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BERICHT
Hoffnung auf kardiovaskuläre Risikoreduktion für Diabetiker durch DPP-4-Hemmung
Erste Hinweise aus einer grossen Metaanalyse
48. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes «Delivering innovation in type 2 diabetes: tailored approaches with SGLT2 and Incretin-based therapies», Satellitensymposium der Firmen Bristol-Myers Squibb und AstraZeneca Berlin, 1. Oktober 2012
Es gibt zahlreiche Wirkstoffe, mit denen sich der Blutzucker senken lässt. Doch das Ziel, damit auch kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern, die immer noch die wichtigste Krankheits- und Sterbeursache bei Typ-2-Diabetes sind, liess sich damit bisher nicht erreichen. Für Substanzen, die über das Inkretinsystem wirken, etwa die DPP-4Hemmer, sehen erste aktuelle Daten aber vielversprechend aus.
SONJA BÖHM
Prof. Dr. Edoardo Mannucci, Florenz, hat beim europäischen Diabeteskongress in Berlin eine bisher unveröffentlichte Metaanalyse vorgestellt. Ausgewertet wurden dafür 70 Studien mit etwa 42 000 Teilnehmern: Die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE = Major Adverse Cardiovascular Events) war unter allen DPP-4Hemmern zusammengenommen um 29 Prozent niedriger als unter den Vergleichssubstanzen. Myokardinfarkte waren um 36 Prozent seltener.
Besonders ausgeprägte Reduktion des Risikos unter Vildagliptin und Saxagliptin Besonders ausgeprägt – und statistisch signifikant – war die kardiovaskuläre
Risikoreduktion unter Vildagliptin mit 39 Prozent und Saxagliptin mit 33 Prozent, wie Mannucci auf einem Symposium der Unternehmen Bristol-Myers Squibb und AstraZeneca berichtete. Die Beweiskraft einer randomisierten, kontrollierten Studie hat eine solche Auswertung natürlich nicht. «Doch sie gibt uns ein Gefühl, in welche Richtung es geht», sagte der italienische Diabetologe. Eine grosse Endpunktstudie mit Saxagliptin läuft bereits seit einiger Zeit. Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, München, stellte auf der Veranstaltung die SAVOR-TIMI-53-Studie vor. Teilnehmer sind 16 500 Patienten mit Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulärem Risiko. Randomisiert und doppelblind testet die Studie den Effekt von Saxagliptin auf die primären Endpunkte kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Ein Drittel der Patienten der internationalen Studie kommt aus Europa. Die Rekrutierung der Patienten ist bereits abgeschlossen. Mitte des Jahres 2014 sind laut Schumm-Draeger die Ergebnisse zu erwarten.
Direkte Effekte auf Herz und Gefässe möglich Dr. Laurie L. Baggio, Toronto, Kanada, stellte tierexperimentelle Daten vor. Danach kann bei Mäusen eine Vorbehandlung mit Saxagliptin die Infarktgrösse reduzieren und die Überlebensrate nach Infarkt erhöhen. Auch Inflammation, endotheliale Dysfunktion und Arteriosklerose seien unter der DPP-4-Hemmung verringert, berichtete sie. GLP-1-Rezeptoren finden sich in Kardiomyozyten und Endothelzellen. Damit seien auch direkte Effekte dieser Substanzen auf Herz und Gefässe möglich, die nicht über die Blutzuckersenkung vermittelt werden.
In reduzierter Dosis auch bei schwerer renaler Dysfunktion Prof. Dr. Jiten Vora, Liverpool, Grossbritannien, erinnerte an die Studien zur Blutzuckersenkung mit Saxagliptin. Der DPP-4-Hemmer senke wirksam den Blutzucker, der HbA1c-Wert nehme im Mittel um 0,64 bis 0,94 Prozentpunkte ab. Er zeichne sich zudem durch gute Verträglichkeit aus, habe wie andere DPP-4-Hemmer kein substanzspezifisches Hypoglykämierisiko, könne mit anderen Antidiabetika wie Metformin, Sulfonylharnstoffen oder auch Insulin kombiniert werden und sei gewichtsneutral. In reduzierter Dosis kann Saxagliptin bis hin zur schweren Niereninsuffizienz eingesetzt werden. ❖
Sonja Böhm
*SAVOR-TIMI = Saxagliptin Assessment of Vascular Outcomes Recorded in patients with diabetes mellitus – Thrombolysis In Myocardial Infarction.
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ARS MEDICI 7 ■ 2013