Transkript
Berichte, Studien, Innovationen
ARGUS PHYTOTHERAPIE
Symphytum als Helfer in der Not bei verletzten Kindern
Anwendung bei offenen Wunden möglich?
Extrakte aus Symphytum, auch Wallwurz oder Beinwell genannt, eignen sich zur Behandlung stumpfer Verletzungen. Da sie oftmals toxische Pyrrolizidinalkaloide enthalten, ist die Anwendung auf offenen Wunden in Verruf geraten. Ist diese Ansicht noch aktuell?
ARZNEIMITTELFORSCHUNG
Beim Herumtoben ist es keine Seltenheit, dass sich Kinder verletzen. Dann ist eine wirksame und verträgliche Hilfe gefragt. Eine pädiatrische Studie untersuchte daher bei 361 Kindern die Wirksamkeit von Zubereitungen aus Symphytum bei stumpfen Traumata wie Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen. Diese Verletzungen werden manchmal von Hautabschürfungen begleitet. Da Symphytum toxische Pyrrolizidinalkaloide enthalten kann, wird jedoch von einer Anwendung auf offenen Wunden abgeraten. Es gibt allerdings auch pyrrolizidinalkaloidfreie Kulturen wie die Hybride Symphytum × uplandicum NYMAN (Futter-Beinwell). Hier stellt sich die Frage: Können damit Hautabschürfungen tatsächlich unbedenklich und wirksam behandelt werden?
Studiendesign Eine randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Studie untersuchte die Wirksamkeit eines Pflanzenextrakts, der aus den oberirdischen Teilen von Symphytum × uplandicum NYMAN gewonnen wurde. Dabei wurde ein hoch dosierter, 10-prozentiger Extrakt (Traumaplant®) im Vergleich zu einer schwächeren, 1-prozentigen Kontrollzubereitung getestet, wobei das DrogeExtrakt-Verhältnis 2,5:1 betrug. Dies bedeutet, dass die hoch dosierte Creme 25 g und die Kontrolle 2,5 g frisches Symphytumkraut pro 100 g Creme enthielt. In beiden Präparaten waren keine Pyrrolizidinalkaloide nachweisbar (Detektionsgrenze < 0,1 µg/g). Damit wurden insgesamt 108 Kinder im Alter von 3 bis 12 Jahren behandelt, die im 1:1-Verhältnis auf zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Sie hatten
frische Abschürfungen, die nicht älter als 24 Stunden waren. Ihre Wunden waren rundlich bis elliptisch und scharf abgegrenzt.
Ergebnisse Nach dem ersten Arztbesuch erfolgten eine weitere Visite nach 2 bis 3 Tagen und eine nach 7 bis 9 Tagen. Jedesmal wurde die Wundfläche mithilfe der Flächenformel für Ellipsen bestimmt. Anhand dieser Daten wurde die Heilungsrate ermittelt. Zu Studienbeginn betrug die durchschnittliche Wundfläche 1030 mm2. In der Verumgruppe nahm die Wundfläche innerhalb von 1,8 Tagen um 50 Prozent ab; in der Kontrollgruppe dauerte es hingegen 2,7 Tage, wobei der Unterschied von 0,9 Tagen als klinisch relevant angesehen wird. Die Wundheilungsraten betrugen dabei 0,38 ± 0,18/Tag bei der stärkeren Creme (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,33– 0,43) versus 0,26 ± 0,14/Tag bei der schwächeren Konzentration (95%-KI: 0,222– 0,297). Der Unterschied war statistisch signifikant (t-Test, p = 0,0002). Ausserdem konnte anhand der Daten abgeleitet werden, dass die durchschnittliche Zeit bis zur vollständigen Wundheilung bei der stärkeren Zubereitung im Vergleich zur Kontrolle um 4,1 Tage kürzer ist. Der Unterschied zwischen den Regressionslinien ist dabei hochsignifikant (p = 7,8 × 10–14).
Einschätzung von Ärzten und Patienten Um die Wirksamkeit der beiden Zubereitungen zu beurteilen, benutzten die Ärzte eine fünfstufige Skala von 1 (sehr guter Effekt) bis 5 (kein Effekt), und die Patienten erhielten einen entsprechenden Fragebogen mit Smileys. Nach 2 bis 3 Tagen beurteilten 90,7 Prozent der Ärzte in der Verumgruppe die Wirksamkeit als gut bis sehr gut, wohingegen nur 55,6 Prozent der Ärzte in der Kontrollgruppe eine gute bis sehr gute Wirkung bestätigten (p = 0,0004). Nach 7 bis 9 Tagen war immer noch ein signifikanter Unterschied (p = 0,01) zwischen den beiden Gruppen feststellbar, obwohl aufgrund der Selbstheilung keine
Merksätze
• Zubereitungen mit Extrakten aus Symphytum sind bereits für Kinder geeignet.
• Sofern keine toxischen Pyrrolizidinalkaloide enthalten sind, können Präparate aus Symphytum bei stumpfen Verletzungen mit oder ohne Abschürfungen eingesetzt werden.
grosse Abweichung mehr zu erwarten war. Dabei stuften 92,6 Prozent der Ärzte in der Verumgruppe versus 74,0 Prozent der Ärzte in der Kontrollgruppe die Wirksamkeit als gut bis sehr gut ein. Die Angaben der Patienten korrelierten mit denen der Ärzte.
Fazit Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass der Zeitraum zwischen dem Unfall und der ersten Vorstellung beim Arzt, die Wundfläche, der betroffene Körperteil, die Verletzungsursache und das Geschlecht keinen signifikanten Einfluss auf die Heilungsrate hatten. Des Weiteren wurden keine unerwünschten Wirkungen oder Verträglichkeitsprobleme wie lokale Hautreizungen berichtet. Insgesamt befürworten die Ergebnisse das Auftragen von Cremes mit pyrrolizidinalkaloidfreien Extrakten aus Symphytum bereits bei Kindern mit stumpfen Verletzungen mit oder ohne Abschürfungen. Selbstverständlich können damit auch Erwachsene behandelt werden. ❖
Monika Lenzer
Quelle: Barna M et al.: Randomized double-blind study: woundhealing effects of a Symphytum herb extract cream (Symphytum × uplandicum NYMAN) in children. Arzneimittelforschung 2012; 62: 285–289.
Interessenkonflikte: Die Studie wurde von der Harras Pharma Curarina GmbH (München, Deutschland) finanziell unterstützt.
ARS MEDICI 3 ■ 2013
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