Transkript
FORTBILDUNG
Morbus Parkinson
Je weiter fortgeschritten, desto schwerer therapierbar
Der Londoner Arzt James Parkinson beschrieb die nach ihm benannte Erkrankung erstmals im Jahr 1817. Heilbar ist Morbus Parkinson nach wie vor nicht, aber immerhin lassen sich die Beschwerden oftmals über lange Zeit lindern.
ANNALS OF INTERNAL MEDICINE
Morbus Parkinson kann bereits in jungen Jahren auftreten. Ein bekanntes Beispiel ist der Schauspieler Michael J. Fox, der mit gerade einmal 30 Jahren daran erkrankte. In der Regel erfolgt die Diagnose aber erst bei über 50-Jährigen. Heute sind rund ein Prozent der über 65-Jährigen und 2,5 Prozent der über 80-Jährigen betroffen. Weltweit gibt es mittlerweile über 4 Millionen Patienten, wobei sich diese Zahl bis 2030 voraussichtlich verdoppeln wird. Die genaue Ursache dieser neurodegenerativen Erkrankung ist bisher unbekannt. Kennzeichnend ist der Untergang von Nervenzellen, wobei vor allem die Substantia nigra des Gehirns betroffen ist. Dadurch wird weniger Dopamin produziert, weshalb motorische Störungen einsetzen. Sehr häufig kann dann ein Ruhetremor beobachtet werden. Typisch ist auch eine gesteigerte Grundspannung der Skelettmuskulatur, der sogenannte Rigor. Ein weiterer Hinweis ist die Bradykinesie, das heisst, die Bewegungsabläufe verlangsamen sich zunehmend. Ausserdem kämpfen die Betroffenen womöglich mit Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, und nicht motorische Symptome wie Schlafstörungen können eine Rolle spielen.
Merksätze
❖ Bei Morbus Parkinson wird durch den Untergang von Nervenzellen in der Substantia nigra weniger Dopamin produziert.
❖ Typische Symptome sind Bradykinesie, Ruhetremor und Rigor.
❖ Motorische Störungen lassen sich mit Levodopa gut behandeln, doch bei einer Langzeitanwendung sind Dyskinesien und Wearingoff-Phänomene möglich.
❖ Nicht motorische Symptome können die Lebensqualität ebenfalls einschränken.
Diagnose Bei einer Bradykinesie plus Tremor oder Rigor muss ein Morbus Parkinson in Betracht gezogen werden. Üblicherweise ist zunächst nur eine Körperhälfte betroffen, wobei diese mit dem Fortschreiten der Krankheit weiterhin stärker betroffen bleibt. Einen spezifischen Nachweistest, um die Diagnose eindeutig abzusichern, gibt es allerdings bis anhin nicht. Einen guten Anhaltspunkt liefert immerhin das Ansprechen auf die Gabe von Levodopa oder eines Dopaminagonisten. Bei der Anamnese stellt sich ausserdem die Frage, ob der Betroffene andere Medikamente einnimmt, die Parkinson-artige Symptome auslösen können. Weitere wichtige Punkte sind Vorkommnisse wie Enzephalitis, schwere Kopfverletzungen, Schlaganfälle oder ähnliche Begebenheiten in der Vergangenheit des Patienten, da die Beschwerden damit im Zusammenhang stehen könnten. In manchen Fällen sind weitere Tests wie Magnetresonanztomografie (MRT), Positronen-Emissions-Tomografie (PET) oder EinzelphotonEmissions-Tomografie (SPECT) sinnvoll, um die Form des Parkinson näher zu bestimmen oder ihn von anderen Erkrankungen abzugrenzen. Neben dem idiopathischen Parkinson-Syndrom gibt es das symptomatische ParkinsonSyndrom, das atypische Parkinson-Syndrom im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen und das eher seltene familiäre Parkinson-Syndrom.
Behandlungsstrategie Zuvorderst steht eine regelmässige körperliche Betätigung, um den körperlichen Verfall zu bremsen. Mit verschiedenen Wirkstoffen kann zudem der vorherrschende Dopaminmangel ausgeglichen werden. Üblicherweise werden zu Beginn Levodopa, Dopaminagonisten oder MAO-B-(Monoaminooxidase-B-)Hemmer verschrieben, wenn körperliche Beeinträchtigungen auftreten. Von diesen Medikamenten ist Levodopa am effektivsten, um motorische Störungen in den Griff zu bekommen. Es wird üblicherweise zusammen mit peripher wirkenden Decarboxylasehemmern wie Carbidopa oder Benserazid verabreicht. Sie blockieren in der Körperperipherie den Abbau von Levodopa zu Dopamin, womit mehr Levodopa ins Gehirn gelangt und dort zu Dopamin umgewandelt wird. Gleichzeitig werden damit auch unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit vermindert. Bei einer Langzeitanwendung treten jedoch häufig motorische Komplikationen auf. Dazu gehören Dyskinesien und das Wearing-off-Phänomen, bei dem die Symptome gegen Ende eines Dosierungsintervalls wieder auftreten. Dopaminagonisten können diese Problematik möglicherweise hinauszögern,
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eine Depression auf, werden gern selektive
Tabelle:
Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI)
Parkinson-Therapeutika
eingesetzt, obwohl es momentan keine qualitativ hochwertigen Studien mit de-
Wirkstoffgruppe
Wirkstoff
Handelsname
pressiven Parkinson-Erkrankten gibt. Wer-
NMDA-Antagonist Anticholinergika
Amantadin Biperiden
PK-Merz® Akineton®
den bei psychischen Problemen Arzneimittel wie Neuroleptika verabreicht, ist zu beachten, dass diese selbst Parkinson-artige
COMT-Hemmer
Tolcapon
Tasmar®
Symptome hervorrufen können; eine Aus-
Entacapon
Comtan®
nahme bilden jedoch die Wirkstoffe Cloza-
Dopamin-Agonisten
Cabergolin Pramipexol Rotigotin Ropinirol Apomorphin
Cabaser® und Generika Sifrol® und Generika Neupro® Requip® Apomorphin HCL Amino®
pin und Quetiapin. Des Weiteren steht der Wirkstoff Tolterodin zur Besänftigung einer hyperaktiven Blase zur Verfügung. Nachteilig ist jedoch, dass möglicherweise kognitive Störungen begünstigt werden. Interessant sind daher auch Solifenacin
Levodopa-Kombinationen Levodopa + Benserazid
Madopar®
und Darifenacin, da sie die Blut-Hirn-
Levodopa + Carbidopa
Sinemet® und Generika
Schranke nicht überwinden können. Bei
MAO-B-Hemmer
Levodopa + Carbidopa + Entacapon Stalevo®
Rasagilin Selegilin
Azilect® Selegilin Mepha® u.a.
einer orthostatischen Hypotonie gilt dahingegen die Empfehlung, auf eine hohe Flüssigkeits- und Salzzufuhr zu achten und Stützstrümpfe zu tragen. In schweren Fäl-
len wird der Einsatz von Midodrin
diskutiert, doch die Datenlage ist dünn.
wenn sie als Erstbehandlung anstelle von Levodopa gewählt Zudem könnte Midodrin eine Hypertension in Rückenlage
werden. Vor allem bei jüngeren Patienten unter 50 Jahren verschlimmern. Tritt ausserdem eine Obstipation auf, stehen
wird damit oft die Therapie eingeleitet, wohingegen bei über verschiedene Mittel zur Stuhlerweichung wie isoosmotische
70-Jährigen zumeist mit Levodopa gestartet wird.
Macrogol-Elektrolytlösungen zur Verfügung. Manchmal
reicht es bereits aus, viel zu trinken und sich ballaststoff-
Langzeittherapie
reichzu ernähren. Da die Knochendichte bei Parkinson-
Mit dem Fortschreiten der Erkrankung muss die Dosierung Erkrankten in vielen Fällen herabgesetzt ist, sollten ausser-
der Medikamente angepasst werden, und gegebenenfalls sind dem genügend Kalzium und Vitamin D konsumiert werden.
zusätzliche Arzneimittel notwendig. Treten bei einer Mono- Daneben wird diskutiert, ob eine proteinarme Kost bei
therapie mit Levodopa Dyskinesien auf, kann die Dosis von Patienten mit On-Off-Symptomatik hilft.
Levodopa durch die zusätzliche Gabe von Amantadin oder
Dopaminagonisten verringert werden. Alternativ könnten Prognose
die Patienten von einer verringerten Levodopadosis in kürze- Morbus Parkinson schreitet als chronische Erkrankung lang-
ren Intervallen profitieren. Falls dahingegen das Wearing-off- sam, aber sicher fort, wobei der Verlauf von Patient zu
Phänomen auftritt, kann ein COMT (Catechol-O-Methyl- Patient sehr unterschiedlich ist. Mit Medikamenten kann der
Transferase)-Hemmer wie Entacapon oder ein MAO-B- Dopaminmangel jedoch gut kompensiert werden, und Be-
Hemmer wie Rasagilin ergänzend eingesetzt werden. Darü- gleiterscheinungen lassen sich damit lindern. Daher können
ber hinaus kann das Verabreichungsschema von Levodopa viele Betroffene relativ lange ein normales Leben ohne grosse
angepasst werden. Der Dopaminagonist Apomorphin ist üb- Beschwerden führen, wenngleich die Langzeitbehandlung
rigens ein gutes Überbrückungsmedikament, bis die nächste aufgrund unerwünschter Wirkungen und eines allmählichen
Levodopadosis wirkt, da seine Wirkung schnell einsetzt, Gewöhnungseffekts eine Herausforderung ist. Wird mit einer
jedoch nur rund eine Stunde andauert.
medikamentösen Therapie kein zufriedenstellendes Ergebnis
An unerwünschten Wirkungen tritt vor allem Übelkeit häufig erzielt, besteht noch die Möglichkeit einer Tiefenhirn-
auf. Bitte nicht vergessen: Antiemetika wie Metoclopramid stimulation, doch nur wenige Patienten eignen sich für diesen
und Phenothiazinderivate können ebenfalls Dyskinesien ver- Eingriff. Es bleibt zu hoffen, dass Morbus Parkinson irgend-
ursachen und sollten daher nicht eingesetzt werden. Weitere wann heilbar sein wird.
❖
Nebenwirkungen sind starke Schläfrigkeitsgefühle, peri-
phere Ödeme und ein Verlust der Impulskontrolle, der sich Monika Lenzer
durch übermässiges Essen, exzessives Einkaufen oder ähn-
liche Aktivitäten äussern kann.
Quelle: Chou KL et al: In the clinic. Parkinson disease. Ann Intern Med 2012; 157(9): ITC5-1–ITC5-16.
Schlaflosigkeit & Co. Nicht motorische Symptome dürfen nicht vernachlässigt werden, da sie möglicherweise die Lebensqualität ebenfalls stark vermindern. REM-Schlaf-Störungen sind dabei häufig, wobei oft mit Clonazepam gute Erfolge erzielt werden. Tritt
Interessenkonflikte: In der Publikation finden sich keine Angaben zu Interessenkonflikten.
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