Transkript
Rosazea-Update
Aktuelles zur Pathogenese und zur Therapie
FORTBILDUNG
Darmbakterien von Demodexmilben und das antimikrobiell wirksame Peptid Cathelicidin LL-37 sind derzeit die prominentesten Verdächtigen, die in die immer noch rätselhafte Pathogenese der Rosazea verwickelt sind. Zu den Neuheiten bei der Rosazeatherapie gehören die subantimikrobiell dosierte Doxycyclintherapie und eine überraschende Lokalbehandlung für die erythematöse Rosazea, die derzeit getestet wird. Darüber berichtete Prof. Dr. Martin Schaller, Universitäts-Hautklinik, Tübingen, an den 2. Zürcher Dermatologischen Fortbildungstagen.
ALFRED LIENHARD
Bereits vor mehr als 80 Jahren tauchte die Vermutung auf, dass die Rosazea etwas mit Demodexmilben zu tun hat. Die winzigen Milben (Demodex folliculorum), die sich nachts im Schlaf auf unserer Gesichtshaut tummeln, lassen sich praktisch bei allen Leuten nachweisen (1). Bei Patienten mit Rosazea ist aber die Demodexdichte signifikant höher als bei
gesunden Kontrollpersonen (1). Demodexmilben können die Immunantwort stimulieren, Haarfollikel verschliessen, granulomatöse Fremdkörperreaktionen provozieren und als Vektoren für pathogene Mikroorganismen dienen. Aus Milben isolierte Bakterien (Bacillus oleronius) produzieren Proteine, die als Antigene die Immunzellen stimulieren und Entzündungen auslösen können. Möglicherweise ist die Akkumulation von Demodexmilben in den Follikeln von Rosazeapatienten dafür verantwortlich, dass die Follikelwände gedehnt und geschädigt werden, sodass bakterielle Proteine ins umgebende Gewebe gelangen und dort eine Immunreaktion und eine Entzündung auslösen (1). Zwischen Proteinen dieses Bakteriums und der Gesichtsrosazea, der Lidrandentzündung und der okulären Rosazea besteht nachweislich eine Korrelation. In der Haut von Rosazeapatienten ist auch vermehrt Cathelicidin LL-37 zu finden. Dieses antimikrobielle Peptid ist ein Immunmodulator und spielt bei der Bekämpfung von Mikroorganismen eine wichtige Rolle. LL-37 induziert die Produktion von Zytokinen in Keratinozyten, die Chemotaxis und die Angiogenese (1). Wenn sich Demodexmilben zu stark vermehren, könnte dieses Peptid hochreguliert werden und Entzündungen und Rosazea auslösen. Zu dieser Hypothese passt, dass sich in Studien topisches Ivermectin (Akarizid zur Milbenbekämpfung) bei der Rosazea als wirksam erwiesen hat.
Merksätze
❖ Es besteht eine Korrelation zwischen den Proteinen des aus Milben (Demodex folliculorum) isolierten Bakteriums (Bacillus oleronius) und der Gesichtsrosazea, der Lidrandentzu¨ndung sowie der okulären Rosazea.
❖ Das in Gelform topisch applizierbare Sympathomimetikum Brimonidin wurde in zwei randomisierten, plazebokontrollierten Studien erfolgreich bei Patienten mit mittelstark bis stark ausgeprägtem Rosazeaerythem getestet.
❖ Zur systemischen Therapie wird Doxycyclin (100 mg/Tag für 3 Monate) empfohlen. Zusätzlich sollten morgens ein Lichtschutzmittel und abends topisches Metronidazol aufgetragen werden.
❖ Neu ist die subantimikrobiell dosierte Therapie mit täglich 40 mg Doxycyclin mit veränderter Wirkstofffreisetzung, die rein antientzu¨ndlich wirkt.
Ophthalmorosazea oft spät diagnostiziert und ungenügend behandelt Die Rosazea kommt nicht nur an der Gesichtshaut vor. Bei extrafazialen kutanen Formen (z.B. Papeln und Pusteln am Nacken oder im Glatzenbereich der Kopfhaut) ist die Diagnose oft schwierig zu stellen. Im Gesicht betrifft die Rosazea nicht nur die Gesichtshaut, sondern auch Lider und Augen. Von den erwachsenen Patienten, die wegen Hautrosazea einen Dermatologen aufsuchen, haben 50 bis 60 Prozent auch eine okuläre Rosazea, wie Prof. Schaller betonte. Bei 20 bis 30 Prozent der erwachsenen Rosazeapatienten sind anfänglich überhaupt nur die Augen betroffen, und erst später kommen Hautsymptome dazu. Ohne dass die korrekte Diagnose gestellt wird, klagen Betroffene oft jahrelang über trockene, rasch ermüdende Augen, über störendes Tränen, Konjunktivitis, Blepharitis und immer wieder Chalazien (Abbildung 4). Die systemische Behandlung mit Doxycyclin sollte bei Erwachsenen mit Ophthalmorosazea 6 Monate dauern und in Kooperation mit einem Ophthalmologen durchgeführt werden.
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FORTBILDUNG
Abbildung 1: Erythematös-teleangiektatische Rosazea
Abbildung 2: Papulopustulöse Rosazea
Abbildung 3: Glandulär-hyperplastische Rosazea
Abbildung 4: Ophthalmorosazea mit Hagelkorn am Oberlid
(Bildquelle: www.Dermquest.com)
Zwar kommt die Rosazea im Kindesalter nur selten vor, doch bei betroffenen Kindern (meistens Mädchen) ist die Beteiligung der Augen sehr häufig. Oft kommt es nicht nur zu Augenentzündungen, sondern sogar zu Hornhautulzera. Mädchen mit Rosazea sollten deshalb immer augenärztlich untersucht werden, forderte Prof. Schaller. Die Dauer der systemischen Therapie muss bei Kindern mit Ophthalmorosazea auf bis zu 12 Monate verlängert werden (ab 8 Jahren Doxycyclin, bei jüngeren Kindern Erythromycin).
Auf dem Weg zu neuer topischer Erythemtherapie Bei erythematös-teleangiektatischer Rosazea sind die Behandlungsmöglichkeiten derzeit sehr beschränkt (z.B. Lasertherapie). Jetzt wurde das in Gelform topisch applizierbare Sympathomimetikum Brimonidin in zwei randomisierten, plazebokontrollierten Studien erfolgreich bei Patienten mit mittelstark bis stark ausgeprägtem Rosazeaerythem getestet (2). Der Wirkstoff Brimonidin ist ein vasokonstriktiv wirk-
samer, hochselektiver Alpha-2-Adrenorezeptor-Agonist, der in der Ophthalmologie in Form von Augentropfen zur Verringerung des intraokulären Drucks verwendet wird. Bei 122 Patienten, die in randomisierter Weise Brimonidingel in drei unterschiedlichen Dosierungen oder die wirkstofffreie Gelgrundlage einmalig applizierten, konnte das Gesichtserythem dosierungsabhängig rasch reduziert werden (2). In der höchsten Dosierung (0,5%) wurde bereits nach 30 Minuten eine im Vergleich zur Gelgrundlage signifikante Abnahme des Erythems erreicht (Abbildung 6). Der Effekt war während 9 bis 12 Stunden deutlich ausgeprägt (Abbildung 7). Danach kehrte das Erythem allmählich zurück. In der zweiten Studie applizierten sich 269 Patienten während 4 Wochen einmal oder zweimal täglich Brimonidingel oder die Gelgrundlage. Die Behandlung mit Brimonidingel 0,5% einmal täglich erwies sich als gut verträglich und statistisch signifikant wirksamer als die Gelgrundlage. Weder Tachyphylaxie noch Rebounderytheme nach Beendigung der Therapie wurden beobachtet (2).
Topische und systemische Therapie bei papulopustulöser Rosazea Metronidazolhaltige Externa sind die Therapie der Wahl (z.B. Rozex®-Gel, Nidazea®-Gel, Perilox®-Creme, Rosalox®Creme). Die Externa können mit einer oralen Therapie kombiniert werden und nach Abschluss der systemischen Therapie zur langfristigen Prophylaxe weiter angewendet werden.
Abbildung 5: Typisches Rosazeaerythem (Ausgangsbefund)
Abbildung 6: 30 Minuten nach Applikation von Brimonidingel
Abbildung 7: 12 Stunden nach Applikation von Brimonidingel
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Zur systemischen Therapie wird in der Regel Doxycyclin (100 mg täglich während 3 Monaten) empfohlen. Zusätzlich sollten morgens ein Lichtschutzmittel und abends topisches Metronidazol aufgetragen werden. Fototoxizitätsprobleme bei der Doxycyclintherapie liessen sich so vermeiden, sagte Prof. Schaller. Neu ist die subantimikrobiell dosierte Therapie mit täglich 40 mg Doxycyclin in Form von Hartkapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung (Oracea®, von Swissmedic zugelassen, bei Redaktionsschluss in der Schweiz noch nicht eingeführt). Der Wirkstoff wird teilweise schnell und teilweise verzögert freigesetzt. Mit den dadurch während 24 Stunden erreichten Plasmaspiegeln wird die Schwelle der antimikrobiellen Wirksamkeit nicht erreicht. Die Wirkung ist also rein antientzündlich und nicht antimikrobiell. Prof. Schaller sagte, dass es mit der niedrig dosierten Therapie länger dauere, bis der Effekt einsetze. Er empfiehlt eine Therapiedauer von 4 Monaten (kombiniert mit Metronidazol topisch). Besonders Patientinnen, die bei antimikrobieller Doxycyclindosierung (100 mg täglich) Probleme mit vaginalen Candida-Infektionen oder gastrointestinalen Beschwerden haben, profitieren nach Ansicht des Referenten von der subantimikrobiellen Doxycyclindosierung (40 mg täglich). Auch ganz niedrig dosiertes Isotretinoin (10 mg täglich für 3 Monate) sei bei papulopustulöser Rosazea eine wirksame und nebenwirkungsarme Alternative zur oralen Antibiotikatherapie, sagte Prof. Schaller. Allerdings handelt es sich vorläufig um eine Off-label-Therapie. In einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie, die vor 2 Jahren publiziert wurde, erwies sich die 3-monatige Isotretinointherapie (Tagesdosierung von 0,3 mg/kg Körpergewicht) bei Patienten mit Rosazeasubtypen II und III als signifikant wirksamer als Plazebo (3). Im Vergleich zu Doxycyclin (täglich 100 mg während 2 Wochen, anschliessend täglich 50 mg) war die Isotretinointherapie in dieser deutschen Studie nicht unterlegen. Mit Isotretinoin wurden bei 24 Prozent komplette Remissionen erreicht, mit Doxycyclin bei 14 Prozent der Patienten (3). Die ebenfalls getestete höhere Isotretinoindosierung von 0,5 mg/kg KG löste vermehrt Isotretinoindermatitiden im Gesicht aus, wodurch die Auswertung der als Zulassungsstudie geplanten Studie gestört wurde (3). ❖
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Lazaridou E et al.: The potential role of microorganisms in the development of rosacea.
J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9: 21–25. 2. Fowler J et al.: Once-daily topical brimonidine tartrate gel 0.5% is a novel treatment
for moderate to severe facial erythema of rosacea: results of two multicentre, randomized and vehicle-controlled studies. Br J Dermatol 2012; 166: 633–641. 3. Gollnick H et al.: Systemic isotretinoin in the treatment of rosacea: doxycycline- and placebocontrolled, randomized clinical study. J Dtsch Dermatol Ges 2010; 8: 505–514.
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