Transkript
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Berichte, Studien, Innovationen
COPD: Was kostet eine Exazerbation?
Kosten-Nutzen-Aspekte von Tiotropium im Vergleich mit Salmeterol
Bei der Entscheidung für eine Dauermedikation bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung spielen einerseits eine effektive Symptomkontrolle und das Verhindern von Exazerbationen eine wichtige Rolle, aber auch Kostenaspekte müssen berücksichtigt werden.
EUROPEAN RESPIRATORY JOURNAL
In den Anfangsstadien einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) genügt zur Symptomkontrolle eine am Bedarf orientierte Behandlung mit kurz wirksamen Beta-2-Agonisten. Im Management der mittelschweren bis sehr schweren COPD jedoch (GOLD-[Global Strategy for the Diagnosis, Management, and Prevention of COPD]-Stadien II–IV, siehe Tabelle) sehen internationale Guidelines eine Langzeitpharmakotherapie mit lang wirksamen inhalativen Bronchodilatatoren vor, um Symptome zu lindern, den Gesundheitszustand zu erhalten sowie vor allem Exazerbationen vorzubeugen. Ob dabei ein lang wirksames Anticholinergikum, nämlich Tiotropium, oder eher ein lang wirk-
samer Beta-2-Agonist (LABA) zum Einsatz kommen soll, geht aus den aktuellen Therapieempfehlungen nicht hervor. Das lang wirksame Antimuskarinikum Tiotropium hatte sich in einer Vergleichsstudie zur Prävention von Exazerbationen einer COPD (Vogelmeier C et al., NEJM 2011; 364: 1093–1103) als effektiver erwiesen als ein lang wirksames Beta-2Mimetikum. In einer neuen Studie werden nun beide Therapieoptionen unter wirtschaftlichen Aspekten neu bewertet.
Studiendesign Die aktuelle Kosteneffektivitätsstudie basiert auf Daten der über ein Jahr angelegten POET-COPD-Studie, einer direkten Vergleichsstudie zwischen dem lang wirksamen Anticholinergikum Tiotropium (18 µg 1-mal täglich) und dem lang wirksamen Betaagonisten Salmeterol (50 µg 2-mal täglich) bei Patienten mit einer mittelschweren bis sehr schweren COPD. Eingeschlossen waren 7376 Patienten mit mittelschwerer bis sehr schwerer COPD, die mindestens eine Exazerbation im Vorjahr erlitten hatten. Eine klinische Untersuchung der Studienteilnehmer erfolgte nach 2, 4, 8 und 12 Monaten, dazu kamen 8 Telefoninter-
Tabelle:
Stadieneinteilung der COPD
GOLD*-Stadien
Spirometrie
Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV
Leichte COPD Mittelschwere COPD Schwere COPD Sehr schwere COPD
FEV1/FVC < 0,70 FEV1/FVC < 0,70 FEV1/FVC < 0,70 FEV1/FVC < 0,70 FEV1 ≥ 80% FEV1 50–79% FEV1 30–49% FEV1 < 30% oder < 50% mit chronischer respiratorischer Insuffizienz FEV1: forcierte Einsekundenkapazität; FVC: forcierte Vitalkapazität * Global Strategy for the Diagnosis, Management, and Prevention of COPD, www.goldcopd.org/guidelines-global-strategy-for-diagnosis-management.html Merksätze • In den GOLD-Stadien II–IV sind lang wirksame inhalative Bronchodilatatoren Mittel der ersten Wahl. • Das Anticholinergikum Tiotropium reduziert die Häufigkeit und die Dauer von Exazerbationen effektiver als lang wirksame Beta-2-Agonisten (LABA). • Eine Behandlung mit Tiotropium ist teurer als mit Salmeterol. • Tiotropium scheint unter Kosten-Nutzen-Aspekten eine gute Wahl, denn es reduziert exazerbationsbedingte Kosten sowie Kosten durch Produktivitätsverlust am Arbeitsplatz. views, in denen die absolute Anzahl der Exazerbationen, die Dauer der Exazerbationsepisoden sowie Fehltage am Arbeitsplatz ermittelt wurden. Eine Therapie mit Tiotropium verzögerte nicht nur den Zeitpunkt bis zum Auftreten einer Exazerbation um 42 Tage, sondern reduzierte das Exazerbationsrisiko um 17 Prozent im Vergleich zu Salmeterol. Unter Tiotropium dauerte eine Exazerbation im Schnitt 9 Tage im Vergleich zu 10 Tagen unter Salmeterol. Kosten einer Exazerbation Die Prävention von Exazerbationen ist eines der wichtigsten Ziele in der Behandlung von Patienten mit COPD. Nun wurde untersucht, welche tatsächlichen Kosten mit einer akuten Verschlechterung einer COPD einhergehen. Die Kosten einer Langzeittherapie mit Tiotropium sind etwas höher als die für Salmeterol. Unter Tiotropium werden jedoch exazerbationsbedingte Ausgaben eingespart sowie weniger Kosten durch Fehltage verursacht. Für die Kosteneffektivitätsanalyse wurde die inkrementelle Kosten-Nutzen-Relation ermittelt. Dazu werden Gesamtkosten für beide Therapieoptionen berechnet, und die Differenz der Gesamtkosten wird geteilt durch die durchschnittliche Zahl der Exazerbationen pro Medikament bezeihungsweise durch die durchschnittliche Dauer einer Exazerbation. Die errechnete Zahl gibt an, wie hoch die zusätzlichen Kosten pro erreichtem Ziel sind. So wurden die Kosten pro verhinderter Exazerbation mit 1961 Euro beziehungsweise mit 118 Euro pro eingespartem Tag bei Verkürzung einer Exazerbation beziffert. 620 ARS MEDICI 11 ■ 2013 Berichte, Studien, Innovationen ARGUS PHARMAKOTHERAPIE In der Kosteneffektivitätsanalyse wurden Medikamentenkosten sowie durch Exazerbationen entstandene Ausgaben für Konsultationen in der Notaufnahme, stationäre Behandlungen und zusätzliche Medikamente berücksichtigt. In einer modellbasierten Analyse wurden schliesslich die Therapiekosten über fünf Jahre geschätzt. Zusätzlich diente für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit einer Therapie mit Tiotropium die Frage nach den Kosten pro qualitätsangepasstem Lebensjahr (QALY). Ein QALY ist rechnerisch ein zusätzliches Lebensjahr in optimaler Gesundheit. Die Fünfjahreskosten pro qualitätsadjustiertem Lebensjahr mit Tiotropium im Vergleich zu Salmeterol belaufen sich auf etwas unter 10 000 Euro und werden damit von den Autoren als kosteneffektiv und als für die Gesellschaft akzeptabel bewertet. Fazit Patienten mit einer mittelschweren bis sehr schweren COPD profitieren von einer Therapie mit dem lang wirksamen inhalativen Anticholinergikum Tiotropium. Die aktuelle Studie hat gezeigt, dass eine Therapie mit Tiotropium sowohl Exazerbationen einer COPD als auch daraus resultierende Kosten zu reduzieren vermag, die Gesamt- ausgaben jedoch in einem vertretbaren Ausmass erhöht. ❖ Anka Stegmeier-Petroianu Hoogendoorn M et al.: Cost-effectiveness of tiotropium versus salmeterol. The POET-COPD trial. Eur Respir J 2013; 41: 556–564. Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, Forschungsunterstützung sowie Honorare für Vorträge und die Teilnahme an Advisory Boards von diversen pharmazeutischen Unternehmen erhalten zu haben. Die Studie wurde finanziell unterstützt von Boehringer Ingelheim, und einige der Autoren sind Mitarbeiter dieses Unternehmens, welches u.a. den Wirkstoff Tiotropium herstellt. ARS MEDICI 11 ■ 2013 621