Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
«Heute hat die FMH die Schweizerische Akademie für Qualität in der Medizin (SAQM) gegründet.» So beginnt die Medienmitteilung aus dem Hause FMH von Ende November 2012. Man ahnt, was folgt. Sie wissen, was unter «Bullshit» zu verstehen ist? Im Englischen wird der Begriff (eingeführt vom amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt) verwendet im Sinn von Rubbish, Nonsense, Balderdash, Trash, Hogwash, Bulldada, Guff, Gibberish, Drivel. Zu Deutsch: Mumpitz, Unsinn, Quatsch, Phrasen, Schmonzes, sinnloses Geschwätz, Quark, Kauderwelsch, Geschwafel, Gelaber, Gesabber, Gequassel, Geseiche, Wischiwaschi. Oder in beiden Sprachen: Blabla.
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Manche Texte muss man gar nicht erst durch den Blabla-Meter (www.blabla meter.de) schicken, um den Nachweis zu führen, dass es sich um Bullshit handelt. Man sieht es ihnen an. Die Medienmitteilung der FMH strotzt nicht nur vor, sie besteht praktisch ausschliesslich aus Wort- und Satzhülsen. Da finden sich Satzfetzen wie «Behandlungsqualität in der Medizin sicherstellen und weiterentwickeln», «mitgestalten und Verantwortung wahrnehmen», «Strukturen zur Qualitätsarbeit», «professionalisieren», «zum Nutzen der Patientinnen und Patienten», «Qualität fachübergreifend behandeln», «institutionalisierter Austausch», «von Synergien profitieren», «Qualitätskultur zu entwickeln», «konkrete Qualitätsprojekte unterstützen», «Qualitätsfragen verankern», «Vernetzung, Kommunikation, Koordination von Qualitätsaktivitäten fördern». Fehlt nur noch der alles überstrahlende Satz: «Eine solide Grundlage ist Voraussetzung für eine gesunde Basis.»
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Als wichtigen Hinweis findet man in der Medienmitteilung, dass die SAQM Partnerin des geplanten Bundesinstituts für Qualität werden will. Ein Bundesinstitut fur Qualität, nachdem dank
des Widerstands im Ständerat wenigstens ein überflüssiges Institut für Präventivmedizin verhindert werden konnte. Die Lobby lässt nicht locker, es war vorauszusehen (und wurde, auch von uns, vorhergesagt). Wenn nicht Prävention, dann wenigstens Qualität. Irgendein Institut muss her – als Spielwiese und Werkstätte für Kollegen und Nichtkollegen, die jenen wenigen Übriggebliebenen, die die eigentlich wertschöpfende und werthaltige Arbeit leisten, sagen, wie und was und zu welchen Konditionen sie zu arbeiten haben.
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Die Firma Gilette (Brasilien), die Credit Suisse, Nike, Mercedes, Lindt, Jura, Rolex, Nationale Suisse und Wilson überweisen unserem sympathischen Roger Federer Jahr für Jahr Dutzende Millionenbeträge. Seine Gegenleistung: ein paar Termine mit deren Kunden, dazu einige Fotoshootings und Videoclipaufnahmen mit Präsentation der Produkte dieser Firmen. Die Firma Novartis überwies ihrem CEO Daniel Vasella etwas weniger, aber ebenfalls noch so um die 25 Millionen Schweizer Franken pro Jahr. Gegenleistung: eine 100-Prozent-Stelle mit vermutlich eher 200 Prozent Engagement. Der eine ist unser Swiss Hero, der andere ein «Abzocker». Zahlen tun’s in beiden Fällen die Konsumenten. Aber das ist nicht der Clou. Das Entscheidende ist die Politik beziehungsweise sind die Politiker. Gegen RF (Gesamtvermögen geschätzt: 350 Millionen Franken) etwas zu sagen, wäre politischer Suizid. Genau wie nichts zu sagen gegen Vasella.
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Dass er alt geworden sei, hatte er ja noch mit Würde zur Kenntnis genommen. Als man ihm dann aber sagte, er sei noch rüstig, wusste er, dass er vom dritten in den vierten (und letzten) Lebensabschnitt gewechselt hatte.
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Dass der Zulassungsstopp für Arztpraxen überhaupt eine Chance hat, liegt
nicht zuletzt an den kantonalen Gesundheitsdirektoren. Die haben – wie alle Beteiligten mit Partialinteressen (also alle) – nicht nur und schon gar nicht in erster Linie die volkswirtschaftlichen Kosten im Auge. Sie trachten danach, ihre Spitäler über die Runden zu bringen, mit möglichst wenig Kosten und möglichst hohen Einnahmen. Und wo generiert man Einnahmen? Natürlich bei denjenigen Angeboten, die dank guter Taxpunktwerte attraktiv sind, wie zum Beispiel bei orthopädischen Operationen. Kein Wunder haben es einige Privatspitäler schwer, auf die Spitallisten zu kommen. Die werden nämlich von jenen erstellt, die sich ziemlich partiell für die Interessen der kantonseigenen Kliniken einsetzen.
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Einnahmen erzielen die Spitäler immer mehr auch bei Dienstleistungen, mit denen sie die Hausärzte und praktizierenden Fachärzte konkurrenzieren. So ein Zulassungsstopp kommt da ganz gelegen. Weniger Praktiker heisst mehr Patienten im Spitalambi. Ob das gut ist für die Patienten, ob das der Qualität der medizinischen Versorgung dienlich ist und ob die gesamtwirtschaftlichen Kosten dadurch steigen – das sind für die Kantone zweitrangige Fragen. Ausbaden dürfen die teurer werdende Suppe dann wieder die Praktiker.
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Und das meint Walti: Ein Nickerchen hinterm Lenkrad schützt vorm Älterwerden.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 1 ■ 2013
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