Transkript
FORTBILDUNG
Serie: Kompressionstherapie
Fallstricke bei der Kompression – Tipps und Tricks für den Alltag
Die Entscheidung für eine Kompression der Beine erfordert im Nachgang die Kontrolle der Durchführung der Therapie. Es ergeben sich einige Fehlerquellen: Bandagen können verrutschen, wenn Polsterung und Klebeanteile nicht berücksichtigt werden. Kompressionsstrümpfe können in der falschen Länge für den Patienten abgegeben worden sein, der Haftrand kann Probleme verursachen. Der Patient kann mit dem abgegebenen Strumpf vielleicht in seinem Beruf oder bei seiner Beinform nicht im Alltag bestehen. Daher ist es unabdingbar, die Kompressionstherapie nach deren Einleitung persönlich zu kontrollieren. Dieser Beitrag möchte anhand von Bildern die häufigsten Fehlerquellen ansprechen und Lösungen aufzeigen.
THOMAS HERTEL UND ERIKA MENDOZA
Fehlerquelle 1: Behandlung mit Bandagen Bandagen über das Knie hinweg (rechtes Bein im Bild) neigen zu Faltenbildung, Einschnürungen und Verrutschen, wenn sie nicht mit Haftmaterial am Bein und in sich befestigt werden. Hier wurde eine elastische, nicht kohäsive Bandage bis zum Oberschenkel gewickelt, die in der Folge am Bein gerutscht ist und unter dem Knie einschnürt. Der Patient hat das Problem durch Knoten gelöst.
Abbildung 1
Fehlerquelle 2: Thrombose-Prophylaxestrümpfe Diese Strümpfe sind für das Tragen im Liegen gedacht und haben daher eine Langzugwirksamkeit. Es gibt sie nur in wenigen Grössen, sodass Patienten mit kräftigen Oberschenkeln selten korrekt versorgt werden können. Hier im Bild war der
Merksätze
❖ Kompression soll der Situation angemessen und dem Patienten zumutbar sein.
❖ Kompression muss vom Patienten verstanden werden, insbesondere der Grund, warum sie getragen werden soll und wie sie angelegt werden muss.
❖ Der Arzt sollte sich vom korrekten Sitz der Kompression und der Wirksamkeit nach einigen Wochen überzeugen.
Abbildungen 2a und 2b
Patient nicht in der Lage, die Strümpfe bis nach oben zu ziehen, weil der Haftrand für den Oberschenkel zu eng war. Der Strumpf schnürt am Knie ein und ist offensichtlich kontraproduktiv. Thromboseprophylaxestrümpfe (auch «Krankenhausstrümpfe» genannt) sind für das Tragen im Alltag nicht geeignet, da sie beim aufrechten Gang im Gegensatz zu den Kompressionsstrümpfen keinen Arbeitsdruck aufbringen.
Fehlerquelle 3: Schenkelstrümpfe Bei konisch zulaufenden Oberschenkeln kann es Probleme mit dem Haftrand von Schenkelstrümpfen geben. Auch Männer haben bei Schenkelstrümpfen oft Probleme, weil
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SERIE KOMPRESSIONSTHERAPIE
jedoch korrekt lang – er muss zwei Querfinger unter der Kniebeuge enden. Mit einem Noppenhandschuh lässt sich das Strumpfmaterial am Bein verteilen, sodass die Kompressionswirkung am effektivsten ist (Abbildung 5d).
Abbildungen 3a und 3b
der Haftrand auf den Haaren schlecht hält. Indiziert sind Schenkelstrümpfe nur nach Therapie einer Varikose, die am Oberschenkel verläuft, oder auf ausdrücklichen Wunsch (z.B. wenn die Patientin gerne Röcke trägt) oder wenn eine Versorgung mit Kompressionsstrumpfhose für den Patienten nicht infrage kommt. Die Lösung liegt daher meist in der Verordnung eines Kompressionskniestrumpfes als Alternative oder in der Wahl geeigneter Haftränder, die auch auf (bei Bedarf rasierten) Männerbeinen oder Oberschenkeln mit Lipödem haften. Abbildung 3b: Ideenreiche Patientin, bei der der Haftrand einrollt und nicht hält. Pfiffige Problemlösung, die sicher nicht das angestrebte Ziel sein sollte!
Fehlerquelle 4: Motivation und
Verständnis
Der Patient muss verstehen, wa-
rum er einen Kompressions-
strumpf trägt. Diese Patientin mit
einer ausgeprägten venösen Insuf-
fizienz und Hautveränderungen
sollte den Strumpf in Kombination
mit Wundauflagen tragen, um die
Hautverletzungen an der Waden-
Abbildung 4
innenseite rechts zu verringern. Da sie meinte, den Strumpf nicht über
die Wundauflagen ziehen zu können, schnitt sie ihn kurzer-
hand ab. Zur Kompressionsbehandlung muss daher immer
ein Gespräch zur Motivation geführt werden, am besten ist
es, wenn man den Strumpf zusammen mit dem Patienten
über die Wundauflagen anlegt. Hierfür gibt es besondere
Hilfsmittel, wie zum Beispiel Unterziehstrümpfe, mit denen
Wundauflagen fixiert werden können.
Fehlerquelle 5: Der Sitz der Strümpfe Kompressionsstrümpfe sind längselastisch und werden oft von Patienten zu lang gezogen (Abbildung 5a). Viele Patienten lösen dieses vermeintliche Problem durch Umschlagen des Strumpfes (Abbildung 5b). Alternativ geschieht es leicht, dass der Strumpf am Bein verrutscht und Falten schlägt (Abbildung 5c). Der Strumpf ist
Fehlerquelle 6: Kompression bei Verschlusskrankheit Diese Patientin erhielt eine feste Bandage trotz einer schlechten arteriellen Perfusion mit einem KnöchelArm-Index von 0,4! Die Haut zeigt Druckstellen und Blauverfärbungen. Eine Bandagierung ist an diesem Bein kontraindiziert.
Abbildung 6
Fehlerquelle 7: Einschnürende Strümpfe bei Lipödem
Bei diesem ausgeprägten
Lipödem wurde korrekter-
weise ein Flachstrickstrumpf
verordnet, der eigentlich
über die Furchen am Knö-
chel hinweg gespannt sitzen
und das Einschnüren ver-
meiden sollte. In diesem Fall
ist er jedoch zu lang vermes-
sen und hat eine tiefe Fur- Abbildung 7
chenbildung am Knöchel
verursacht (s. rechts nach Ablegen des Strumpfes und links
unter Kompression).
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Korrespondenzadressen: Dr. med. Thomas Hertel Facharzt für Innere Medizin MVZ Gefässzentrum Zwickau Bahnhofstrasse 30, D- 08056 Zwickau E-Mail: info@gefaesszentrum-zwickau.de
Dr. med. Erika Mendoza Fachärztin für Allgemeinmedizin, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für CHIVA, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie Speckenstrasse 10, D-31515 Wunstorf E-Mail: Erika.mendoza@t-online.de
Abbildungen: Hertel, Mendoza Interessenskonflikte: keine
Abbildungen 5a, 5b, 5c, 5d
Im Rahmen dieser Serie, die auf Anregung der Firma Sigvaris entstand, kommen verschiedene Experten zu Wort. Deren Angaben basieren auf der aktuellen Studienlage und Erfahrungswerten aus der Praxis.
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