Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Diabetes:
Intervall zwischen Insulinspritze und Mahlzeit überflüssig?
Diabetiker, die Humaninsulin verwenden, sollen in der Regel ein Intervall von 20 bis 30 Minuten zwischen Insulingabe und Mahlzeit einhalten. Eine deutsche Arbeitsgruppe an der Universität Jena hat bei Typ-2-Diabetikern überprüft, ob dieses Intervall wirklich eingehalten werden muss. Sie führten eine randomisierte Crossover-Studie mit 100 Typ-2-Diabetikern durch, die im Durchschnitt 67 Jahre alt waren. Jeweils die Hälfte der Studienteilnehmer injizierten ihr Humaninsulin 20 Minuten vor der Mahlzeit, die anderen direkt vorher. Endpunkte
waren HbA1c, Blutzuckerprofil, Hypoglykämien, Lebensqualität, Therapiezufriedenheit und Patientenpräferenz. Das Weglassen des Intervalls führte zu einer leichten Erhöhung des HbA1c um durchschnittlich 0,08 Prozent. Dieser Unterschied wurde von den Autoren als klinisch nicht relevant bewertet. Es gab keine Unterschiede bezüglich Hypoglykämien oder Blutzuckerprofilen. Wie zu erwarten, bevorzugten die Diabetiker die bequemere Lösung ohne Intervall und waren damit zufriedener. Ein messbarer Gewinn an Lebensqualität war jedoch nicht festzustellen.
Die Autoren der Studie kommen zu
dem Schluss, dass das präprandiale In-
tervall für Humaninsulin überflüssig
ist. Diese Ansicht wird aber nicht von
allen Diabetelogen geteilt. So gilt man-
chen der HbA1c-Unterschied als durch-
aus relevant. Auch wird bezweifelt,
dass die Studienteilnehmer das 20-Mi-
nuten-Intervall wirklich eingehalten
haben, was zu einer Verringerung des
festzustellenden Unterschieds führen
würde. Darüber hinaus weist man da-
rauf hin, dass die Intervallfrage nur für
Humaninsulin relevant ist, da ein
Spritz-Ess-Abstand bei den rasch wir-
kenden Insulinanaloga ohnehin nicht
nötig sei.
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Muller N, Frank T, Kloos C et al.: Randomized Crossover Study to Examine the Necessity of an Injection-to-Meal Interval in Patients With Type 2 Diabetes Mellitus and Human Insulin. Diabetes Care 2013, online Jan 22, doi:10.2337/dc12-1694.
eHealth:
Computerfrust bei Praktikern
Die elektronische Patientenakte (EHR: electronic health record) soll den administrativen Aufwand in der Arztpraxis senken und somit zu einer Zeit- und Kostenreduktion führen. Umfragen in den USA zeigen, dass sich diese Hoffnung oft nicht erfüllt und die Unzufriedenheit der Nutzer gestiegen ist. Dies ergab eine 2012 durchgeführte Befragung von 4200 Ärzten zehn ver-
schiedener Fachrichtungen (1), die ein vom American College of Physicians unterstütztes EHR-System nutzen. Die Fachrichtung der befragten Ärzte hatte keinen Einfluss auf die Beurteilung des EHR-Systems, ebensowenig wie die Praxisgrösse, die meist unter 10 Ärzten lag. Der wachsende Computerfrust zeigte sich deutlich in der Tatsache, dass nun 39 Prozent der Nutzer ihren Kollegen davon abraten. Drei Jahre zuvor äusserten sich nur 24 Prozent der Nutzer derart negativ. Ein wichtiger Grund für das schlechte Urteil sei die Enttäuschung, dass die elektronische Patientenakte entgegen den Versprechungen nicht zu einer erhöhten Produktivität geführt habe. Unzufrieden sind die Nutzer auch mit der Bedienerfreundlichkeit des Systems. Auf die Hoffnung, dass die technische Entwicklung die Bedienung vereinfachen und damit die Akzeptanz steigen dürfte, sollte man nicht bauen. Im Gegenteil: Bedienerfreundlich finden das System heute nur noch 48 Prozent (früher 61%). Völlig negativ fiel die Befragung zu diesem EHR-System trotzdem nicht aus. So würden immer noch 44 Prozent der
Befragten (früher 47%) das System ihren Kollegen empfehlen, auch wenn nur noch 17 Prozent «sehr zufrieden» damit sind (früher 23%). Auch scheint es nicht gerecht, die Schuld für die Unzufriedenheit allein bei den Entwicklern der EHR-Systeme zu suchen. Hier gilt offenbar: Ganz oder gar nicht! So ergab eine kürzlich publizierte Studie aus den USA (2), dass vor allem diejenigen profitierten, die mit dem Wechsel zur elektronischen Patientenakte die alte Administration auf Papier auch tatsächlich aufgeben. Die meisten scheinen das aber nicht zu tun, was nicht nur mehr Arbeitsaufwand bedeutet, sondern handfeste finanzielle Konsequenzen hat. Nur für 27 Prozent der Nutzer hatte sich die Einführung des EHR-Systems nach fünf Jahren finanziell gelohnt. Die grosse Mehrheit der anderen verlor hingegen Geld, weil sie von der Krankenakte auf Papier nicht lassen konnten, so die Autoren der Studie. RBO❖
1. Pittman D: Dissatisfaction with EHRs Rising, Survey Finds. Medpage online March 7, 2013.
2. Adler-Milstein J, et al.: A survey analysis suggests that electronic health records will yield revenue gains for some practices and losses for many. Health Aff 2013; DOI: 10.1377/hlthaff.2012.0306.
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ARS MEDICI 6 ■ 2013
Dermatologie:
Jeder Dritte bereut seine Tätowierung
In einer Umfrage unter 580 Erwachsenen in Grossbritannien, bei denen während einer dermatologischen Routineuntersuchung Tätowierungen entdeckt wurden, sagten 31 Prozent der Befragten, dass sie ihr Tattoo mittlerweile bedauerten. Besonders unzufrieden waren die Männer: Etwa doppelt so viele
Männer wie Frauen wünschten, sie hätten
sich die modische Hautverzierung nie stechen
lassen.
Insgesamt fanden sich bei den 580 Befragten
1975 Tätowierungen, wobei 47 Prozent von
ihnen gleich mehr als fünf Tattoos hatten.
Knapp die Hälfte (45%) liess sich das erste
Tattoo im Alter zwischen 18 und
25 Jahren machen. Je jünger man
ist, wenn man sich das erste Tattoo
zulegt, umso wahrscheinlicher
bereut man es später. Die Entfer-
nung eines unliebsamen Tattoos
wünschte sich aber nur jeder
Zweite, was auch daran liegen
dürfte, dass dies nicht ohne Weite-
res möglich ist.
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JD Photography, CC
71st Annual Meeting American Academy of Dermatology 2013: Aslam A, Owen C: Fashions change but tattoos are forever – Time to regret. AAD 2013; Abstract 7114; Bericht von C. Bankhead auf MedpageToday online March 7, 2013
Foramen ovale persistens:
Katheter-OP genauso gut wie lebenslange Antikoagulation
Der mechanische Verschluss eines Foramen ovale persistens (PFO) erwies sich in einer Studie der lebenslangen Antikoagulation als ebenbürtig. In der Schweiz leben etwa 1 Million Erwachsene mit PFO. Sie haben dadurch ein höheres Hirnschlagrisiko, welches durch eine lebenslange Antikoagulation gesenkt werden kann. Seit Langem stellt sich die Frage, ob dies die Risiken eines Eingriffs zum mechanischen Verschluss der Verbindung zwischen den Herzvorhöfen rechtfertigt. Dabei wird minimalinvasiv über die Leistenarterie ein dünnes und flexibles Plastikröhrchen mit einem zusammengefalteten Schirmchen in den linken Herzvorhof vorgeschoben. Dort wird das Schirmchen entfaltet und im Loch in der Scheidewand platziert. Ärzte und Forscher der Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital Bern und 28 weiterer Herzzentren in Europa, Nord- und Süd-
amerika und Australien untersuchten in einer 10-Jahres-Studie, welche der beiden Methoden – Medikament oder Schirmchen – die erfolgreichere zur Verhütung von Schlaganfällen ist. 210 medikamentös behandelte Patienten wurden 204 mit Schirmverschluss behandelten gegenübergestellt. Das Resultat: Mit Schirmverschluss hätten 4 von 5 Hirnschlägen verhindert werden können, die bei der Medikamententherapie auftraten. Die Studie wurde im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht. Eine ähnliche amerikanische Studie, publiziert im selben Heft, kommt zum gleichen Schluss.
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Pressemitteilung des Inselspitals zur Publikation: Meier B et al.: Percutaneous Closure of Patent Foramen Ovale in Cryptogenic Embolism. N Engl J Med 2013;368: 1083–1091. DOI: 10.1056/NEJMoa1211716, online March 21, 2013
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Irakkrieg
Am 20. März 2003 begann mit der Bombadierung Bagdads der Irakkrieg. Begründet wurde der Angriff durch Streitkräfte der USA und anderer Staaten mit Massenvernichtungswaffen, die es zu zerstören gelte. Gefunden wurden derartige Waffen jedoch nie. Der Irakkrieg wurde von den USA am 1. Mai 2003 nach dem Sturz Saddam Husseins für beendet erklärt. Ende 2011 zogen die US-Truppen ab.
Vor 50 Jahren
Rauchen als Risiko
Nach erbitterten Debatten über Ursache und Wirkung setzt sich in Ärztekreisen die Ansicht durch, dass Rauchen das Risiko für Lungenkrebs erhöht. So erklärt beispielsweise die California Medical Association am 28. März 1963 als medizinische Fachgesellschaft das Zigarettenrauchen zum Gesundheitsrisiko. Im Juni fasst der Vorstand der
American Heart Association einen ähnlichen Beschluss, und im Jahr 1963 erscheint die erste Ausgabe des «Medical Bulletin on Tobacco» für niedergelassene Ärzte. Es wird herausgegeben von den US-amerikanischen Fachgesellschaften für Onkologie, Tuberkulose und Kardiologie.
Vor 100 Jahren
Impfen gegen Diphtherie
Dem ersten Nobelpreisträger für Medizin, Emil von Behring, gelingt es, eine Diphterie-Schutzimpfung zu entwickeln. Er wurde bereits 1901 mit dem Nobelpreis für seine Erkenntnisse zur Serumtherapie, insbesondere gegen Diphtherie, ausgezeichnet. Die Grundlagen publizierten Shibasaburo Kitasato und Emil von Behring 1890 in ihrer Arbeit «Über das Zustandekommen der Diphtherie-
immunität und der Tetanusimmunität bei Thieren». Ein Jahr danach wurden zwei an Diphterie erkrankte Kinder mit einem aus Schafen gewonnenen Toxin geheilt, das von Behring gemeinsam mit Paul Ehrlich und Erich Wernicke entwickelt hatte. 1913 stand ein Serum für Diphtherie-Schutzimpfungen zur Verfügung. Emil von Behring, der sich in der Zwischenzeit mit Ehrlich und Wernicke überworfen hatte, gründete bereits 1903 ein eigenes Unternehmen zur Produktion von Antitoxinen und Impfstoffen (Foto: NIH).
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