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FORSCHUNG
Eine fixe Kombination von Pflanzenextrakten (Ze 185) bei somatoformen Störungen1
Ergebnisse einer klinischen Studie
Wechselnde und anhaltende körperliche Beschwerden können im Rahmen von somatoformen Störungen zu erheblichen Leiden und einer Einschränkung der Lebensqualität führen. In einer konfirmatorischen klinischen Studie wurde die Wirksamkeit einer fixen Kombination von Baldrian, Passionsblume, Melisse und Pestwurz (Ze 185) an 182 Patienten mit somatoformen Störungen untersucht. Ze 185 war Plazebo signifikant überlegen sowohl in der Reduktion von Ängstlichkeit als auch in seiner antidepressiven Wirkung.
R. Saller, U. Koetter, A. Brattström
1 Zweitpublikation mit freundlicher Genehmigung der Autoren. Originalpublikation in ARS MEDICI 21/2005: 985 ff.
Einleitung
Anhaltendes Klagen über wechselnde körperliche Symptome, die durch keine diagnostizierbaren körperlichen Krankheiten erklärt werden können, sind typisch für somatoforme Störungen. Der Leidensdruck der Betroffenen kann erheblich sein. Die Beschwerden werden besonders intensiv erlebt beim Zusammentreffen mit unangenehmen Lebensereignissen, Schwierigkeiten oder Konflikten. Depressive Symptome und Angstsymptome prägen das Erscheinungsbild. Die Betroffenen sind häufig davon überzeugt, den Forderungen aus Beruf, Familie und sozialem Umfeld nicht gewachsen zu sein, und fürchten zu versagen. Zur Behandlung solcher Zustandsbilder werden traditionell häufig pflanzliche Zubereitungen aus Baldrian, Passionsblume und Melisse eingesetzt, zumeist in Zweier- oder Dreierkombinationen. Die beruhigende und Angst lösende Wirkung von Extrakten aus den genannten Pflanzen gilt als empirisch belegt (1–4). Die Firma Max Zeller Söhne AG produziert und vertreibt eine fixe Kombination aus Baldrian, Passionsblume und Melisse, der zusätzlich noch ein Extrakt aus der Pestwurzpflanze zugefügt ist (Ze 185). Diese Viererkombination wurde bezüglich Angst und kognitiver Funktionen in Prüfungssituationen als überlegen gegenüber Plazebo geprüft. Die Überlegenheit ergab sich insbesondere bei der situativen Angst (5). Ze 185 wird entsprechend auch als pflanzlicher Tagestranquilizer eingesetzt und wurde in dieser Indikation mit Oxazepam bei Patienten mit psychovegetativen Beschwerden verglichen (6). Klinische Skalen zeigten nach einer 20-tägigen Behandlung deutliche Verbesserung des Angst- und Depressionsgrades an. Der klinische Gesamtzustand verbesserte sich signifikant. Die mittels elektrodermaler Aktivität beurteilte Stressreaktion ist unter Ze 185 deut-
lich geringer ausgeprägt als unter Oxazepam.
Fragestellung und Methodik
In der vorliegenden Studie wurde der Frage nachgegangen, ob die beruhigende und Angst lösende Wirkung bereits allein durch die Dreierkombination zu erklären sei, oder ob der Zusatz des Wurzelextraktes aus der Pestwurz zu einer nachweisbaren Wirkungssteigerung führt. Es handelt sich demnach um eine Plausibilitätsprüfung. Die klinische Prüfung, die an zwei grossen Prüfzentren in Deutschland durchgeführt wurde, war prospektiv, randomisiert und doppelblind im Parallelgruppenvergleich angelegt. In die Studie wurden 182 Patienten eingeschlossen. Die Einschlusskriterien ergaben sich aus der International Classification of Diseases (ICD-10, F 45.0 und F 45.1). Da Depression und generalisierte Angst Leitsymptome bei somatoformen Störungen sind, dienten diese Parameter zur Erfolgsbeurteilung. Die Ängstlichkeit wurde mittels einer Visual Analogue Scale (VAS) erfasst und die Ausprägung der Depression anhand des Beck’schen Depressioninventars (BDI) bestimmt. Die Therapiedauer betrug zwei Wochen.
Ergebnisse
In beiden Zielparametern waren sowohl Ze 185 als auch die Dreierkombination (Ze 185 ohne Pestwurzwurzelextrakt) Plazebo überlegen. Weiterhin war Ze 185 der reinen Dreierkombination überlegen (Tabelle 1). Damit gelang der Nachweis, dass der Zusatz von Pestzwurzelextrakt zu der Dreierkombination einen zusätzlichen, klinisch relevanten Nutzen generiert. Ausserdem wurde die bisher nur als empirisch wirksam betrachtete Dreierkombination (Baldrian, Passionsblume und Melisse) zum ersten Mal in einer konfirmatorischen
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Tabelle 1:
Überlegenheit sowohl von Ze 185 als auch der Dreierkombination gegenüber Plazebo bei Patienten mit somatoformen Störungen (ICD 10, F45.0; Fa 45.1); Ze 185 ist der Dreierkombination ebenfalls signifikant überlegen.
Ze 185/Plazebo 3er-Kombination/Plazebo Ze 185/3er-Kombination Summe der Patienten
n
63 58 61 182
VAS (Ängstlichkeit) p-Wert 0,001 0,007 0,024
BDI (Depression) p-Wert 0,001 0,019 0,012
Tabelle 2:
Einschätzung der Wirksamkeit der Therapie durch die Patienten auf einer 5stufigen Skala
Ze 185/Plazebo 3er-Kombination/Plazebo Ze 185/3er-Kombination Total
n
63 58 61 182
Besserung (Tag 14 vs., Beginn) p-Wert 0,001 0,001 0,002
Prüfung als klinisch wirksam geprüft (Abbildung 1). Die Patienten beurteilten die therapeutische Wirksamkeit auf einer 5-stufigen Skala (vollständige Besserung/deutliche Besserung/mässige Besserung/leichte Besserung/keine Besserung bzw. Verschlechterung). In beiden Patientengruppen, die entweder Ze 185 oder die Dreierkombination erhielten, ergab sich eine signifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo. Zusätzlich war Ze 185 signifikant der Dreierkombination überlegen (Tabelle 2).
Weiterhin wurde die Responderrate ermittelt, wobei diejenigen Patienten als Responder gewertet wurden, bei denen sich der Ausgangswert um mindestens 25 Prozent verbessert hatte (Abbildung 2). In beiden Patientengruppen, die entweder Ze 185 oder die Dreierkombination erhielten, war die Anzahl der Responder signifikant höher als in der Plazebogruppe. Die hohe Responderrate in der Plazebogruppe ist für diese Indikation nicht überraschend. Auch hierbei erwies sich der Zusatz von Pestwurzwurzelextrakt als wirkungsvoll, die Re-
sponderrate von Ze 185 ist jener der Dreierkombination signifikant überlegen.
Diskussion
Allgemein wird den in der Dreierkombination beteiligten Pflanzenextrakten ein beruhigender und Angst lösender Effekt nachgesagt. Adenosin wurde als Angst lösende Komponente bereits in anderen Pflanzenextrakten nachgewiesen (7). Für Baldrian konnte kürzlich gezeigt werden, dass Inhaltsstoffe aus der Gruppe der Lignane sich an den Adenosinrezeptor binden und dort eine partiell agonistische Aktion auslösen (8). Die dem Adenosin vergleichbare Aktion wurde in Untersuchungen an Brainslices bestätigt. Durch Koffein induzierte Veränderungen im EEG, die eine Aktivitätssteigerung reflektieren (Arousal), liessen sich durch Gabe einer fixen Baldrian-Hopfen-Kombination (Ze 91019) aufheben, wodurch neben der Bioverfügbarkeit nach oraler Verabreichung auch die Wirkung am Zielorgan mittels objektiver Methoden belegt ist (9). Für weitere Inhaltsstoffe im Baldrian wurden Wirkungen am Zentralnervensystem beschrieben. Mittels elektrophysiologischer Technik wurden für Baldrianextrakte und einzelne Inhaltstoffe GABA-ähnliche Wirkungen nachgewiesen. Ein Inhaltsstoff, der möglicherweise die GABA-Wirkung induziert beziehungsweise moduliert, könnte Valerensäure sein (10). Auch Flavonoide werden mit der sedierenden Aktivität des Baldrians in Verbindung gebracht (11). Für die Passionsblume liegen ebenfalls pharmakologische Untersuchungen vor, die einen beruhigenden und Angst lösenden Effekt beschreiben (12). In einer klini-
Abbildung 1: Relative Änderung der primären Zielgrösse Beck’sches Depression-Inventar (BDI) und der Ängstlichkeit mittels Visual Analog Scale (VAS). Sowohl Ze 185 als auch die Dreierkombination sind Plazebo signifikant überlegen. Ze 185 ist der Dreierkombination ebenfalls signifikant überlegen.
Abbildung 2: Relativer Anteil von Respondern und Non-Respondern in den 3 geprüften Patientengruppen. Sowohl Ze 185 als auch die Dreierkombination sind Plazebo signifikant überlegen. Ze 185 ist der Dreierkombination ebenfalls signifikant überlegen.
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schen Studie an Patienten mit generalisier-
ter Angststörung erwies sich Passiflora in-
carnata vergleichsweise wirksam wie Oxa-
zepam (13). Die Autoren favorisierten
Passionsblumenextrakt im Vergleich zu
Benzodiazepinen bei generalisierten
Angststörungen. Vieles spricht dafür, dass
mindestens ein Teil der anxiolytischen Ef-
fekte durch Beeinflussung der GABA-ergen
Aktion im Zentralnervensystem zu Stande
kommt (12).
Für die Melisse, welche in den letzten Jah-
ren als Monoextrakt an freiwilligen Pro-
banden intensiv untersucht wurde, konn-
ten Einflüsse vor allem auf das
zentralnervöse cholinerge System nachge-
wiesen werden, welches für kognitive Pro-
zesse und Stimmungen verantwortlich
zeichnet (14).
Für Ze 185 liegen bereits zwei Humanstu-
dien vor, die eine zentralnervöse Wirkung
belegen (5, 6). Mit der vorliegenden Studie
wurde plausibel nachgewiesen, dass der
Pestwurzwurzelextrakt einen eigenständi-
gen Beitrag zu der zentralnervösen Ge-
samtwirkung liefert. Die empirisch gefun-
dene Sinnfälligkeit der Zumischung eines
Pestwurzwurzelextraktes in Ze 185, die sich
seit mehr als zwölf Jahren im Markt bestä-
tigt, wurde mit dieser konfirmatorischen
Studie zusätzlich untermauert. Ein Vorteil
der Verwendung der fixen Extraktkombi-
nation zur Therapie somatoformer Störun-
gen dürfte die fehlende zeitliche Beschrän-
kung der Einnahmedauer sein.
◆
Anschrift der Verfasser: Prof. Dr. med. Reinhard Saller (Korrespondenzadresse) Institut für Naturheilkunde UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich E-Mail: reinhard.saller@usz.ch
Dr. Uwe Koetter Prof. Dr. med. Axel Brattström Max Zeller Söhne AG, Romanshorn
Angaben zum im Artikel besprochenen Präparat
Markenname in der Schweiz: Relaxane®
Vertrieb in der Schweiz: Zeller Medical AG
Tagestherapiekosten: Fr. 1.44 (wirtschaftlichste Packung)
Krankenkassenkategorie: SL
SL = Spezialitätenliste C = Komplementärliste/
Zusatzversicherung N = Negativliste H = keiner Kategorie zugeordnet
Kontaktadresse für weitere Informationen über das Produkt: Zeller Medical AG 8590 Romanshorn E-Mail: info@zellerag.ch
Literaturreferenzen: 1. Melissae folium (Melissa Leaf), ESCOP Monographs, 2nd edition, 324–328, Thieme (2003). 2. Passiflorae herba (Passion Flower), ESCOP Monographs, 2nd edition, 359–364, Thieme (2003). 3. Valerianae radix (Valerian Root), ESCOP Monographs, 2nd edition, 539–546, Thieme (2003). 4. Am Botanical Council, www.herbalgram.org (2000). 5. Steiner G, Opwis K; Wirkung von Relax auf Angst und kognitive Leistungsfähigkeit. ARS MEDICI 25/26: 1562–1567 (2000). 6. Schellenberg R, Sauer S, Brattström A; Pflanzlicher Tagestranquilizer Ze 185 und Oxazepam im klinischen und neurophysiologischen Vergleich bei Patienten mit psychovegetativen Beschwerden. Zeitschrift für Phytotherapie 25: 289–295 (2004). 7. Okuyama E, Fbihara H, Takeuchi H, Yamazaki M; Adenosine, the anxiolytic-like principle of the Arillus of Euphoria longana. Planta Medica 65: 115–119 (1999). 8. Müller CE, Schumacher B, Brattström A, Abourashed EA, Koetter U; Interaction of valerian extracts and a fixed valerian-hop extract combination with adenosine receptors. Life Sciences 71: 1939–1949
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9. Schellenberg R, Sauer S, Abourashed EA, Koetter U, Brattström A; The fixed combination of valerian and hops (Z291019) acts via a central adenosine mechanism. Plante Medica 70: 594–597 (2004).
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Interessenlage: Die Studie wurde von der Firma Max Zeller Söhne AG konzipiert, finanziert und ausgewertet.
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