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EDITORIAL
Phytotherapie ist wirksam und sicher bei Allergien
Gut ein Drittel der Schweizer sind von Inhalations-, Nahrungsmittel-, Kontakt- und Insektengiftallergien betroffen, rund eine Million allein von Heuschnupfen. Allergien mindern die Lebensqualität der Betroffenen und verursachen hohe direkte und indirekte Kosten für unsere Volkswirtschaft. Dabei kann eine verstopfte Nase die Lebensqualität genauso negativ beeinflussen wie ein unbehandeltes Asthma bronchiale. Asthmaanfälle und anaphylaktische Reaktionen sind sogar lebensbedrohend. Gründe genug für eine subtile Diagnostik, nicht nur dort, wo eine Allergie offensichtlich ist wie beim saisonalen Heuschnupfen, sondern auch bei jeder chronischen Rhinitis, bei Asthma, Neurodermitis und anderen chronischen Ekzemen sowie bei unklaren gastrointestinalen Beschwerden. Ist die Allergie erkannt, stellt sich primär die Frage nach der kausalen Therapie: Sind Karenzmassnahmen oder eine spezifische Immuntherapie möglich? Die Hyposensibilisierung mit Pollenextrakten ist evidenzbasierte Phytotherapie. Eine weitere Stärke der Phytotherapie liegt in der symptomatischen Therapie von Heuschnupfen. Mehrere Jahre lang habe ich mich mit dem Pestwurzextrakt Ze 339 (Tesalin®) beschäftigt. Der Firma Zeller gelang die Züchtung der Sorte Petzell, die reich an wirksamkeitsbestimmenden Substanzen und arm an Schadstoffen ist. Im eigens entwickelten Verfahren wurden die im Extrakt gewünschten Petasine optimal extrahiert und die toxischen Pyrrolizidinalkaloide eliminiert. Der Wirkmechanismus wurde in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Allergie und Asthmaforschung entschlüsselt. Die Wirksamkeit und die Sicherheit wurden in drei randomisierten, kontrollierten, multizentrischen, klinischen Studien gegen den Marktführer Cetirizin 10 mg, gegen Fexofenadin 180 mg und zweimal gegen Plazebo bewiesen und in Peer-Reviewed-Journals publiziert. Mit grosser Freude habe ich registriert, dass in einer klinisch-experimentellen Studie gezeigt werden konnte, dass Ze 339 bei allergischer Rhinitis wirksamer als Desloratadin ist und dass dies 2011 im hoch angesehenen JACI publiziert werden konnte. Das ist ein
herausragendes Beispiel eines Phytotherapeutikums aus der traditionellen europäischen Medizin, das durch präklinische und klinische Forschung jetzt der Evidenzklasse 1 zuzuordnen ist. Aus der traditionellen asiatischen Medizin kommt Perillaöl aus dem Sesamblatt (Perilla frutescens). Bei einem Kongressbesuch in Belgien fiel mir ein Nahrungsergänzungsmittel aus kaltgepresstem Perillaöl – Allerprill® – auf, das in einigen europäischen Ländern, unter anderem auch in Deutschland, auf dem Markt ist. Der Beitrag auf Seite 428 zeigt meine Meinung, dass dieses Phytotherapeutikum ein gutes Potenzial antiallergischer Wirkung hat. Demnächst soll Allerprill® auch auf den Schweizer Markt kommen, natürlich auch als Nahrungsergänzungsmittel, da die kleine belgische Firma nicht das Kapital für Studien nach GCP-Kriterien aufbringen kann. Aus der südafrikanischen Medizin kommt der Pelargoniumsidoides-Extrakt EPs 7630 (Umckaloabo®, Kaloba®), der zur Behandlung der akuten Bronchitis zugelassen ist. Studien, welche die Wirksamkeit und die Sicherheit auch bei Infekten der oberen Atemwege zeigen, sind publiziert. Die jüngste Studie aus der Türkei belegt die Effizienz von EPs 7630 in der Prophylaxe von Asthmaexazerbationen durch akute virale Infekte. Aus der Geschichte der Medizin sei erwähnt, dass wir die wirksamsten Antiasthmatika der traditionellen Phytotherapie verdanken: Dinatricum cromoglycicum aus dem Bischofskraut (Ammi visnaga),Theophyllin aus Cammelia sinensis, Betamimetika aus dem Meerträubel (Epedra sinensis, Ma Huang) und Anticholinergika aus der Schwarzen Tollkirsche (Atropa belladonna). Freuen wir uns über die guten Möglichkeiten der Therapie und hoffen auf weitere gute klinische Forschung in diesem Bereich, im Besonderen bei Kindern und Jugendlichen.
PD Dr. med. Dr. h. c. Andreas Schapowal
thema424
PHYTOTHERAPIE
2/2013