Transkript
ARGUS PHYTOTHERAPIE
Berichte, Studien, Innovationen
Ginkgo biloba
Bei spontanen Gedächtnisstörungen früh einsetzen!
Kognitive Störungen lassen sich nicht kurativ behandeln. Der Pflanzenextrakt Ginkgo biloba vermag jedoch die kognitive Leistung kurzfristig zu verbessern und kann möglicherweise langfristig die Progression einer Demenz hinauszögern. Dafür sprechen diverse Studienresultate.
RICHARD ALTORFER
Spontane Beschwerden über Gedächtnisprobleme sind ein unabhängiger Risikofaktor für Demenz (1). Es spricht daher vieles dafür, sie frühzeitig therapeutisch anzugehen. Für das Phytopharmakon Ginkgo biloba liegen positive Studienergebnisse sowohl bei milder kognitiver Beeinträchtigung als auch bei schwer Demenzkranken vor (2). In verschiedenen präklinischen Studien konnten zahlreiche protektive Effekte nachgewiesen werden, deren genauer
Wirkmechanismus bislang allerdings noch ungeklärt ist: Beispielsweise wurden eine Potenzierung der muskarinergen und eine erhöhte Aktivität der cholinergen Rezeptoren sowie eine verbesserte zerebrale Perfusionsrate beobachtet (2). Eine zwölfwöchige Studie mit 300 Patienten mit einer leichten kognitiven Einschränkung (einem vMCI = very Mild Cognitive Impairment) mit schlechtem Abschneiden in mindestens einem kognitiven Test hat bestätigt, dass Gingko biloba in der Dosierung von 240 mg/Tag kurzfristig die kognitiven Funktionen, speziell das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit sowie die subjektiv empfundene psychische Gesundheit verbessert. Die kognitiven Effekte waren vor allem bei Personen ausgeprägt, die initial schlechtere Ausgangswerte gegenüber der Plazebogruppe aufwiesen (p < 0,025). Auch für die Langzeiteinnahme liegen Ergebnisse vor, die darauf hindeuten, dass Ginkgo biloba präventiv wirkt, das heisst die Progression beziehungsweise die Mani- festation einer Demenz verzögert. In der Guid-Age-Studie (4) wurden 2854 Patien- ten über 70 Jahre, die über Gedächtnisstö- rungen klagten, untersucht. Die Patienten, die mindestens vier Jahre lang behandelt worden waren, zeigten unter Ginkgo bi- loba eine Konversionsrate von lediglich 1,6 Prozent. In der Plazebogruppe betrug sie 3,0 Prozent (p = 0,049). Das entspricht einer relativen Risikoreduktion von fast 50 Prozent. In einem fortgeschritteneren Stadium der Erkrankung erwies sich auch die Kombina- tion von Ginkgo biloba und Acetylcholin- esterasehemmern als effizient. In der vor Kurzem publizierten GINDON-Studie (5) zeigte sich ein klar vorteilhafter Trend zugunsten der Kombinationstherapie von Ginkgo biloba plus Donepezil geenüber einer Donepezilmonotherapie. Die frühzei- tige Gabe von Ginkgo biloba bereits bei spontanen Gedächtnisstörungen ist einen Versuch wert, um einer Progression entge- genzuwirken. ❖ Richard Altorfer Literatur: 1. Elias MF et al., Archives of Neurology 2000; 57(6): 808–813. 2. Kaschel R, Hum Psychopharmacol Exp 2009; 24: 345–370. 3. Grass-Kapanke B et al., Neuroscience and Medicine 2011; 2: 48–56. 4. Vellas B et al., Lancet Neurol 2012; published online Sept 6, http://dx.doi.org/10.1016/S1474–4422 (12)70206–5. 5. Yancheva S et al., Aging Ment Health 2009; 13: 183–190. 420 ARS MEDICI 8 ■ 2013