Transkript
Kehrt die Malaria nach Europa zurück?
Neue Endemieherde in südlichen und östlichen Regionen
BERICHT
European Congress on Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ECCMID) Symposium «Plasmodium vivax in Europe: a re-emerging disease», Berlin, 29. April 2013
Seit über den weltweiten Klimawandel diskutiert wird, steht auch die Frage im Raum: Könnten im Zuge der Erwärmung Infektionskrankheiten und deren Überträger nach Europa zurückkehren, die seit Jahrzehnten als eliminiert galten? Zum Beispiel die Malaria, die gerade erst am östlichen Rand der WHO-Region Europa, aber auch in Griechenland grössere Ausbrüche verursacht hat.
MANUELA ARAND
Anopheles-Spezies, die Plasmodien übertragen können, gibt es fast überall auf der Welt, ausser in sehr kalten Regionen. Ganz Europa etwa zählt zum Verbreitungsgebiet von A. atroparvus, in Osteuropa kommen auch andere Spezies vor. Auch pathogene Plasmodien kämen keineswegs nur in den klassischen Endemiegebieten wie Afrika, Südamerika und Südostasien vor, erklärte Dr. Carlo Severini, Rom. Ausserhalb Afrikas handelt es sich meist um Plasmodium vivax, den Erreger der Malaria tertiana, die zwar keine so hohe Mortalität verursacht wie die Malaria tropica, aber mit einer hohen Morbidität einhergeht. Ausserdem steigen die Resistenzraten gegen die üblichen Therapeutika. In den Ländern der Europäischen Union und in der Schweiz gibt es seit
den ausgedehnten Eradikationskampagnen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zwar nur sehr selten autochthone Malariafälle, aber sie kommen vor. Ausserdem besteht die Gefahr, dass heimische Anopheles-Mücken Plasmodien aufnehmen und weitertragen, wenn Importfälle verzögert diagnostiziert werden. Dr. Severini forderte deshalb dringend eine bessere Diagnostik. Insbesondere beim mikroskopischen Nachweis im dicken Tropfen seien viele Mediziner heute nicht mehr gut genug geschult. Dass die Malaria sehr wohl in der Lage ist, sich in Regionen wieder auszubreiten, in denen sie bereits als weitgehend besiegt galt, zeigt das Beispiel Griechenland. Es demonstriert aber auch, dass konsequentes Gegensteuern lokale Ausbrüche rasch wieder eindämmen kann. Wie Spanien und Frankreich meldet auch Griechenland immer einmal wieder einzelne im Land erworbene Malariaerkrankungen. In Spanien kann man sich vor allem im Ebrodelta anstecken, in Frankreich vor allem auf Korsika. Was sich seit 2010 in Griechenland ereignet, ist aber mehr als eine Häufung von Einzelfällen, wie Dr. Agoritsa Baka, Athen, berichtete. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte die Endemie 2011, als neben 96 importierten auch 42 autochthone Malariaerkrankungen gemeldet wurden. Lokale «Hot Spots» lagen in Lakonia im Süden des Peloponnes und in Ostattika, betroffen waren oft Arbeitsmigranten, die in den ländlichen Regionen eng beisammen leben, zum Teil unter sehr einfachen Bedingungen. Das griechische Center for Disease Control (CDC), dem auch Dr. Baka angehört, versucht, die Ausbrüche einzudämmen, indem Ärzte in Endemieregionen in die Haushalte geschickt werden, gezielt nach symptomatischen Personen suchen, diese untersuchen
und umgehend behandeln. Die Thera-
pie wurde standardisiert und besteht
aus Primaquin und Chloroquin. Bei der
Diagnostik haben sich Schnelltests be-
währt, da viele Ärzte laut Dr. Baka
nicht mehr darin geübt sind, Malaria
mikroskopisch zu diagnostizieren. Eine
Aufklärungskampagne ruft dazu auf,
bei verdächtigen Symptomen rasch
zum Arzt zu gehen. Das stösst aber ge-
rade bei Migranten an Grenzen, weil
Sprachbarrieren und Ängste vor Behör-
denkontakten dem entgegenstehen.
Was Dr. Baka Sorgen macht, ist, dass
die aktuelle politische und wirtschaft-
liche Situation in Griechenland den
Erfolg der bisherigen Arbeit zunichte
machen könnte. Denn das griechische
CDC plant weitere aufwändige Seu-
chenbekämpfungsmassnahmen, um der
Malaria endgültig Herr zu werden. Ob
diese sich umsetzen lassen, steht in den
Sternen.
❖
Manuela Arand
ARS MEDICI 14 ■ 2013
731