Transkript
FORTBILDUNG
Bipolare Störung – Diagnose und Therapie
Die bipolare affektive Störung – früher als manischdepressive Erkrankung bezeichnet – gehört zu den herausforderndsten psychischen Erkrankungen. Mehr als 6 Prozent der Betroffenen nehmen sich innerhalb von 20 Jahren nach der Diagnose das Leben. Akute Episoden werden meist vom Spezialisten behandelt, während dem Hausarzt die Langzeittherapie überlassen bleibt.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Bipolare Störungen sind durch wiederholte Episoden einer Hochstimmung und einer Depression gekennzeichnet, die mit Veränderungen der Aktivität und des Tatendrangs sowie mit charakteristischen kognitiven, physischen und Verhaltenssymptomen assoziiert sind. Der Begriff «Manie» bezeichnet eine extrem gehobene Stimmungslage, die länger anhält oder mit psychotischen Symptomen einhergeht und zu schwerwiegenden Störungen des Verhaltens und der Alltagskompetenz führt (Tabelle 1). Als Hypomanie wird eine weniger schwere und kurzfristigere Form des Stimmungshochs bezeichnet, die mit einer weniger ausgeprägten Beeinträchtigung des Verhaltens und der Funktionsfähigkeit verbunden ist und meist medizinisch unauffällig bleibt. Aus der Hypomanie kann sich eine Manie entwickeln. Bipolare Störungen werden in eine Bipolar-Typ-I-Störung mit manischen Phasen und eine Bipolar-Typ-II-Störung mit hypo-
Merksätze
❖ Bei der bipolaren Störung wechseln sich Phasen der Manie und der Depression ab.
❖ Die Manie ist bei der bipolaren Störung Typ I ausgeprägt und persistierend, bei der Störung Typ II weniger ausgeprägt und von kürzerer Dauer.
❖ Häufig liegen komorbide Störungen wie Ängste, Alkohol- oder Substanzmissbrauch vor.
❖ Behandlungsoptionen sind Medikamente und Psychotherapien.
manischen Phasen klassifiziert. Manische und depressive Symptome können trotz der gegensätzlichen Polarität auch gleichzeitig auftreten, was sich als manisch-depressiver Mischzustand manifestiert. Häufig liegen komorbide psychische Störungen wie Ängste vor, und in mehr als zwei Dritteln aller Fälle wird auch Alkohol- oder Drogenmissbrauch beobachtet. Enthemmtes oder gewalttätiges Verhalten kann zur Verletzungsgefahr für den Betroffenen selbst oder für andere Personen und auch in die Kriminalität führen.
Wie wird die bipolare Störung diagnostiziert? Die Basis der Diagnose bildet eine sorgfältige Anamnese im Hinblick auf manische oder depressive Episoden in der Vergangenheit und eine Untersuchung des aktuellen mentalen Status, ergänzt durch Informationen aus dem Umfeld des Betroffenen. Im Rahmen der Anamnese sollte der Arzt bedenken, dass manische oder hypomanische Episoden von einigen Patienten verleugnet oder verschwiegen werden. Zur Anamnese gehört auch die Erfassung psychiatrischer Erkrankungen – vor allem bipolarer Störungen – in der Familiengeschichte. Häufig zeigen sich charakteristische Veränderungen der psychomotorischen Aktivität und des Verhaltens. Bei einer Manie/Hypomanie ist oft eine deutliche emotionale Erregung mit ausladenden Gesten zu beobachten, und der Patient hat Mühe, sich ruhig zu verhalten. Die Betroffenen sprechen schnell, sind schwer zu unterbrechen, und die Themen wechseln rasch. Zudem ist häufig unterschwellig oder prädominant eine gereizte Stimmung vorhanden. Bei einer Depression ist der Patient dagegen gedrückter Stimmung und kann den Tränen nahe sein. Bewegungen und Sprache sind häufig verlangsamt oder agitiert. Der Gesprächsinhalt befasst sich vorwiegend mit negativen Assoziationen im Hinblick auf die eigene Person, die Beziehungen zu anderen Menschen und die ganze Welt. Im Rahmen der Diagnosestellung werden die Trigger für manische/depressive Episoden in der Vergangenheit sowie aktuelle psychosoziale Stressoren und deren Auswirkungen auf soziale, persönliche und berufliche Belange evaluiert. Ergänzend sollten Komorbiditäten wie Ängste, körperliche Erkrankungen oder Substanzmissbrauch erfasst und das Suizidrisiko eingeschätzt werden. Zur Identifizierung zurückliegender hypomanischer Phasen können Fragebögen zur Selbstbeurteilung wie der Fragebogen zur Evaluierung von Stimmungsstörungen oder die Checkliste zur Hypomanie mit hinreichender Sensitivität, aber geringer Spezifität hilfreich sein.
656
ARS MEDICI 12 ■ 2013
FORTBILDUNG
Tabelle 1:
Kriterien zur Diagnose der bipolaren Störung auf der Basis von DSM-IV (nach Anderson et al.)
Diagnostische Kriterien für die bipolare Störung Bipolare Störung Typ I*: mindestens eine aktuelle oder zurückliegende manische oder gemischte Episode Bipolare Störung Typ II*: mindestens eine aktuelle oder zurückliegende Episode einer Major Depression und mindestens eine hypomanische Phase (ohne Manie oder gemischte Episode) Die Symptome sind nicht auf eine körperliche Erkrankung oder physiologische Effekte eines Medikaments oder anderer Substanzen zurückzuführen und entsprechen keiner anderen psychischen Störung besser.
Manische Symptome ❖ erhöhte oder gereizte Stimmung ❖ verstärkter zielgerichteter Tatendrang oder psychomotorische
Agitation ❖ vermindertes Schlafbedürfnis ❖ exzessives Ausleben von Freizeitaktivitäten mit wahrscheinlich
negativen Konsequenzen ❖ Selbstüberschätzung oder Grössenwahn ❖ Ideenflut und rasende Gedanken ❖ Zerstreutheit, Ablenkbarkeit
Depressive Symptome ❖ gedrückte Stimmungslage ❖ ausgeprägt reduziertes Interesse an nahezu allen Aktivitäten ❖ verstärkter oder verminderter Appetit oder Gewicht ❖ Insomnie oder Hypersomnie ❖ psychomotorische Retardierung oder Agitation ❖ Fatigue oder Antriebslosigkeit ❖ Gefühle völliger Wertlosigkeit oder Schuldgefühle ❖ Konzentrationsstörungen und Entscheidungsschwäche ❖ wiederkehrende Selbstmordgedanken oder Suizidversuche
Manische Episode: mindestens vier manische Symptome inklusive veränderter Stimmung, die mindestens eine Woche lang andauern und zu ausgeprägten funktionellen Beeinträchtigungen führen; Hospitaleinweisung oder psychotische Symptome
Hypomanische Episode: wie die manische Episode, jedoch weniger ausgeprägt; die Symptome bleiben mindestens vier Tage bestehen, und die Alltagskompetenz ist deutlich verändert, aber nicht so ausgeprägt, dass eine Hospitaleinweisung erforderlich ist oder die Funktionsfähigkeit deutlich eingeschränkt ist; psychotische Symptome sind nicht vorhanden
Episode einer Major Depression: fünf oder mehr persistierende depressive Symptome (depressive Stimmung und vermindertes Interesse müssen vorhanden sein), die mindestens zwei Wochen lang anhalten, an den meisten Tagen vorhanden sind und schweres Leiden oder funktionelle Beeinträchtigungen verursachen
Gemischte Episode: persistierende Stimmungssymptome über mindestens eine Woche, die den Kriterien für eine Manie und eine Major Depression entsprechen, die zu unterschiedlichen Zeiten auftreten oder rasch wechseln
Psychotische Symptome: können bei der bipolaren Störung vom Typ I während einer manischen Episode (entsprechend der Definition jedoch nicht während einer hypomanischen Phase) und während depressiver Phasen bei bipolaren Störungen vom Typ I und II auftreten
* In der ICD-10-Klassifizierung der World Health Organization (WHO) wird nicht zwischen einer Bipolar-Typ-I- und einer Bipolar-Typ-II-Störung unterschieden. Hier ist zusätzlich zu einer einzelnen manischen Episode eine weitere Episode einer veränderten Stimmung erforderlich.
DSM-IV: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fourth Edition; ICD-10: International Classification of Diseases, Tenth Revision
Die Symptome der bipolaren Störung können sich mit denen anderer Störungen und Erkrankungen überschneiden. Zu den Differenzialdiagnosen gehören unipolare Depressionen, Stressreaktionen, Substanzmissbrauch, Persönlichkeitsstörungen, das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), Schizophrenie oder schizoaffektive Störungen und Hirnerkrankungen.
Worin besteht das Management? Die Behandlung der akuten Episode zielt darauf ab, die Symptome zu mindern und das unmittelbare Risiko für den Betroffenen selbst und für andere Personen zu reduzieren. Mit der langfristigen Behandlung sollen zukünftige Episoden verhindert sowie eine Normalisierung der Alltagskompetenz und eine Verbesserung der körperlichen Gesundheit erreicht
werden. Ausserdem hat die langfristige Therapie zum Ziel, das Suizidrisiko zu vermindern. Patienten, die rasch zwischen Manie oder Hypomanie und Depression wechseln, sind ausserordentlich schwer zu behandeln. Bei ihnen ist eine Stabilisierung der Stimmungslage ebenso wichtig wie die Behandlung der akuten Episode. Medikamente sind die Eckpfeiler der Behandlung (Tabelle 2). Die Bedeutung der Medikamente ist bei leichteren Symptomen weniger gesichert. Spezielle Psychotherapien stellen bedeutende unterstützende Massnahmen zur Reduzierung von Rückfällen und zur Behandlung der Depression dar. Weitere entscheidende Elemente des Managements bestehen in einer kontinuierlichen Betreuung, der Behandlung komorbider Störungen und einer Modifizierung rückfallbegünstigender Risikofaktoren wie Alkohol- und Substanzmissbrauch.
658
ARS MEDICI 12 ■ 2013
FORTBILDUNG
Tabelle 2:
Behandlungsoptionen für bipolare Störungen (nach Anderson et al.)
Indikation Manie und vermischte Zustände
Depression
Medikamente gute Evidenz: Antipsychotika als Substanzklasse, Valproinsäure (Convulex®, Depakine®, Orfiril® und Generika), Lithium (Quilonorm® und Generika); Kombination Antipsychotikum + Lithium oder Valproinsäure
wahrscheinliche Evidenz: Carbamazepin (Tegretol® und Generika)
Benzodiazepine werden kurzfristig klinisch zur Behandlung von Agitation und Insomnie angewendet.
gute Evidenz: Quetiapin (Seroquel XR®)
wahrscheinliche Evidenz: Olanzapin + Fluoxetin (Fluctine® und Generika), Olanzapin (Zyprexa® und Generika), Lamotrigin (Lamictal® und Generika)
geringe Evidenz: Antidepressiva
Erhaltung und Prophylaxe*
gute Evidenz: Monotherapie mit Lithium (Manie und Depression), Antipsychotika als Substanzklasse (Manie), Quetiapin (Depression und Manie), Olanzapin (eher Manie als Depression), Lamotrigin (eher Depression als Manie) Kombinationstherapie mit Antipsychotika + Lithium oder Valproinsäure (besser als Lithium oder Valproinsäure gegen Manie), Lithium + Valproinsäure (besser als Valproinsäure gegen Gesamtrückfall), Quetiapin + Lithium oder Valproinsäure (besser als Lithium oder Valproinsäure allein gegen Manie und Depression)
wahrscheinliche Evidenz: Valproinsäure (eher Depression als Manie)
fehlende Evidenz: Carbamazepin
Unterstützende Psychotherapie ruhige Umgebung (klinische Erfahrung)
gute Evidenz: kognitive Verhaltenstherapie, familienzentrierte Therapie wahrscheinliche Evidenz: interpersonelle Psychotherapie
gute Evidenz: Gruppen-Psychoedukation (eher Manie als Depression), familienzentrierte Therapie
wahrscheinliche Evidenz: kognitive Verhaltenstherapie (vor allem bei weniger häufigen Rezidiven), interpersonelle Psychotherapie, kognitive Psychologie (kognitive Verbesserung)
Gute Evidenz: Metaanalysen und randomisierte kontrollierte Studien höherer Qualität; wahrscheinliche Evidenz: inkonsistente oder geringere Wirksamkeit aus Metaanalysen oder randomisierte kontrollierte Studien geringerer Qualität; *überwiegend Studien mit Patienten, die auf eine Initialbehandlung im Rahmen der Erforschung des Medikaments angesprochen hatten.
Welche Rolle spielt die Psychotherapie? Eine Evidenz zur besten Psychotherapie steht noch aus. Psychotherapien haben unterschiedliche Schwerpunkte, alle umfassen jedoch Schulungen zur Erkrankung, zur Behandlungscompliance, zu einem regelmässigen Lebensstil und zu individuellen Präventionsstrategien. Die kognitive Verhaltenstherapie ist zur Identifizierung gefährlicher Ge-
dankenmuster und Verhaltensweisen hilfreich. Die familienzentrierte Therapie zielt darauf ab, die Kommunikation innerhalb der Familie zu verbessern und die Problemlösungskompetenz zu stärken. Die interpersonelle Psychotherapie befasst sich vorwiegend mit Problemen in Beziehungen und Alltagssituationen. Die Psychoedukation vermittelt Informationen zu bipolaren Störungen und fördert das
ARS MEDICI 12 ■ 2013
659
FORTBILDUNG
Selbstmanagement sowie das frühzeitige Erkennen eines drohenden Rezidivs.
Wie wird die manische Episode gehandhabt? Bei der Manie ist häufig eine stationäre Versorgung erforderlich, um das Risiko zu reduzieren und die Behandlung einzuleiten. Bei hochgradig gestörtem Verhalten können Zwangseinweisung und eine Behandlung mit Antipsychotika oder Benzodiazepinen oder mit beiden Substanzklassen für eine rasche Ruhigstellung notwendig sein. Zudem sollte eine übermässige Stimulierung vermieden und eine ruhige Umgebung gewährleistet werden. Zur Behandlung manischer Phasen sind Antipsychotika die Medikamente der ersten Wahl. Antidepressiva sollten während der manischen Phase abgesetzt werden, da sie die erhöhte Stimmungslage noch verstärken können. Gemischte Episoden werden wie eine Manie gehandhabt. Bei der bipolaren Störung vom Typ II liegt der Schwerpunkt vorwiegend auf dem Management der depressiven Phasen. In einer Metaanalyse von 68 randomisierten kontrollierten Studien zu indirekten und direkten Substanzvergleichen erwiesen sich Antipsychotika sowie Lithium, Valproinsäure und Carbamazepin zur Behandlung der akuten manischen Phase im Vergleich zu Plazebo als effektiver. Die wirksamsten Medikamente waren Haloperidol (Haldol®), Risperidon (Risperdal® und Generika) und Olanzapin. Diese Substanzen waren wirksamer als Valproinsäure, und Haloperidol war zudem wirksamer als Lithium. Bei den Antipsychotika der zweiten Generation (Risperidon, Olanzapin und Quetiapin) wurden die wenigsten Behandlungsabbrüche beobachtet. Ist eine Behandlung mit einem Antipsychotikum, mit Valproinsäure oder mit Lithium nicht ausreichend wirksam, können die Medikamente kombiniert werden. Kurzfristig können auch Benzodiazepine für das Management von Agitation oder Insomnie erforderlich sein. Bei resistenter Manie oder häufigen Episodenwechseln kann eine Behandlung mit Clozapin (Clopin®, Leponex®) in Betracht gezogen werden, die Evidenz dazu ist jedoch begrenzt.
Wie wird die depressive Phase gehandhabt? Hier orientiert sich die Behandlung an zuvor bereits angewendeten Medikamenten und an der Notwendigkeit, einen Umschwung zur Manie oder zur Hypomanie zu verhindern. Zur langfristigen Behandlung von Patienten mit leichten Depressionen werden in den Richtlinien eine Optimierung der Dosis sowie eine Überwachung der Stimmungslage empfohlen. Die Evidenz zur Behandlung der bipolaren Depression ist begrenzt. In einer Metaanalyse von 19 randomisierten kontrollierten Studien zur bipolaren Depression zeigte sich für Quetiapin die beste Evidenz im Vergleich zu Plazebo. Olanzapin und eine Kombination von Olanzapin und Fluoxetin und Lamotrigin waren in Einzelstudien ebenfalls wirksam. Letzteres wies jedoch nur eine geringe Effektgrösse auf. In einer neuen Metaanalyse von 15 randomisierten kontrollierten Studien konnte kein signifikanter Nutzen für Antidepressiva zur Behandlung einer bipolaren Depression im Vergleich zu Plazebo nachgewiesen werden. In den Richtlinien wird empfohlen, Antidepressiva immer mit einem antimanischen Medikament zu kombinieren, um das Risiko einer Desta-
bilisierung der Stimmungslage zu minimieren. Hier sind selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer die Medikamente der ersten Wahl, da sie mit der geringsten Wahrscheinlichkeit zu einem Umschwung zur Manie führen. Zudem wird empfohlen, die Medikamente nach Abklingen der depressiven Symptome wieder abzusetzen, es sei denn, der Patient profitiert von einer dauerhaften Behandlung.
Wie gestalten sich Stabilisierung und Prophylaxe? Zur Prophylaxe weiterer Episoden ist es von grosser Bedeutung, den Patienten so zu unterstützen, dass er informierte Entscheidungen treffen kann. Dazu ist ein Verständnis der Erkrankung und der Behandlung erforderlich. Der Patient sollte seine individuellen Trigger für einen Rückfall identifizieren können, die Rolle der Medikamente bei der Verhinderung einer Exazerbation kennen sowie in der Lage sein, funktionelle und symptomatische Ziele zu formulieren. Für viele Betroffene ist das mit einer bipolaren Störung verbundene Stigma ein Problem, und einigen fällt es schwer, die Notwendigkeit einer längerfristigen Behandlung zu akzeptieren. Das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) empfiehlt bei bipolarer Störung vom Typ I eine dauerhafte Behandlung nach zwei akuten Episoden oder einer Einzelepisode mit ernsthaften Konsequenzen sowie bei bipolarer Störung vom Typ II bei häufigen Rückfällen, funktioneller Beeinträchtigung oder Suizidgefahr. Die Auswahl der Medikamente zur Prophylaxe orientiert sich am prädominanten Muster des Rezidivs (siehe Tabelle 2). Die Beendigung einer langfristigen Behandlung erfolgt schrittweise und unter der Aufsicht eines Spezialisten. Anschliessend ist eine Beobachtungsphase erforderlich, um frühe Anzeichen eines Rezidivs identifizieren zu können. Allen Patienten, die eine Langzeittherapie benötigen, sollte ergänzend eine Psychoedukation angeboten werden. Weitere psychologische Behandlungen sind bei komorbiden Symptomen wie Ängsten oder bei persistierenden sozialen, funktionalen oder kognitiven Beeinträchtigungen angebracht.
Wie ist die Prognose?
Die meisten Patienten erholen sich von einer ersten Episode,
bei etwa 80 Prozent kommt es jedoch innerhalb von fünf bis
sieben Jahren zu einem Rückfall. Die meisten Patienten erlei-
den drei oder mehr Episoden innerhalb von 20 Jahren, und
das Risiko bleibt bis ins hohe Alter bestehen. Bei Patienten
mit frühem Beginn und ausgeprägten Episoden ist der Ver-
lauf insgesamt schwerer. Die Behandlung ist im frühen
Krankheitsverlauf wirksamer als in späteren Stadien, was die
Bedeutung einer frühzeitigen langfristigen Behandlung her-
vorhebt. Allerdings wird bei vielen Patienten auch ein gutes
klinisches Ergebnis erreicht, und sie können ein normales
Leben führen, müssen sich jedoch immer der Gefahr eines
Rezidivs bewusst sein.
❖
Petra Stölting
Anderson I et al.: Bipolar disorder. BMJ 2012; 345: e8508.
Interessenkonflikte: Die Autoren haben für die Erstellung des Reviews keine finanzielle Unterstützung von Dritten erhalten. Im Übrigen erhielten die Autoren Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen.
660
ARS MEDICI 12 ■ 2013