Transkript
BERICHT
Gefährliche Stiche: Neues zur Insektengiftallergie
Was ist bei der Hyposensibilisierung zu beachten?
3. Burghalde-Symposium
6. September 2012 in Lenzburg
Schon eine leichte Reaktion auf den Stich einer Biene oder einer Wespe ist ein Alarmsignal, denn sie kann Zeichen für eine sich entwickelnde Insektengiftallergie sein, die sich schlimmstenfalls in einer Anaphylaxie beim nächsten Stich manifestiert.
KLAUS DUFFNER
Erwachsene Patienten mit besonders schweren anaphylaktischen Reaktionen auf Insektenstiche wiesen häufig eine erhöhte basale Serumtryptase(ST-)Konzentration auf, berichtete Prof. Dr. med. Bernhard Przybilla von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Ausmass dieser höheren basalen ST-Konzentration ist direkt mit dem Risiko einer schweren anaphylaktischen Reaktion korreliert. Weitere Risikofaktoren sind unter anderem eine Mastozytose, höheres Lebensalter, die Verwendung von ACE-Hemmern und – ganz wichtig – frühere leichte Reaktionen (OR = 4,7). Neben der obligatorischen Anamnese (dazu Umstände und Auslöser des Sti-
der ersten Woche und dann wieder drei bis vier Wochen nach dem Stich erfolgen, da ein Anstieg der IgE-Konzentration gegen ein Gift auf den Auslöser hinweisen kann («Boosterung»). Häufig sind Patienten sowohl gegen Bienenals auch Wespengift sensibilisiert. Bei allen zur Verfügung stehenden Testsystemen sei allerdings zu beachten, dass sowohl falsch negative als auch falsch positive Ergebnisse auftreten können, so der Münchner Allergologe. Zudem sei der Sensibilisierungsgrad nicht mit der Schwere einer späteren Reaktion assoziiert und würde sich im zeitlichen Verlauf ändern. Die Indikation für eine spezifische Immuntherapie (SIT) besteht bei erwachsenen Personen, die bereits eine systemische Soforttypreaktion erlebt haben – und zwar unabhängig vom Schweregrad. Bei Kindern mit ausschliesslicher systemischer Hautreaktion kann auf die Hyposensibilisierung verzichtet werden, bei schwereren Reaktionen werden sie behandelt. Absolute temporäre Kontraindikationen für eine Insektengift-Injektion zur spezifischen Immuntherapie sind, wie bei einer SIT mit Aeroallergenen, unter anderem Impfungen oder interkurrente Erkrankungen, wie zum Beispiel grippale Infekte. Bei Schwangerschaft darf eine Behandlung weitergeführt werden, allerdings
Der Sensibilisierungsgrad ist nicht mit der Schwere einer späteren Reaktion assoziiert, und er kann sich im zeitlichen Verlauf ändern.
ches sowie Risikofaktoren) und der visuellen Inspektion der Haut erfolgen Hautpricktest, die Bestimmung des spezifischen IgE und der basalen STKonzentration. Liege dabei die ST-Konzentration über 8 bis 10 µg/l, sollte man aufmerksam werden, sagte Przybilla. Bei Verdacht auf Mastozytose ist zudem weitere Diagnostik erforderlich. Eine IgE-Messung sollte am besten in
sollte die Hyposensibilisierung nicht während der Schwangerschaft begonnen werden. Dauerhafte relative Kontraindikationen, wie zum Beispiel die Behandlung mit Betablockern (auch Augentropfen) oder ACE-Hemmern, machen eine individuelle Risikoabwägung notwendig; kontraindizierte Arzneistoffe sind, soweit medizinisch möglich, «umzusetzen».
Auch maligne Erkrankungen beziehungsweise Dysfunktionen des Immunsystems gehören zu solchen relativen Kontraindikationen.
Wie lange dauert die SIT? 5 bis 40 Prozent der Patienten zeigen bei einer SIT, meist einmalig, systemische Nebenwirkungen. Bei wiederholten systemischen Reaktionen sollte nach möglichen Ursachen, wie zum Beispiel Mastozytose oder kontraindizierten Arzneimitteln, gefahndet werden. Durch eine etwa sechsmonatige Low-dose-Hyposensibilisierung und nachfolgende Dosissteigerung kann man solche Beschwerden unter Umständen abfangen. Sehr effektiv und bei besonders Gefährdeten ohne Verzögerung zu empfehlen sei eine Begleittherapie mit Omalizumab (Xolair®), so Przybilla. Allerdings handele es sich hier um eine Off-label-Anwendung. Erfolgte die SIT über mindestens drei bis fünf Jahre ohne systemische Nebenwirkungen, wurde ein Stich – am besten bei einem Stichprovokationstest – ohne anaphylaktische Reaktion vertragen und sind zudem keine weiteren Risikofaktoren (z.B. Mastozytose) vorhanden, kann die SIT beendet werden. Im Übrigen ist die Dauer der SIT individuell. So ist bei Mastozytose oder wenn infolge des Stiches ein HerzKreislauf-/Atemstillstand aufgetreten war sowie manchmal auch bei anderen Risikopatienten sogar eine lebenslange Behandlung notwendig.
Notfallset immer dabei!
Unbedingt nötig sind eine Notfallschu-
lung und ein persönliches Notfallset
mit Antihistaminikum, Glukokortikoid
und Adrenalinautoinjektor. Es sollte
immer mitgetragen werden.
❖
Klaus Duffner
Das Burghalde-Symposium wurde unterstützt durch die Firmen Dermapharm AG und LEO-Schweiz. Auf den Inhalt dieses Textes wurde von den Sponsoren kein Einfluss genommen.
ARS MEDICI 9 ■ 2013
453