Transkript
Berichte, Studien, Innovationen
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Ustekinumab bei therapierefraktärem Morbus Crohn
Hilft das Psoriasismedikament, wenn TNF-Antagonisten nicht wirken?
Die medikamentöse Behandlung von Patienten mit M. Crohn, die auf TNF-Inhibitoren nicht (mehr) ansprechen, ist eine grosse Herausforderung. Eine aktuelle Studie untersuchte den Einsatz des Antikörpers Ustekinumab, der bis anhin als Antipsoriatikum zugelassen ist, bei Patienten mit therapierefraktärem M. Crohn.
NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE
Ein Drittel der Patienten mit M. Crohn spricht nicht auf eine Behandlung mit Tumornekrosefaktor-(TNF-)Inhibitoren an (primäre Non-Response), bei einem weiteren Drittel wirken TNF-Antagonisten nur vorübergehend (sekundäre Non-Response). Bei Letzteren muss entweder die Dosis erhöht oder eine andere Therapie begonnen werden. Patienten mit primärer NonResponse profitieren nur selten von einem anderen TNF-Inhibitor, und auch bei Patienten mit sekundärer Non-Response sind die Erfolgsaussichten nicht sehr gut, wenn man ihnen einen anderen TNF-Antagonisten verabreicht. Präklinische Studien sprechen dafür, dass Interleukin-12 und Interleukin-23 in der Pathophysiologie des M. Crohn eine Rolle spielen. Ustekinumab, ein humaner monoklonaler IgG1-Antikörper, blockiert die biologische Aktivität von Interleukin-12 und Interleukin-23, indem er die Rezeptoren für diese beiden Zytokine auf T-Zellen, natürlichen Killerzellen und antigenpräsentierenden Zellen inhibiert. In einer früheren Phase-IIa-Studie konnte die Wirksamkeit von Ustekinumab bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem M. Crohn gezeigt werden – insbesondere bei Patienten, die zuvor Infliximab erhalten hatten. Ustekinumab ist derzeit für die Behandlung der mittelschweren bis schweren Plaquepsoriasis zugelassen.
Im Rahmen der aktuellen randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie über insgesamt 36 Wochen wurde Ustekinumab bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem M. Crohn untersucht, die auf TNF-Antagonisten nicht ansprachen.
Studiendesign Während der Induktionsphase (Wochen 0–8) erhielten 526 Patienten randomisiert Ustekinumab intravenös (in einer Dosis von 1, 3 oder 6 mg/kg Körpergewicht) oder Plazebo in Woche 0. In der Erhaltungsphase folgte eine weitere Randomisierung: 145 Patienten, die in Woche 6 eine Response auf Ustekinumab zeigten, erhielten in Woche 8 und 16 randomisiert entweder Ustekinumab (90 mg) oder Plazebo subkutan injiziert. Primärer Endpunkt war die klinische Response in Woche 6. Wichtige sekundäre Endpunkte waren: ❖ klinische Remission in Woche 6 ❖ klinische Response in Woche 4 ❖ klinische Remission in Woche 22 bei
denjenigen Patienten, die in Woche 6 ein Ansprechen auf Ustekinumab gezeigt hatten.
Ergebnisse Den primären Endpunkt erreichten 36,6, 34,1 und 39,7 Prozent der Patienten, die mit 1, 3 beziehungsweise 6 mg Ustekinumab pro kg Körpergewicht behandelt worden waren; in der Plazebogruppe erreichten 23,5 Prozent der Patienten den primären Endpunkt (p = 0,005 im Vergleich zur 6-mg-Gruppe). Die Rate an klinischen Remissionen unterschied sich in Woche 6 in der 6-mg-Gruppe nicht signifikant von der Rate in der Plazebogruppe. Die Erhaltungstherapie mit Ustekinumab führte im Vergleich zur Plazebogabe zu einer signifikant höheren Rate an klinischen Remissionen (41,7 vs. 27,4%, p = 0,03) und zu einer signifikant höheren Responserate (69,4 vs. 42,5%, p < 0,001) in Woche 22.
Merksätze
• Ein Drittel der Patienten mit M. Crohn spricht primär nicht auf eine Therapie mit TNF-Inhibitoren an, bei einem weiteren Drittel wirken TNF-Antagonisten nur für begrenzte Zeit.
• In der Pathophysiologie des M. Crohn spielen Interleukin-12 und -23 eine Rolle.
• Ustekinumab blockiert die biologische Aktivität von Interleukin-12 und -23 und zeigt bei Crohn-Patienten mit Resistenz gegenüber TNF-Inhibitoren eine gewisse Wirksamkeit.
Schwere Infektionen traten in der Induktionsphase bei 7 Patienten auf (6 von ihnen erhielten Ustekinumab). Während der Erhaltungsphase wurden bei 11 Patienten schwere Infektionen beobachtet (4 dieser Patienten wurden mit Ustekinumab behandelt). 1 Patient, der Ustekinumab erhielt, entwickelte ein Basalzellkarzinom.
Diskussion Ein erheblicher Anteil der Patienten mit mittelschwerem bis schwerem M. Crohn spricht auf eine Behandlung mit TNF-Antagonisten nicht oder nur vorübergehend an. Bei manchen Crohn-Patienten muss die Therapie mit TNF-Inhibitoren aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen werden. In der vorliegenden Studie zeigten CrohnPatienten mit Therapieresistenz gegenüber TNF-Antagonisten nach der Induktionsphase unter 6 mg Ustekinumab pro kg Körpergewicht häufiger eine klinische Response als unter Plazebo. Die Induktion mit Ustekinumab führte allerdings nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Remissionsrate. Hinsichtlich der sekundären Endpunkte erwies sich die Ustekinumabgabe (6 mg/kg Körpergewicht) im Vergleich zu Plazebo als überlegen. Niedrigere Ustekinumab-Induktionsdosierungen zeigten im Vergleich zu Plazebo im Allgemeinen einen gewissen Nutzen, die Unterschiede erreichten jedoch keine statistische Signifikanz. Unter den Patienten, die in der Induktionsphase auf Ustekinumab angesprochen hatten, war die klinische Responserate in Woche 22 unter einer Erhaltungstherapie mit 90 mg Ustekinumab höher als unter Plazebo. Patienten, die in der Induktionsphase auf Ustekinumab nicht ansprachen,
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Response und Remission
Die Krankheitsaktivität bei M. Crohn wird häufig mithilfe des CDAI (Crohn’s Disease Activity Index; die Scores reichen von annähernd 0 bis 600) erfasst. Höhere CDAI-Scores sprechen für eine erhöhte Krankheitsaktivität.
• In der vorgestellten Studie hatten die Patienten anfangs einen CDAI-Wert von 220 bis 450 Punkten.
• Primärer Endpunkt war eine klinische Response (Abnahme des CDAIWerts um ≥ 100 Punkte im Vergleich zum CDAI-Ausgangswert) in Woche 6. Bei Patienten mit einem CDAI-Ausgangswert von 248 oder weniger Punkten galt ein CDAI-Score unter 150 als klinische Response.
• Als sekundärer Endpunkt wurde unter anderen eine klinische Remission (CDAI < 150 Punkte) in Woche 6 definiert.
profitierten in der Erhaltungsphase nicht von einer zusätzlichen Ustekinumabtherapie.
Dass in der vorliegenden Studie hinsichtlich der Induktion von Remissionen keine signifikanten Unterschiede identifiziert werden konnten, hängt nach Ansicht der Autoren möglicherweise damit zusammen, dass die Patienten zu Beginn der Studie eine relativ hohe Krankheitsaktivität (CDAI, siehe Kasten), eine lange Erkrankungsdauer und eine Resistenz gegenüber früheren Therapien aufwiesen. Was das Sicherheitsprofil anbelangt, so entwickelte 1 mit Ustekinumab behandelter Patient ein Basalzellkarzinom. Todesfälle, schwere opportunistische Infektionen, Tuberkulosefälle oder gravierende kardiovaskuläre Ereignisse wurden nicht beobachtet, jedoch sind grössere Studien mit längerer Studiendauer erforderlich, um eventuelle seltene Nebenwirkungen zu erfassen. Zudem sind weitere Wirksamkeitsdaten notwendig, um den Stellenwert von Ustekinumab in der Erhaltungstherapie des M. Crohn zu bestimmen. In der vorliegenden Studie wurden Patienten mit einer Resistenz gegenüber TNF-Antagonisten untersucht. Ob sich die Ergebnisse auch auf andere Crohn-Patienten extrapolieren lassen, ist unklar.
Fazit
Patienten mit mittelschwerem oder schwe-
rem M. Crohn und Resistenz gegenüber
TNF-Antagonisten zeigten unter einer
Induktionstherapie mit Ustekinumab im
Vergleich zu einer Plazebogabe eine höhere
Responserate.
Patienten mit einer initialen Response auf
Ustekinumab wiesen signifikant erhöhte
Response- und Remissionsraten auf, wenn
sie eine Ustekinumab-Erhaltungstherapie
bekamen.
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Andrea Wülker
Sandborn WJ et al.: Ustekinumab induction and maintenance in refractory Crohn’s disease. N Engl J Med 2012; 367: 1519–1528.
Interessenlage: Die Studie wurde von Janssen Research and Development USA finanziert. Der Erstautor und einige der Co-Autoren geben Honorare und Forschungsgelder verschiedener Pharmafirmen an, einige der Autoren sind Angestellte von Johnson & Johnson.
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