casti extractum ethanolicum siccum, DER: 6–12:1, 20 mg (Ze 440) Agni casti extractum ethanolicum siccum, DER: 6–12:1, 20 mg (Ze 440) Vitex agnii casti extr. ethanolicum siccum, DER 15–18,5:1, 12 mg
SL: Grundversicherung; H: Zusatzversicherung
Klinische Studien +
+
+
–
KK-Kategorie SL SL SL H
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FORSCHUNG
Von den 106 ursprünglich erfassten Studien entsprachen 12 den Kriterien. 2 Publikationen basierten auf denselben Untersuchungen und wurden als eine Studie definiert (3, 4). Ihre Resultate wurden statistisch ausgewertet (vgl. Tabelle 2).
Validität der Studien
Die Qualität der Studien wurde von den Autoren der Metaanalyse von schwach bis sehr gut bezeichnet, die Mehrheit der Studien als gut. 3 Studien weisen ein tiefes Biasrisiko auf (6, 7, 14). Bei den anderen fehlen verschiedene qualitätsbestimmende Angaben. 8 Studien weisen einen JadadScore von 4 auf, bei 4 Studien liegt dieser bei 2. Weiter wurde überprüft, ob die für phytotherapeutische Studien empfohlenen CONSORT-Richtlinien (15) eingehalten wurden. Die ermittelten Punktezahl variierte von 10 (7, 9) bis 4 (2).
Studiendesign
Beschwerden: Von den 12 Studien untersuchten 8 die Wirksamkeit von Mönchspfefferpräparaten bei PMS (2–10), 2 Studien untersuchten die Wirksamkeit bei prämenstrueller Dysphorie (premenstruel dysphoric disorder:PMDD) (11,12) und 2 weitere dieWirksamkeit bei latenter Hyperprolaktinämie (LHP) mit und ohne Mastalgie (13, 14). Kontrolle: 6 der 8 PMS-Studien waren plazebokontrolliert (2–8), 1 verwendete Magnesiumoxid als Vergleich (9), eine weitere Pyridoxin (10). Bei beiden PMDD-Studien wurde Fluoxetin als Vergleich eingesetzt (11, 12). Eine der beiden LHP-Studien (13) verwendete Bromcriptin als Vergleich, die andere (14) war plazebokontrolliert. Probandinnen: Die Anzahl Probandinnen reichte von 37 bis 217. 6 Studien schlossen mehr als 100 Probandinnen ein (2,5,6,7,8,10). Präparate: 4 Studien machten über das verwendete Mönchspfefferpräparat keine Angaben (2, 8, 11, 12). 3 Studien setzten den VAC-Extrakt BNO 10951 ein (3–5, 13). 1 Studie untersuchte den Extrakt Ze 4402 (7). Weiter eingesetzte VAC-Extrakte waren Isfahan Gol Daroo Company (= Isfahan1) (6), Agnolyt1 (10), Monoselect Agnus1 (9), Strotan1 (14) (vgl. Kasten). Dosierung: Wegen der fehlenden Angaben über den verwendeten Extrakt und der komplizierten Vergleichbarkeit der erwähnten Extrakte ist es sehr schwierig, genaue Anga-
1 In der Schweiz nicht im Handel 2 Vgl. Tabelle 1
ben über die eingesetzten Dosierungen zu machen. Die erwähnten Dosen reichten von 40 Tropfen (2) bis 1800 mg/Tag (8). Verschiedene Studien setzten 20 bis 40 mg Extrakt ein (3, 4, 5, 7, 9, 11, 12, 13, 14). Zielvariablen: Folgende Zielvariablen wurden eingesetzt: Für PMS: ◆ VAS (2, 7, 9) ◆ Tägliche Symptome Rating Scale (6) ◆ chinesische Version der PMTS und PMDS
(3–5) ◆ Moos Menstrual Mistress Question-
naire plus (8) ◆ PMTS und CGI (10) Für PMDD: ◆ HAM-D (11) ◆ DSR, HAM-D, CGI-SI, CGI-I (12) Für Hyperprolaktinämie: ◆ Serumprolaktin (Tage 5–8), Brust-
schmerzen (VAS) (13) ◆ Veränderung von PRL (14)
Resultate
PMS Mönchspfeffer gegenüber Plazebo: Von den 6 Studien, die Mönchspfeffer gegenüber Plazebo untersuchten, zeigten 5 Studien ein positives Resultat für das Mönchspfefferpräparat (2–7). Die Studie von Turner et al. (8) zeigte ein negatives Resultat. Das kann aber unter Umständen auf die Auswahl des Plazebos zurückgeführt werden, das Soja enthielt. Gewisse Studien weisen auf eine Wirksamkeit von isoflavonhaltigen Pflanzenextrakten wie Soja hin. Das könnte bei dieser Studie den geringen Unterschied zwischen dem verwendeten Mönchspfefferpräparat und Plazebo erklären. Mönchspfeffer gegenüber Vergleich: Beide PMS-Studien, bei denen das Vitex-agnuscastus-Präparat gegenüber einer Vergleichssubstanz getestet worden war (9,10), zeigten eine Überlegenheit von Mönchspfeffer bei verschiedenen Symptomen wie Rückenschmerzen, Brustfülle, Kopfschmerzen, Reizbarkeit (alle p < 0,001), nicht aber bei Appetitmodulation.
PMDD In beiden Studien (11, 12) wurde Mönchspfeffer mit Fluoxetin verglichen, und die Resultate zeigen, dass beide Studienarme gegenüber Baseline eine signifikante Verbesserung der Symptome aufweisen. Während die Studie von Atmaca et al. (12) für Fluoxetin eine höhere Wirksamkeit bei psychischen Symptomen folgerte und für Mönchspfeffer eine höhere Wirksamkeit bei somatischen Symptomen, ermittelte Ciotta et al. (11) eine Überlegenheit von Fluoxetin bei beiden Symptomarten.
Latente Hyperprolaktinämie Mönchspfeffer gegenüber Plazebo: Bei dieser Studie (14) erwies sich Mönchspfeffer gegenüber Plazebo als signifikant überlegen, indem die relevanten Werte deutlich verbessert wurden (Prolaktinkonzentration: p < 0,001; Lutealphase: p < 0,001; Progesteronwert: p < 0,001; Betaestradiol: p < 0,05). Mönchspfeffer gegenüber Bromcriptin: In der andern Studie, die Mönchspfeffer bei latenter Hyperprolaktinämie überprüfte (13), wurde auch eine Mastalgie berücksichtigt, und es zeigte sich eine mit Bromcriptin vergleichbare Wirksamkeit. In der VACGruppe wurden weniger AUW und eine bessere Compliance beobachtet.
Sicherheit
1 Studie machte keine Angaben über unerwünschte Ereignisse (8). 4 weitere Studien fanden in den Mönchspfeffergruppen keine unerwünschten Ereignisse (2, 11, 13, 14). Alle in den anderen 7 Studien dokumentierten unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit Mönchspfeffer erwiesen sich als selten und mild.
Zusammenfassung
Die hier vorgestellte Metaanalyse wertete 12 randomisierte, kontrollierte Studien aus, die die Wirksamkeit von Mönchspfeffer bei zyklusbedingten Störungen, vor allem bei prämenstruellem Syndrom, sowie bei prämenstrueller Dysphorie, latenter Hyper-
Kasten: Verwendete VAC-Extrakte
BNO 1095 Ze 440 Isfahan Agnolyt Monoselect Agnus Strotan
ethanolischer (70%) Trockenextrakt, DER 10:1 ethanolischer (60%) Trockenextrakt, DER 6–12:1 getrocknete Früchte, 4,3–4,8 mg/Tabl Trockenextrakt, DER 9,58–11,5 : 1, 3,5–4,2 mg/Kaps auf 0,5% Agnusid standardisierter Extrakt Wasser-Alkohol-Extrakt (50–70%) aus getrockneten Früchten
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Tabelle 2: In die Metaanalyse eingeschlossene Studien
Erstautor/
Beschwerde
Erscheinungsjahr
Zamani/2012
PMS
Ma/2010
PMS
He/2009
PMS
Pakgohar/2009 PMS
Schellenberg/2001 PMS
Turner/1993
PMS
Di Pierro/2009 PMS Lauritzen/1997 PMS
Ciotta/2011
PMDD
Atmaca/2003
PMDD
Kilicdag/2004 Milewicz/1993
Latente Hyperprolaktinämie und milde Mastalgie
Latente Hyperprolaktinämie
Design/ Anzahl Zyklen/ Anzahl Probandinnen RDP/6/128 RDP/3/64
RDP/3/202 RDP/2/99 RDP/3/170 RDP/3/217
RDV/8*/82 (doppelblind?) RDV/3/105
RDV/2/57 RSV/38/
PRV/3/80
RDP/3/37
Präparat (Extrakt)/ tägliche Dosis/ Vergleich k. A./40 Tropfen/ Plazebo BNO 1095/ 40 mg/Plazebo
BNO 1095/ 40 mg/Plazebo Isfahan Gol Daroo Company/ 4,3–4,8 mg/Plazebo Ze 440/20 mg/ Plazebo k. A./1800/sojahaltiges Plazebo
Monoselect Agnus/ 40 mg/Magnesiumoxid Agnolyt/1 Kapsel/ Plazebo von Tag 1 bis 15; 100 mg Pyridoxin HCl von Tag 16 bis 35 k. A./20 mg/20 bis 40 mg Fluoxetin
k. A./20 bis 40 mg/ 20 bis 40 mg Fluoxetin
Agnucaston/40 mg/ 5 mg Bromcriptin
Strotan/20 mg/ Plazebo
Zielvariable
VAS Chinesische Version von PMSD und PMTS, Serumprolaktin während der Lutealphase Chinesische Version von PMSD und PMTS Tägliche Symptom Rating Scale (DSR) VAS 0–10 für verschiedene Symptome Moos Menstrual Distress Questionnaire plus
VAS 0–10
PMTS CGI
4 Symptome von HAM-D
DSR, HAM-D, CGI-SI, CGI-I
Serumprolaktin während der Tage 5 bis 8; Brustschmerzen (VAS)
Veränderung der Prolaktinreserven
Resultate
VAC ist wirksam und gut verträglich VAC ist wirksam, v. a. gegen negative Affekte und Wasserretension
VAC ist wirksam und sicher VAC ist wirksam
VAC ist wirksam
VAC ist nicht wirksamer als Plazebo (Studie weist grosse methodische Mängel auf!) VAC ist wirksam
VAC ist Pyridoxin überlegen
Beide Präparate wirken gut, Fluoxetin jedoch besser Beide Präparate sind wirksam; Fluoxetin ist besser bei psychischen Symptomen, VAC bei physischen VAC ist ähnlich wirksam wie Bromcriptin; VAC hat weniger UAW, bessere Compliance und kostet weniger VAC ist wirksam
Begriffe: VAC: Vitex agnus castus; k. A.: keine Angaben RDP: randomisiert, doppelblind, plazebokontrolliert; RDV: randomisiert, doppelblind, Vergleich; RSR: randomisert, singelblind; PRV: prospektiv, randomisiert, Vergleich; RSV: randomisiert, singelblind, Vergleich; PMTS: Premenstrual Tension Syndrom self Rating Scale; DSR: Daily Symptom Report; CGI-SI: Clinical Global Impression – Severity of Illness; CGI-I: Clinical Global Impression – Improvement; HAM-D: Hamilton Depression Scale * 3 Monate VAC täglich, 2 Monate Wash-out, 3 Monate VAC nur 7 Tage während der Lutealphase
prolaktinämie und Mastalgie untersuchten. Mit Ausnahme einer Studie, die aber grosse methodische Mängel aufweist, dokumentierten alle Studien die Wirksamkeit von Vitex agnus castus L. bei prämenstruellem Syndrom und bei den anderen untersuchten Beschwerden.
Somit erweist sich diese Arzneipflanze als
wirksame Therapiemöglichkeit bei den be-
schriebenen zyklusbedingten Beschwerden.
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46, 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
◆
Literaturreferenzen:
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2. Zamani M., Neghab N., Torabian S.: Therapeutic effect of Vitex agnus castus in patients with premenstrual syndrome. Acta Med Iran 2012; 50: 101–106.
3. Ma L., Lin S., Chen R., Wang X.: Treatment of moderate to severe premenstrual syndrome with Vitex agnus castus (BNO 1095) in Chinese women. Gynaecol Endocrinol 2010; 26: 612–616.
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4. Ma L., Lin S., Chen R., Zhang Y., Chen F., Wang X.: Evaluating therapeutic effect in symptoms of moderate-to-severe premenstrual syndrome with Vitex agnus castus (BNO 1095) in Chinese women. Aust N Z J Obstet Gynaecol 2010; 50: 189–193.
5. He Z., Chen R., Zhou Y., Geng L., Zhang Z., Chen S., Yao Y., Lu J., Lin S.: Treatment for premenstrual syndrome with Vitex agnus castus: A prospective, randomized, multi-center placebo controlled study in China. Maturitas 2009; 63: 99–103.
6. Pakgohar M., Moradi M., Jamshidi A.H., Mehran A.: Assessment of Vitex agnus castus L. extract effect on treatment of premenstrual syndrome. J Med Plants 2009; 8: 98–107, 185.
7. Schellenberg R.: Treatment for the premenstrual syndrome with agnus castus fruit extract: prospective, randomised, placebo controlled study. BMJ 2001; 322: 134–137.
8. Turner S., Mills S.Y.: A double-blind clinical trial on a herbal remedy for premenstrual syndrome: a case study. Complement Ther Med 1993; 1: 73–77.
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10. Lauritzen C., Reuter H.D., Repges R., Bohnert K.J., Schmidt U.: Treatment of premenstrual tension syndrome with Vitex agnus castus – controlled, doubleblind study versus pyridoxine. Phytomedicine 1997; 4: 183–189.
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FORSCHUNG
Ein pflanzliches Kombinationspräparat gegen benigne Prostatahyperplasie
Klinische Studien dokumentieren die Wirksamkeit
In der Schweiz gibt es verschiedene pflanzliche Arzneimittel zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH). Die
belegen die Wirksamkeit dieser Kombination. Im vorliegenden Beitrag werden einige wichtige Studien vorgestellt.
Die Sägepalme ist eine kleinbuschige Palme (frz.: palmier nain), die im Südosten der USA heimisch und an vielen Strassenrändern anzutreffen ist. Die Grosse Brennnessel ist eine ubiquitär vorkommende Pflanze, mit der jeder schon einmal unangenehme Bekanntschaft gemacht hat.
meisten davon sind Monopräparate, enthalten also nur einen pflanzlichen Extrakt. Eine Ausnahme bildet ein Präparat, das je einen Extrakt aus Serenoa repens (Sabal serrulata) und Urtica dioica enthält. Verschiedene klinische Studien
Christoph Bachmann
Das Präparat
Beim Präparat handelt es sich um PRO 160/120, bestehend aus zwei standardisierten Extrakten aus der Sägepalme (Serenoa repens oder Sabal serrulata) (vgl. Abbildung 1)und aus der Grossen Brennnessel (Urtica dioica) (vgl. Abbildung 2). Das Präparat ist folgendermassen zusammengesetzt: Sabal extractum ethanolicum spissum, DER: 10–14.3:1, 160 mg Urticae radicis extractum ethanolicum siccum, DER: 7.6–12.5:1, 120 mg.
Pharmakologie
Pharmakologische Untersuchungen zeigen, dass Serenoa repens bei Mäusen und Ratten durch eine Hemmung der 5-AlphaReduktase den Abbau von Testosteron zu Dihydrotestosteron (DHT) hemmt sowie in gewissem Mass den Abbau von Testosteron zu Estrogen durch eine Hemmung der Aromatase (1). DHT und Estrogen fördern das Wachstum des Prostatagewebes. Der standardisierte Sägepalmeextrakt WS® 1473 zeigte an typischen Entzündungsmodellen antiphlogistische und antioxidative Wirkungen (1). Der standardisierte Brennnesselextrakt WS 1031 zeigte neben seiner
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FORSCHUNG
Wirkung auf die Aromatase auch Wechselwirkung mit dem sexualhormonbindenden Globulin (SHBG) sowie eine Hemmwirkung auf inflammatorisch wirkende Mediatoren (2). Die beiden Arzneipflanzen üben bei der Behandlung der BPH eine synergistische und überadditive Wirkung aus (3).
Abbildung 1: Die im Südosten der USA heimische Sägepalme.
Abbildung 2: Die ubiquitär vorkommende Grosse Brennnessel.
Klinik
Seit 1996 wurden verschiedene randomisierte, kontrollierte Studien publiziert, die die Wirksamkeit des als PRO 160/120 bezeichneten Kombinationspräparates belegen. Dabei wurde es zum Teil gegenüber Plazebo überprüft, in der Mehrheit der Studien in einer Vergleichsstudie gegenüber
einem etablierten synthetischen Wirkstoff. In diesen Studien wurde durchwegs die Wirksamkeit von PRO 160/120 gezeigt.
Plazebokontrollierte Studien
Lopatkin et al. 2005 Lopatkin et al. veröffentlichten 2005 eine plazebokontrollierte, doppelblinde Multizenterstudie (4). Diese Studie stellt die Nachbeobachtung von Studienteilnehmern der 1997 publizierten Studie von Sökeland et al. dar (5). Sökeland untersuchte die Wirksamkeit von PRO 160/120 gegenüber Finasterid bei Probanden mit BPH-bedingten Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS) und fand eine vergleichbare Wirksamkeit zwischen den beiden Präparaten. 184 Patienten beziehungsweise 35,7 Prozent der Probanden von Sökeland nahmen an der Nachbeobachtung teil, von denen 75 zum Zeitpunkt der Nachbefragung kein BPHMedikament, 30 PRO 160/120 und 16 Finasterid einnahmen. Erfasst wurde unter anderem der I-PSS-Wert. Bei allen Therapiegruppen war der I-PSS-Wert weiterhin um mindestens zwei Punkte günstiger als die entsprechenden Baseline-Werte in der Studie von Sökeland.
Lopatkin et al. 2007 2007 veröffentlichten Lopatkin et al. eine weitere Studie, in der die Autoren 257 älteren Männern mit BPH-bedingtem LUTS zuerst während 24 Wochen entweder PRO 160/120 oder Plazebo verabreichten. Nach einer Kontrollphase von weiteren 24 Wochen luden die Autoren die Probanden ein, an einem nochmals 48 Wochen dauernden Follow-up teilzunehmen, bei dem wiederum PRO 160/120 verabreicht wurde. Zielvariablen waren der I-PSS, der Uroflow und sonografische Parameter. 219 Probanden nahmen an diesem Follow-up teil. Zwischen Baseline und der 96. Woche verminderte sich der I-PSS durchschnittlich um 53 Prozent (p < 0,001), der maximale und der durchschnittliche Uroflow nahmen um 19 Prozent zu (p < 0,001), und das Restharnvolumen verminderte sich um 44 Prozent (p = 0,03).
Vergleichsstudien
Sökeland 1997 1997 veröffentlichten Sökeland und Albrecht die schon oben erwähnte Studie (5), in der sie die Wirksamkeit von PRO 160/120 gegenüber Finasterid überprüften. Dazu erhielten total 543 Patienten mit einer BPH
im Stadium I–II nach Alken, dem damaligen Standard zur Bezeichnung des BPH-Schweregrades, während 49 Wochen entweder zweimal täglich 1 Kapsel PRO 160/120 oder einmal 5 mg Finasterid. Hauptzielvariable war die Verbesserung des maximalen Harnsekundenvolumens nach 24 Wochen. Sekundäre Zielvariablen waren Durchschnittsfluss, Miktionsvolumen, Miktionszeit und Flussanstieg sowie subjektive Parameter zur Miktionssymptomatik und Lebensqualität. Die ermittelte Erhöhung des Harnsekundenvolumens betrug für PRO 160/120 1,9 ml und für Finasterid 2,4 ml (p = 0,523), was keine signifikante Überlegenheit von Finasterid bedeutet. Auch bei den sekundären Zielvariablen zeigte sich bei beiden Behandlungsgruppen eine ähnliche Verbesserung, die die Gleichwertigkeit von PRO 160/120 gegenüber Finasterid zeigte.
Engelmann 2006 Bei dieser prospektiven, randomisierten, doppelblinden Multizentervergleichsstudie (6) wurde die Wirksamkeit von PRO 160/120 bei durch BPH bedingten LUTS gegenüber Tamsulosin verglichen. Dafür erhielten 140 ältere Männer mit durch BPH bedingten LUTS mit einem Initial-Score von ≥ 13 I-PSS während 60 Wochen entweder zweimal täglich 1 Kapsel PRO 160/120 oder 0,4 mg Tamsulosin. Bei der primären Zielvariablen zeigte sich in beiden Therapiegruppen eine durchschnittliche Verminderung beim I-PSS um 9 Punkte. Als Responder wurden diejenigen Probanden bezeichnet, die am Schluss der Behandlung einen I-PSS-Wert von ≤ 7 aufwiesen. Das war bei 32,4 Prozent der Patienten in der PRO-160/120-Gruppe der Fall sowie bei 27,9 Prozent in der Tamsulosingruppe. Damit belegte diese Studie die Nichtunterlegenheit von PRO 160/120 gegenüber Tamsulosin in der Behandlung von BPH-bedingten LUTS.
Guidelines
Deutsche Gesellschaft für Urologie Diese Literaturlage führte dazu, dass die Deutsche Gesellschaft für Urologie Leitlinien für die phytotherapeutische Therapie des benignen Prostatasyndroms (BPS) herausgab (7). Dort steht unter Sägepalme geschrieben: In Kombinationspräparaten wird der Extrakt der Sägepalmenfrucht mit einem ethanolischen Extrakt aus Brennnesselwurzel (Ur-
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tica) kombiniert. Die Kombination muss allerdings, soll sie wirksam sein, 320 mg des Sägepalmenextrakts und 240 mg des Trockenextrakts aus Brennnesselwurzeln enthalten ... Besonders gut ist eine Kombination aus Sägepalme und Brennnessel (PRO 160/120) dokumentiert.
European Association of Urology Im Gegensatz zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft konnte sich die europäische Gesellschaft für Urologie nicht durchringen, die Verwendung vom PRO 160/120 bei BPH zu empfehlen. In ihren Guidlines von 2012 (8) geht die Gesellschaft auch ausführlich auf die Verwendung von pflanzlichen Präparaten ein. Obwohl sie in Bezug auf PRO 160/120 die beiden Studien von Sökeland (5) und Lopatkin (4) positiv bespricht und keine negative Studie erwähnt, folgert sie in Practical Considerations: Phytotherapy remains problematic to use because of different concentrations of the active ingredient(s) in different brands of the same phytotherapeutic agent. Hence, meta-analyses of extracts of the same plant do not seem to be justified and re-
sults of these analyses have to be interpreted with caution.
Zusammenfassung
Die Kombination PRO 160/120, bestehend
aus dem standardisierten Sägepalme-
extrakt WS 1473 und dem standardisierten
Brennnesselextrakt WS 1031 stellt bei der
Behandlung der benignen Prostatahyper-
plasie und dadurch bedingten LUTS eine
valable Alternative zur konservativen Be-
handlung mit den synthetischen Substan-
zen Tamsulosin beziehungsweise Finaste-
rid dar. Pharmakologische Studien weisen
auf eine synergistische und überadditive
Hemmung der 5-Alpha-Reduktase und der
Aromatase hin. Eine Vielzahl plazebokon-
trollierter klinischer Studien und Vergleichs-
studien dokumentieren signifikant die Wirk-
samkeit der pflanzlichen Kombination PRO
160/120 bei BPH und die Gleichwertigkeit
mit Tamsulosin und Finasterid.
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
1. Koch E. in: Loew D. Rietbrock N. (Hrsg.): Phytopharmaka in Forschung und klinischer Anwendung, Steinkopf Verlag, Darmstadt (1995), 57–79.
2. Hyrb DJ. et al.: Planta Med 1995; 61: 31–32.
3. Koch et al.: Pharmakologische Wirkungen von Sabal- und Urticaextrakten als Grundlage für eine rationale medikamentöse Therapie der benignen Prostatahyperplasie, Urologe B 1994; 34: 90–95.
4. Lopatkin et al.: Long-term efficacy and safety of a combination of sabal and urtica extract for lower urinary tracts symptoms – a placebo-controlled, doubleblind, multicenter trial, Urol 2005; 23: 139–146.
5. Sökeland J., Albrecht J.: Kombination aus Salbalund Urticaextrakt vs. Finasterid bei BPH (Stad. I bis II nach Alken). Vergleich der Wirksamkeit in einer einjährigen Doppelblindstudie, Urologe A 1997; 36: 327–333.
6. Engelmann U. et al.: Efficacy and Safety of a Combination of Sabal and Urtica Extract in Lower Urinary Tract Symptoms, ArznmForsch/DrugRes 2006(3); 56: 222–229.
7. zitiert aus: Naturamed 2010; 2: 20–23.
8. European Association of Urology: Oelke M. (chairman): Guidlines on the Managment of Male Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS), incl. Benign Prostatic Obstruction (BPO), Update 2012: 22–27.
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