Transkript
EDITORIAL
Ideologie und Wissenschaft
Spätestens seit der Entwicklung der Quantenphysik ist bekannt, dass die reine und absolut objektive Wissenschaft nicht existiert. Das Wissenschaftlersubjekt übt immer in einem gewissen Mass Einfluss auf das Wissenschaftsobjekt aus. Der Wissenschaftskritiker Max Thürkauf hat einmal ironisch gesagt, selbst wenn der Forscher sich noch so sehr bemühe, als einäugiges und dazu noch farbenblindes Wesen die Resultate eines Experimentes zu lesen, beeinflusse er dieses immer noch. Und tatsächlich sind die subjektiven Einflüsse auf eine Studie nicht vermeidbar: Die Auswahl des Studienobjektes, die Methode, die Ein- und Ausschlusskriterien für die Probanden und speziell die Interpretation der Resultate und die Schlussfolgerungen bieten die Möglichkeit, dass Forscher mit ihrer subjektiven Meinung die Studie und die Resultate in eine bestimmte Richtung lenken. Sicher kann diese Beeinflussung von unvoreingenommenen Wissenschaftlern auf ein vertretbares Minimum reduziert werden. Dazu gehören meiner Meinung nach vor allem auch eine unvoreingenommene Sichtung der Literatur und die Bereitschaft, auch Studien miteinzubeziehen, deren Resultate mit der eigenen Sicht der Dinge nicht übereinstimmen.
Schwierig wird die Angelegenheit, wenn Wissenschaft mit Ideologie vermischt wird, das heisst wenn gewisse Vorstellungen wichtiger sind als wissenschaftliche Resultate. Das führt dazu, dass gewisse Resultate nicht sein dürfen, entsprechende Studien ignoriert werden oder ihnen pauschal Mangel an Wissenschaftlichkeit vorgeworfen wird. Umgekehrt werden Studien, die «ideologiekonform» sind, unkritisch propagiert. Sehr bedenklich finde ich es, wenn Wissenschaftler, die ideologisch vorbelastet sind, ein Studiengebiet betreten, von dem sie zu wenig verstehen.
Zur Ideologiekritik von Karl Popper gehört unter anderem zu untersuchen, ob jemand auf dogmatische Weise den Absolutheitsanspruch seiner Ideen vertritt und die Tendenz zur Immunisierung gegen Kritik besteht. In der Wissenschaft sollte das aber meiner Meinung nach nicht mit philosophischen Abhandlungen geschehen, sondern mit ideologisch unvoreingenommenen, methodisch sauberen Studien! Die Wahrheit wird sich durchsetzen!
Dr. Christoph Bachmann
thema770
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4/2013