Transkript
Behandlung der chronischen Rhinosinusitis
Lokale oder systemische Therapie?
FORTBILDUNG
Herr Müller sucht seinen Hausarzt auf, da er schon länger Mühe mit dem Atmen hat und Gerüche nicht mehr richtig wahrnimmt. Alles deutet auf eine chronische Rhinosinusitis hin. Doch wie wird eine genaue Diagnose gestellt, und welche Therapie eignet sich?
Allgemeinere Symptome sind zudem Halsschmerzen, Husten, Unwohlsein und Fieber. Daneben können auch Ohrenschmerzen, Mundgeruch oder Schlafstörungen auftreten. Für eine positive Diagnose wird ein ununterbrochener Krankheitsverlauf von mindestens 12 Wochen vorausgesetzt, und mindestens zwei Hauptsymptome sollten vorliegen. Nur Gesichts- oder Kopfschmerzen ohne andere nasale Beschwerden sind jedoch nur schwache Hinweise auf eine CRS.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
In der Hausarztpraxis stellen sich häufig Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis (CRS) vor. Es wird angenommen, dass zwischen 5 und 15 Prozent der Bevölkerung in Europa und den USA davon betroffen sind. Eine CRS ohne Nasenpolypen tritt dabei häufiger bei Frauen auf, wobei vermutlich ein Verhältnis von 2:1 vorliegt. Die Prävalenz nimmt mit zunehmendem Alter zu, bis sich schliesslich bei den über 60-Jährigen ein Gleichgewicht einpendelt.
Was deutet auf eine CRS hin? Charakteristischerweise sind die Schleimhäute in der Nase und den Nasennebenhöhlen entzündet. Die klinischen Hauptmerkmale einer CRS umfassen: ❖ Nasenatmungsbehinderungen ❖ vermehrte Sekretion ❖ Druck- oder Schwellungsgefühle im Gesichtsbereich ❖ Kopfschmerzen ❖ Riechstörungen.
Merksätze
❖ Eine chronische Rhinosinusitis (CRS) ist eine chronische Entzündung der Schleimhäute in der Nase und in den Nasennebenhöhlen.
❖ Schmerzen im Gesichtsbereich ohne weitere nasale Beschwerden sind nur ein schwacher Hinweis auf eine CRS.
❖ Eine CRS kann mit oder ohne Nasenpolypen auftreten.
❖ Zur Therapie werden in erster Linie intranasale Kortikoide eingesetzt.
❖ Ist eine medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich, kann eine funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlenoperation (FESS) in Erwägung gezogen werden.
Diagnose In der Hausarztpraxis wird die Diagnose vornehmlich anhand klinischer Symptome gestellt. Zunächst sollte zwischen einer akuten und einer chronischen Rhinosinusitis unterschieden werden. Es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Krankheitsbildern, doch eine CRS dauert länger an, und die Beschwerden sind häufig weniger markant ausgeprägt. Es gibt zuweilen Verwechslungen mit einer wiederkehrenden akuten Rhinosinusitis (ARS), bei der die Symptome vollständig abklingen, bevor sie erneut auftreten. Zur Erhärtung des Verdachts wird eine vordere Rhinoskopie empfohlen. Ergänzend kann der Schweregrad beurteilt werden: Dazu gibt es Bewertungsskalen wie die visuelle Analogskala (VAS). Bei Bedarf kann ein Spezialist zusätzliche Untersuchungen wie eine nasale Endoskopie durchführen. Damit werden auch Nasenpolypen entdeckt, die ein physisches Hindernis darstellen und somit die Nasenatmung erschweren. Des Weiteren können bildgebende Verfahren mehr Aufschluss geben. Die Computertomografie wird beispielsweise zur Vorbereitung einer Operation oder bei einem Verdacht auf Neoplasien eingesetzt. Dahingegen haben Röntgenverfahren in diesem Bereich kaum eine Bedeutung.
Wie wird eine CRS am besten behandelt? Lokale Hilfe: Randomisierte kontrollierte Studien (Evidenzklasse I) befürworten vorrangig intranasale Kortikoide (siehe Tabelle) in Form von Sprays oder Tropfen. Dabei wird in der Literatur kein bestimmter Steroidtyp bevorzugt. Durch ihren Einsatz wird die eosinophile Aktivität in der Schleimhaut zurückgedrängt. Der Langzeitgebrauch über einen Zeitraum von einem Jahr wird als sicher eingestuft, wobei keine schädlichen Auswirkungen auf die mikroskopische Struktur der Nasenschleimhaut erwartet werden. Problematisch könnte jedoch sein, dass das Kortikoid bei der lokalen Verabreichung unter Umständen nicht bis an den gewünschten Zielort gelangt. Häufige unerwünschte Wirkungen sind leicht blutiges Sekret bis hin zu Nasenblutungen und nasale Irritationen. Diese Nebeneffekte sind jedoch meistens schwach
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FORTBILDUNG
Ernste Warnhinweise, die eine fachärztliche Untersuchung erforderlich machen:
❖ einseitige Symptome ❖ Blockade ❖ Nasenbluten ❖ veränderte Geruchswahrnehmung ❖ Hervortreten des Augapfels ❖ Doppeltsehen ❖ Tränenfluss ❖ neurologische Beschwerden
gilt: Der Hausarzt sollte die Situation nach einer erstmaligen vierwöchigen Anwendung erneut beurteilen. Die Therapie kann bei Bedarf weitergeführt werden, falls sich tendenziell eine Verbesserung abzeichnet. Ist dies jedoch nicht der Fall, sollte ein HNO-Arzt hinzugezogen werden. Versagt die medikamentöse Intervention, kann die funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlenoperation (FESS) ein Ausweg sein. Diese Operationsform wird häufig bei einer CRS mit und ohne Nasenpolypen durchgeführt. Es handelt sich um einen endoskopischen Eingriff mit dem Ziel, die Ventilation und die mukoziliäre Clearance in den Nasennebenhöhlen wiederherzustellen. Danach lassen sich topische Präparate meistens auch wieder besser im Nasenraum verteilen.
Intranasale Kortikoide
Wirkstoff Budesonidum Fluticasonifuroas Fluticasoni-17-propionas Mometasoni-17-furoas Triamcinoloniacetonidum
Handelsname CH Budesonid Sandoz®, Cortinasal®, Rhinocort® Avamys® FlutinasePolynex®, Nasofan® Nasonex® Nasacort®
ausgeprägt und werden daher von den meisten Patienten toleriert. Ergänzend wird der Gebrauch von Kochsalzlösungen befürwortet. Sie eignen sich zum Befeuchten und zur Nasenspülung. Die kurzfristige Verwendung abschwellenden Nasensprays bei einer ARS kann sich positiv auswirken, aber bei der chronischen Form gibt es keine gesicherten Beweise für einen Nutzen. Systemische Arzneimittelgabe: Metaanalysen von randomisierten, kontrollierten Studien (Evidenzklasse Ia) befürworten die kurzfristige Einnahme oraler Steroide bei einer schweren CRS mit Nasenpolypen (VAS > 7–10). Am häufigsten wurde Prednisolon über einen Zeitraum von 2 bis zu 12 Wochen untersucht. Die tägliche Dosierung betrug dabei 25 bis 50 mg. Aufgrund möglicher unerwünschter Wirkungen ist diese Behandlungsoption allerdings nur eingeschränkt praktikabel. In zweiter Linie können auch Antibiotika eingesetzt werden. Zwei randomisierte, kontrollierte Studien (Evidenzklasse Ib) beurteilten die Gabe von Makroliden über einen Zeitraum von 12 Wochen. Die Teilnehmer hatten eine CRS ohne Nasenpolypen, wobei eine topische Therapie mit Kortikoiden und Kochsalzlösung nicht zum Ziel geführt hatte. Nur eine der zwei Studien demonstrierte jedoch einen signifikanten Nutzen des Makrolids, vor allem bei Patienten mit niedrigen IgE-Spiegeln. Des Weiteren gibt es Fakten (Evidenzklasse III) über den Einsatz von Doxycyclin. Die untersuchten Patienten litten an einer CRS mit Nasenpolypen und wurden 4 bis 12 Wochen lang behandelt. Im Gegensatz dazu wird die Verabreichung topischer Antibiotika aufgrund der Datenlage nicht empfohlen.
Komorbiditäten im Fokus
Was verursacht eine CRS? Verschiedene Faktoren können
Belüftungsstörungen, Abflussbehinderungen und Sekretan-
sammlungen hervorrufen. Dies kann Entzündungen und
Infektionen auslösen, wodurch eine CRS begünstigt wird.
Indem die Auslöser ausgeschaltet werden, lässt sich der Ver-
lauf einer CRS positiv beeinflussen. Zunächst einmal sollten
Raucher ihren Zigarettenkonsum verringern, denn bei ihnen
liegt eine erhöhte Prävalenz vor. Durch eine Operation kön-
nen anatomische Engstellen beseitigt werden; eine veränderte
oder verformte Nasenscheidewand ist ein solches Beispiel.
Ausserdem können Nasenpolypen die Nasennebenhöhlen
verschliessen. Sie treten insbesondere bei Patienten mit einer
erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Aspirin auf. Eine ge-
zielte Desensibilisierung gegenüber diesem Wirkstoff ist ein
Ansatz, der jedoch noch nicht gut untersucht ist. Auch
Personen mit einer Mukoviszidose sind anfällig für Nasen-
polypen. Bei ihnen kommt eine verminderte Selbstreinigung
der Nasennebenhöhlen aufgrund dysfunktionaler Flimmer-
haare erschwerend hinzu. Des Weiteren können die Schleim-
häute wegen einer allergischen Reaktion anschwellen. Ein
abklärender Test auf auslösende Allergene und gegebenen-
falls eine antiallergische Behandlung können hilfreich sein.
Daneben können sich Asthma und eine CRS gegenseitig be-
einflussen. Eine Studie untersuchte die Wirkung des Leuko-
trienantagonisten Montelukast (Singulair®) bei Asthmatikern
mit Nasenpolypen. Die klinischen Symptome, die anhand der
VAS beurteilt wurden, verbesserten sich. Weitere Unter-
suchungen sind allerdings wünschenswert, um das Ausmass
des Nutzens näher zu bestimmen.
Neben der klassischen Therapie mit intranasalen Kortikoi-
den stehen somit verschiedene Optionen zur Verfügung, um
eine CRS bestmöglich in den Griff zu bekommen.
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Monika Lenzer
Quelle: Ah-See KL et al.: Management of chronic rhinosinusitis. BMJ 2012; 345: e7054. Interessenkonflikte: Die Autoren bestätigen, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Operation anstatt Medikamente Es gibt keine allgemeingültigen Empfehlungen für eine optimale Behandlungsdauer mit topischen Steroiden. Generell
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