Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Demenz
Vielfältige Aktivität ist immer gut
Bis anhin gibt es keine randomisierte Studie, die tatsächlich beweist, dass mentales und/oder physisches Training eine Demenz verzögern oder gar verhindern könnte. Die weitverbreitete Ansicht, dass (Grips-)Gymnastik die Geisteskräfte stärkt, konnte jedoch in Studien bestätigt werden. Klar wurde dabei allerdings auch, dass das Üben sehr spezieller Fähigkeiten nicht automatisch segensreich für sämtliche kognitiven Leistungen ist: So wird ein älterer Mensch, der ein Computerspiel übt, dieses zwar irgendwann sehr gut spielen, er vergisst seine Schlüssel und die Einkaufsliste jedoch trotzdem nicht seltener als vor dem Computertraining. Um herauszufinden, ob eine Kombination aus individuellem Mentaltraining
plus Gruppensport die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit steigert und ob bestimmte Kombinationen besser sind als andere, führte ein US-amerikanisches Team für 12 Wochen eine randomisierte Studie mit 126 älteren, inaktiven Personen (mittleres Alter 73 Jahre) durch, welche über Vergesslichkeit und/oder schwindende Geisteskräfte klagten. Sie wurden in vier Gruppen aufgeteilt mit unterschiedlichen Kombinationen aus einer Stunde Mentaltraining (dreimal pro Woche eine Stunde intensives Computertraining mit individueller Anpassung der Anforderungen oder das Anschauen lehrreicher DVD mit anschliessendem Fragebogen zu deren Inhalt) und physischer Aktivität (aerobes Training mit
erhöhter Herzrate versus strechting-
betontes Training ohne Herzraten-
erhöhung, ebenfalls dreimal eine
Stunde pro Woche).
Bei allen Teilnehmern verbesserte sich
die allgemeine kognitive Leistungs-
fähigkeit in etwa gleichem Ausmass.
Es ist also egal, welche Aktivitäten man
unternimmt, sofern diese vielfältig
sind, der Einsamkeit entgegenwirken
und Geist wie Körper gleichermassen
fördern. Und: Es sollten auch ein paar
Aktivitäten dabei sein, die im Krank-
heitsfall geeignet sind, denn viele Studi-
enteilnehmer (10–25%) stiegen aus,
weil eine Krankheit ihre Studienteil-
nahme vorzeitig beendete.
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Barnes DE et al.: The Mental Activity and eXercise (MAX) Trial. A Randomized Controlled Trial to Enhance Cognitive Function in Older Adults. JAMA Intern Med, published online April 1, 2013. doi:10.1001/jamainternmed.2013.189
Nebenwirkungen
Systemische Glukokortikoide und erhöhtes Thromboserisiko
Man weiss, dass ein Überschuss an endogenem Cortisol das Risiko venöser Thromboembolien (VTE) erhöht. Unklar war bis anhin, ob auch exogen zugeführte Glukokortikoide mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen. Das scheint in der Tat der Fall zu sein. Ein dänisches Team verglich in einer Fallkontrollstudie die Fälle von 38 765 VTEPatienten, die von 2005 bis 2011 ins Spital eingewiesen worden waren mit 387 650 Kontrollpersonen. Ermöglicht wurde das durch die im dänischen Gesundheitssystem gegebene relativ lückenlose Datenbasis, in welcher alle Medikamentenverordnungen erfasst werden. In der statistischen Auswertung betrachtete man verschiedene Intervalle zwischen Glukokortikoidverordnung und VTE (aktuell: vor maximal 90 Tagen; kürzlich: 91 bis 365 Tage; ehemalig: mehr als 365 Tage); der «aktuelle» Gebrauch wurde noch unterteilt in erstmalige oder chronische Verordnung. Ausserdem unterschied man zwischen den Applikationsformen systemisch, inhaliert oder intestinal (z.B. bei entzündlichen Darmerkrankungen).
Beim aktuellen neuen Einsatz systemischer Glukokortikoide zeigte sich die grösste Risikosteigerung, nämlich 11 zusätzliche VTE-Fälle auf 1000 Anwender, beziehungsweise eine dreifach erhöhte relative Inzidenzrate. Je höher die kumulative Dosis, umso höher war auch das VTE-Risiko. Bei chronischem oder kürzlichem Gebrauch systemischer Glukokortikoide war die relative Inzidenzrate verdoppelt. Lag der Gebrauch jedoch ein Jahr oder länger zurück, zeigte sich kein erhöhtes Risiko mehr. Bei den intestinalen Glukokortikoiden fand sich eine ähnliche Assoziation mit dem VTE-Risiko wie bei den systemischen. Bei den inhalativen Glukokortikoiden war das Risiko nur bei aktuellem Neugebrauch erhöht. Orale Glukokortikoide waren generell mit einem höheren Risiko assoziiert als injizierte, was die Autoren darauf zurückführen, dass Letztere für intraartikuläre Infiltrationen verwendet wurden, die allenfalls nur eine geringe systemische Wirkung haben.
Eine Schwachpunkt der Studie ist, dass
viele der Krankheiten, bei denen Gluko-
kortikoide eingesetzt werden, per se
mit einem erhöhten Thromboserisiko
einhergehen und eine Reihe von Kofak-
toren wie beispielsweise der Lebensstil
(Bewegung, Rauchen) nicht berück-
sichtigt werden konnten. Für eine
Kausalität spricht, dass das Thrombo-
serisiko für Neuanwender und in höhe-
ren Dosierungen grösser war.
Angesichts der bekannten Nebenwir-
kungen ändere diese Studie nichts an
der Indikation für Glukokortikoide,
kommentierte JAMA-Herausgeber
Mitchell H. Katz, man solle jedoch da-
rauf gefasst sein, möglicherweise eine
Thrombose erkennen und therapieren
zu müssen.
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Johannesdottir SA et al.: Use of Glucocorticoids and Risk of Venous Thromboembolism. A Nationwide PopulationBased Case-Control Study. JAMA Intern Med. Published online April 1, 2013. doi:10.1001/jamainternmed.2013.122 Katz MH: Weighing Benefits and Risks. Glucocorticoids and Thromboembolism. JAMA Intern Med. Published online April 1, 2013.
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ARS MEDICI 7 ■ 2013
Asthma bei Kindern
Verkehrsabgase genauso schlimm wie Passivrauchen
Bis zu 14 Prozent der chronischen Asthmafälle bei Kindern könnten durch eine Verringerung der Verkehrsemissionen entlang stark befahrener Strassen vermieden werden, heisst es in einer Pressemitteilung des Schweizerischen Tropen- und Public Health Instituts (Swiss TPH), Basel. Die Schweizer Forscher stützen sich auf eine Erhebung in zehn grossen europäischen Städten, die sie gemeinsam
mit dem Centre for Research in Environmen-
tal Epidemiology, Barcelona, durchgeführt
haben.
Das Schadenspotenzial von Verkehrsemissio-
nen bezüglich Kinderasthma sei damit ver-
gleichbar mit den Auswirkungen des Passiv-
rauchens, welches gemäss WHO für 4 bis
18 Prozent der Asthmafälle bei Kindern ver-
antwortlich sei. Verkehrsemissionen wurden
bis anhin nur als Auslöser akuter Asthmaan-
fälle in Betracht gezogen. Nachdem sich in
den letzten Jahren gezeigt hatte, dass kindli-
ches Asthma entlang verkehrsreicher Stras-
sen häufiger vorkommt, hat das Team unter
der Leitung von Laura Perez und Nino
Künzli in ihrer kürzlich publizierten Studie
dieses Risiko nun quantifiziert.
RBO❖
Perez L et al.: Chronic burden of near-roadway traffic pollution in 10 European cities (APHEKOM network). Eur Respir J erj003112012; published ahead of print 22 March 2013. doi:10.1183/09031936.00031112
Diabetes
Pankreasveränderungen unter Inkretinmimetika
Vor Kurzem wurde eine Studie publiziert, wonach GLP-1-Mimetika mit einem erhöhten Risiko für Pankreatitis einhergehen (wir berichteten in ARS MEDICI 5/2013). Nun ergab die Untersuchung der Bauchspeicheldrüsen von acht Typ-2-Diabetikern, die Inkretinmimetika eingenommen hatten, anatomisch-histologische Unterschiede gegenüber Kontrollen. Als Kontrollen dienten die Pankreata von 12 Typ-2-Diabetespatienten mit anderen Therapien und 14 Personen ohne Diabetes. Unter GLP-1-basierten Therapien war die Pankreasmasse um 40 Prozent grösser, mit vermehrter exokriner Zellproliferation und Dysplasien (erhöhte pankreatische intraepitheliale Neoplasien). Auch fand sich in 3 der 8 Pankreata eine Alphazellhyperplasie mit glukagonexprimierenden Mikroadenomen und in einem Fall ein neuroendokriner Tumor. Die Betazellmasse war bei den Diabe-
tespatienten mit anderen Therapieformen
um 60 Prozent reduziert, unter Inkretinbe-
handlung jedoch sechsfach erhöht. Dennoch
hatte der Diabetes bei diesen Patienten wei-
terbestanden.
Prof. Helmut Schatz, Mediensprecher der
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie,
bezeichnet diese histologischen Befunde bei
Diabetikern unter GLP-1-basierten Thera-
pien als «besorgniserregend». Nachdem die
FDA bereits Mitte März aufgrund der da-
mals noch unpublizierten Befunde eine Un-
tersuchung zum Risiko für Pankreatitis und
präkanzeröse Pankreasveränderungen einge-
leitet hatte, teilte die europäische EMA am
26. März 2013 mit, dass sie diese Problema-
tik ebenfalls untersuchen werde.
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Quelle: Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie DGE, Prof. Helmut Schatz, Bochum, 27. März 2013; http://blog.endokrinologie.net/
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
SARS durch Coronavirus
Am 16. April 2003 teilt die WHO mit, dass ein Coronavirus der Auslöser von SARS sei. Das heute, im März 2013 aufgetretene Coronavirus, welches in München Ende März zum Tod eines Patienten geführt hatte, der aus Abu Dhabi kam, ist nach Einschätzung der deutschen Gesellschaft für Virologie (GfV) übrigens keine unmittelbare Gefahr für die Allgemeinbevölkerung. Hier handele es sich nämlich um das Betacoronavirus 2c EMC/2012, welches bevorzugt die tieferen Abschnitte des Atemtrakts befällt. Für eine Ansteckung sei deshalb ein enger Kontakt notwendig, und das erkläre, warum die bis anhin wenigen bekannt gewordenen Übertragungen von Mensch zu Mensch nur unter engen Familienmitgliedern erfolgten.
Vor 50 Jahren
SPECT
Im April 1963 publizieren David E. Kuhl und Roy Q. Edwards in der Zeitschrift «Radiology» ihren Artikel «Image Separation Radioisotope Scanning». Sie beschreiben darin die Grundlagen der SPECTMethode (Single Photon Emission Computed Tomography), die erstmals überlagerungsfreie Schnittbilder des Körpers lieferte. Im gleichen Jahr bauen sie das erste, kommerziell nutzbare SPECT-Gerät. SPECT ist ein funktionelles Bildgebungsverfahren, welches die Verteilung radioaktiv markierter Moleküle nachweist (z.B. Hirnaktivität in bestimmten Bereichen wie in der Abbildung [Wikimedia Commons, Bocchetta et al., Clin Pract Epidemiol Mental Health 2007]).
Vor 100 Jahren
Autofahrende Ärzte
Immer mehr Ärzte schaffen sich ein Auto an, was R. Bruce Ferguson dazu veranlasst, am 12. April 1913 im «British Medical Journal» einen Artikel mit dem Titel «Motor Cars for Medical Men» zu publizieren. Er informiert unter anderem darüber, wie man die PS-Stärke selbst nachrechnen
und somit möglicherweise Versicherungsbeiträge sparen kann, wie man den Treibstoffverbrauch errechnet und dass die Reifen vorne und hinten nicht unbedingt die gleiche Grösse haben (Foto: Library of Congress, USA).
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