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Berichte, Studien, Innovationen
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
FORUM
Blutdrucksenkung bei Therapieresistenz: Von der Stange oder massgeschneidert?
Eine sogenannte therapieresistente Hypertonie lässt sich mit einer Kombinationsbehandlung, bestehend aus einem Kalziumkanalblocker plus einem Angiotensin-IIAntagonisten plus einem Diuretikum, in vielen Fällen gut einstellen.
ANTOINETTE PECHÈRE-BERTSCHI
Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie liegt in der Erwachsenenbevölkerung bei fast 40 Prozent. Sie stellt die häufigste Diagnose in einer allgemeinmedizinischen Praxis dar und bildet die Hauptursache für die Verschreibung von Medikamenten. Die arterielle Hypertonie ist der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor für koronare Herzkrankheit, zerebrovaskuläre Ereignisse und chronische Niereninsuffizienz. Diese theoretisch einfach diagnostizierbare und beherrschbare Erkrankung wird leider zu wenig erkannt und unzureichend behandelt. Ein nicht zu vernachlässigender Anteil der behandelten Patienten gilt als resistent gegenüber einer medikamentösen Therapie. Eine therapieresistente Hypertonie ist definiert als Bluthochdruck, der trotz Therapie mit drei oder mehr Hochdruckmedikamenten, darunter ein maximal dosiertes Diuretikum, bei einem Wert von ≥ 140/90 mmHg liegt. Ihre Prävalenz wird auf 3 bis 34 Prozent geschätzt. Die therapieresistente Hypertonie könnte aufgrund der zunehmenden Häufigkeit von Diabetes mellitus, Schlafapnoesyndrom, Adipositas und Nierenerkrankungen sowie aufgrund der alternden Bevölkerung weiter steigen. In ätiologischer Hinsicht handelt es sich wegen der zahlreichen Komorbiditäten und Risikofaktoren um eine sehr heterogene Erkrankung. Bei der Diagnosestellung sind auch Phänomene wie Weisskittelhypertonie, Pseudoresistenz, sekundäre Hypertonie, Salz- und Alkoholkonsum, die Einnahme blutdrucksteigernder Medikamente, die langfristige Therapietreue sowie eine inadäquate Auswahl oder Dosierung von Medikamenten zu berücksichtigen.
Medikamentöse Therapie bei therapieresistenter arterieller Hypertonie In medikamentöser Hinsicht kann das Management einer therapieresistenten arteriellen Hypertonie durch eine Kombination mehrerer blutdrucksenkender Wirkstoffe verbessert werden, da diese ihre Wirksamkeit erhöht. Die komplexe Natur der zu einer Hypertonie führenden Mechanismen bewirkt, dass durch eine Kombination von Medikamenten, die in synergistischer und komplementärer Weise auf unterschiedliche pathophysiologische Ziele einwirken, der Anteil der Patienten steigt, bei denen die Erkrankung rasch unter Kontrolle gebracht werden kann; zudem kann dadurch einem Gewöhnungseffekt entgegengewirkt werden. In einer Metaanalyse mit 11 000 Hypertonikern aus 42 Studien stellten Wald et al. fest, dass die Kombination von zwei blutdrucksenkenden Medikamenten in niedriger Dosierung zu einer Senkung des arteriellen Blutdrucks führt, die fünfmal stärker ist als bei einer Verdopplung der Dosis eines einzelnen Arzneimittels (1). Allerdings dürfen keine Medikamente derselben Klasse mit identischem Wirkmechanismus kombiniert werden (z.B. ACE-Hemmer + Sartan oder + Betablocker). In der Studie TRINITY führte
eine Dreifachfixkombination aus Olmesartan 40 mg + Amlodipin 10 mg + HCTZ 25 mg (Vascord® HCT) zu einer noch deutlicheren klinischen Blutdrucksenkung als eine Behandlung mit den Zweifachkombinationen Olmesartan 40 mg + Amlodipin 10 mg (Vascord®) beziehungsweise Olmesartan 40 mg + HCTZ 25 mg (Votum® plus). Diese durchaus logischen Ergebnisse wurden mit einem randomisierten, doppelblinden Studiendesign mit parallelen Gruppen erzielt, an dem 2492 Patienten mit mässiger arterieller Hypertonie teilnahmen. Es wurde zudem kein klinisch relevanter Unterschied bezüglich des Auftretens von Nebenwirkungen zwischen Zweierkombination und Dreierkombination der Wirkstoffe festgestellt (2) (Abbildung).
Zweifach- und Dreifachfixkombinationstherapien für eine bessere Compliance Therapien, bei denen zwei oder drei Wirkstoffe kombiniert werden, können zusätzliche positive Effekte haben, da sowohl die Compliance, das heisst die Qualität der Medikamenteneinnahme und die Einhaltung des verschriebenen Dosierungsschemas, als auch die «Persistenz» verbessert werden, das heisst der Zeitraum, in dem sich der Patient ab der ersten Einnahme an
Mittlere LS-Veränderung des Blutdrucks (mmHg)
0 -5 – -10 – -15 – -20 – -25 – -30 – -35 – -40 –
SeDBP
-15.1
-18.0 -16.9 **
* -21.8
*†
■ OM 40 mg/AML 10 mg (n = 624) ■ OM 40 mg/HCTZ 25 mg (n = 627) ■ AML 10 mg + HCTZ 25 mg (n = 593) ■ OM 40 mg + AML 10 mg + HCTZ 25 mg (n = 614)
SeSBP
-27.5
-30.0 -29.7
*
**
-37.1
*†
Abbildung 1: Mittlere (SE) «Least-square» (LS, Methode der kleinsten Quadrate)-Veränderung gegenüber der Baseline bei jeweils im Sitzen durchgeführter diastolischer (SeDBP) und systolischer Blutdruckmessung (SeSBP) nach zwölfwöchiger Behandlung mit einer Zweifach- oder DreifachKombinationstherapie (OM: Olmesartan medoxomil, AML: Amlodipinbesilat, HCTZ: Hydrochlorothiazid, * p < 0,001 vs. Baseline, † p < 0,001 vs. jede Zweifach-Kombinationstherapie) (2) ARS MEDICI 10 ■ 2013 545 ARGUS PHARMAKOTHERAPIE Berichte, Studien, Innovationen die Verordnung hält. Diese Vorteile gehen mit einer Verringerung des kardiovaskulären Risikos einher. Zudem enthalten gut gewählte Arzneimittelkombinationen bei fast allen Patientengruppen, zumindest bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, einen Wirkstoff, der die Renin-Angiotensin-Kaskade blockiert. Mehr als Blutdrucktherapie allein: zusätzlicher Gefässschutz Die durch die Hypertonie hervorgerufenen Strukturveränderungen in den kleinen und grossen Arterien können selbst in frühen Stadien zu einer Schädigung von Organen wie Gehirn, Herz oder Nieren führen und somit die kardiovaskuläre Morbidität erhöhen. Moderne Strategien sollten daher nicht nur den arteriellen Blutdruck senken, sondern auch die Struktur und die Funktion der Gefässe normalisieren. In einer Studie mit 247 Patienten, die an stabiler Angina pectoris sowie Hypertonie litten und sich einer Koronarangiografie unterzogen, wurden die gesunden Gefässe mittels IVUS (Intra-Vascular Ultrasound) beobachtet. Die Patienten wurden mittels Zufallsverfahren einer Behandlung mit Olmesartan (Votum®) oder Plazebo zusätzlich zur herkömmlichen Therapie zugewiesen. Nach 14 Monaten war der Fortschritt der Atherosklerose unter Sartantherapie weniger stark; bestätigt wurde dieses Ergebnis selbst nach 4 Jahren durch eine Verbesserung der Überlebensrate ohne Vorkommen eines kardiovaskulären Ereignisses (3, 4). Eine andere Studie (MORE) untersuchte bei 165 Hypertonikern im Stadium I–II mittels Ultraschalls die Wanddicke (IntimaMedia-Dicke) der Carotis und die Volumenveränderungen der atherosklerotischen Plaque. Die Patienten wurden einer Behandlung mit Olmesartan 20–40 mg/Tag (Votum®) oder mit Atenolol 50–100 mg/ Tag zugeteilt. Das primäre Evaluierungskriterium, das heisst die Veränderung der Intima-Media-Dicke der A. carotis communis, war mit beiden Medikamenten gleich, aber nur Olmesartan (Votum®) führte zu einer signifikanten Verringerung des Volumens der grösseren atherosklerotischen Plaques (5). Der direkte Einfluss der Sartane und ACEHemmer auf entzündungsfördernde Hormone wie zum Beispiel Angiotensin II führt zu erwiesenen Effekten auf biochemische Entzündungsmarker wie CRP, TNF-alpha und Interleukin 6. In einer Studie führte Olmesartan (Votum®) allein zu einer signi- fikanten Senkung des kardiovaskulären Entzündungsniveaus – und dies bereits ab Woche 6. Dieser Effekt konnte mit einer Kombination aus Olmesartan (Votum®) und Pravastatin noch verstärkt werden. Pravastatin allein senkte die Entzündungsmarker nicht signifikant. Damit konnte der Schluss gezogen werden, dass die Absenkung der Entzündungsmarker auf Olmesartan (Votum®) zurückzuführen ist (6). Schweizer Studie zur Epidemiologie therapieresistenter arterieller Hypertonie In Genf (HUG), Lausanne (CHUV) und Luzern (Kantonsspital) wird derzeit eine Studie durchgeführt, deren Ziel es ist, die Epidemiologie der therapieresistenten arteriellen Hypertonie zu beschreiben. Im Rahmen dieser Studie wird eine Onlinedatenbank erstellt, an der mehrere Schweizer Zentren beteiligt sind (RAHYCO), um die pathophysiologischen Mechanismen dieser Erkrankung besser zu verstehen und ihre Behandlung zu verbessern. Ein weiteres Ziel besteht in der Untersuchung der Machbarkeit einer standardisierten Behandlung der therapieresistenten Hypertonie. Vor der Aufnahme in die Studie waren die Patienten auf herkömmliche Weise auf eine sekundäre AHT sowie auf Ursachen für die Behandlungsresistenz untersucht worden. Im Expertenkonsens wurde eine Kombination gewählt aus drei Arzneimittelklassen, bestehend aus einem Kalziumkanalblocker (Amlodipin) und einem Angiotensin-IIAntagonisten (Olmesartan) – als Fixkombination gegeben – sowie einem Thiaziddiuretikum (Chlorthalidon), da es sich hierbei um wirksame und gut verträgliche Arzneimittel handelt. Die Therapeutika werden mithilfe eines elektronischen Medikamentenspenders verabreicht, mit dem die Therapietreue gemessen werden kann (MEMS®). Wenn die Blutdruckzielwerte nicht erreicht werden, wird zusätzlich das Diuretikum Spironolacton 25 bis 50 mg/Tag verschrieben. Aufklärungsmassnahmen vervollständigen das Hypertoniemanagement, wie zum Beispiel Gespräche mit spezialisierten klinischen Pflegefachkräften sowie mit Apothekern im Rahmen von Motivationsgesprächsschulungen. Besonders betont wird in den Patientengesprächen die Bedeutung der Therapietreue, das Wissen über die Krankheit sowie die Notwendigkeit, lebenslang auf Lebensstil und Ernährung zu achten. Die ersten Resultate sind ermutigend und zeigen, dass bei den meisten Patienten (17 von 20) eine Normalisierung des arteriellen Blutdrucks eintritt, sofern die Medikamen- te der Kombinationstherapie tatsächlich eingenommen werden. Bei den restlichen 3 Patienten traten mehrere Unverträg- lichkeiten auf. Therapietreuen Patienten, bei denen der Blutdruck nicht unter Kon- trolle gebracht werden kann, wird letztlich eine renale Denervierung durch Sympa- thektomie vorgeschlagen. Die intensive, motivierende Betreuung mit häufigeren Konsultationen als üblich spielt sicherlich eine grosse Rolle bei diesen ausgezeichne- ten Ergebnissen. Diese Resultate zeigen, dass mittels inten- siver Betreuung bei therapieresistenter arterieller Hypertonie vieles möglich ist. Allerdings muss man ausreichend Zeit und Ressourcen zur Verfügung haben für diese individuell zugeschnittene Behandlung «von der Stange». Die Kombination aus Olmesartan/Amlodipin und einem Diureti- kum ist dabei fester Bestandteil unserer the- rapeutischen Therapieentscheidung und zeigt eine gute Wirksamkeit und Verträg- lichkeit. ❖ Prof. Dr. med. Antoinette Pechère-Bertschi Abteilung für Hypertonie Universitätsspital Genf E-Mail: antoinette.pechere@hcuge.ch Interessenkonflikt: Die Autorin erstellte den Beitrag im Auftrag der Firma Menarini. Die Publikation erfolgt ohne Einflussnahme oder Unterstützung der Firma. Literaturnachweis: 1. Wald DS et al. Combination therapy versus monotherapy in reducing blood pressure: meta-analysis on 11 000 participants from 42 trials. Am J Med. 2009; 122(3): 290–300. 2. Oparil S et al. Triple Therapy with Olmesartan Medoxomil, Amlodipine Besylate, and Hydrochlorothiazide in Adult Patients with Hypertension: The TRINITY Multicenter, Randomized, Double-Blind, 12-Week, Parallel-Group Study. Clin Ther. 2010; 32: 1252–1269. 3. Hirohata A et al. Impact of Olmesartan on progression of coronary atherosclerosis. J Am Coll Cardiol. 2010; 55: 976–82. 4. Hirohata A et al. Four-year clinical outcomes of the OLIVUSEx (impact of Olmesartan on progression of coronary atherosclerosis: Evaluation by intravascular ultrasound) extension trial. Atherosclerosis 220. 2012; 134–138. 5. Stumpe KO et al. Carotid intima-media thickness and plaque volume changes following 2-year angiotensin II-receptor blockade. The multicenter Olmesartan atherosclerosis Regression evaluation (MORE) study. Therapeutic Advances in Cardiovascular diseases. 2007; 1(2): 97–106. 6. Fliser D et al. Anti-inflammatory effects of angiotensin II subtype 1 receptor blockade in hypertensive patients with microinflammation. Circulation. 2004; 110: 1103–1107. 546 ARS MEDICI 10 ■ 2013