Transkript
Rosenbergstrasse 115
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Stimmt. Viele aus unserer Generation waren mal links und progressiv. Damals, als für die Linken und Progressiven noch Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll die Lebensinhalte – oder zumindest -ziele – waren (Ziele, denn die meisten von uns haben das ja alles nicht in dem Mass geniessen können, wie sie’s gerne gewollt hätten). Heute mampfen die Linken und Alternativen Ökomüesli und nippen Grün-Tee. Was für eine Entwicklung!
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Ach ja, und statt Gauloises bleues und Françaises papier maïs zu rauchen, fordern sie heute gruusige Bildli auf den Zigis und Verkaufsverbote für Alkoholika nach 20 Uhr. Aber eben: Biederkeit und Kleinbürgertum haben in den vergangenen Jahren die Farbe gewechselt: von Schwarz-Braun zu Rot-Grün.
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Dazu passt die Klage eines Freundes: Ich will kein Magermodell zur Frau, sondern eine, die mit mir am Morgen ums Nutella streitet.
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Manchmal überkommt eher der Unordnung zuneigende Leute ein schlechtes Gewissen angesichts blank gefegter Schreibpulte von Kollegen. In solchen Situationen hilft die Frage: Wenn ein chaotischer Schreibtisch Ausdruck ist für einen chaotischen Geist, für was für eine Art von Geist steht dann ein Schreibtisch, der jeden Abend leer ist?
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Eine Gesellschaft, in der Lachfältchen mit Nervengift (Botox) weggespritzt werden, sollte vielleicht mal ihre Werte überdenken.
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Der Sommer wird kommen, sicher. Und mit ihm die Grillzeit. Was Männer zum Grillen brauchen: Würste und ein Glas Wein (oder Bier). Was Frauen brauchen: Decke, Servietten, Korkenzieher, Mückenschutz, Alufolie, Salat, Saucen, Besteck, Kräuterbaguette, Feta …
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Italien ist allen andern Ländern Europas mal wieder um Jahre voraus. Es beweist – einmal mehr –, dass Industrieländer keine Regierung brauchen. Eigentlich nicht einmal Politiker. Und schon gar kein Parlament. Italien funktioniert – heute wie schon seit Jahrzehnten – ohne derartige Institutionen. Jedenfalls ohne funktionierende. Und es geht den Leuten nicht schlechter als in Deutschland oder Frankreich. Italien – das europäische Zukunftsmodell!
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Man vergleiche dagegen Frankreich heute. Ein Land, in dem ein rotgrüner Biedermann seine Vorstellungen von Moral notfalls auch gegen sein Volk durchzusetzen versucht. Wenn man die Wahl hat zwischen einem Operettenclown wie Berlusconi und einem Robespierre im Hauswartsoutfit wie Hollande, dann doch lieber die italienische Variante. Politiker, die nichts tun, stellen sehr viel weniger Unfug an als beflissene Moralapostel.
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Die neue Präsidentin des VCS (Evi Allemann, SP-Nationalrätin auf dem Weg in den Bundesrat) in ihrem ersten Interview: Wer Strassen baut, wird Verkehr ernten. Was sie nicht sagt: Wer
keine Strassen baut, wird Staus ernten. (Was einer, der eben per Auto aus dem Süden zurückgekehrt ist, bedingungslos bestätigen kann. Der Stau durch Europa kennt genau einen Namen: Gotthard.)
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Wer zwei jungen Männern, die einen beleidigen und anmachen, den Stinkefinger zeigt, ist selber schuld, wenn er danach von den zwei Jugendlichen halbtot geprügelt wird. Findet das Bundesgericht. Das schweizerische. Nicht etwa das von Usbeki- oder Tadschikioder Absurdistan. Nächste Stufe: Wer auf Aufforderung zweier Jugendlicher hin seine Brieftasche nicht freiwillig rausrückt, ist selber schuld, wenn er niedergestochen wird, schliesslich hätte das Opfer wissen sollen, dass man in der Schweiz heutzutage mit einer derartigen Reaktion rechnen muss. Da stellt sich mal wieder die Frage: Wer spinnt hier eigentlich?
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Äffle: Gell, mir Schwoba hen au Gefühle? – Pferdle: Haja! Honger ond Durschd! (Es ist zu befürchten, dass unter 40-Jährige das nicht verstehen. Arme Generation.)
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Und das meint Walti: Bist du sauer, zähl bis vier; hilft das nicht, dann explodier!
ARS MEDICI 9 ■ 2013
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