Transkript
EDITORIAL
Anschlussfähig? Aber sicher!
Die Tibetische Medizin ist eine kleine Sparte der Phytotherapie. Sucht man aktuell in der Datenbank Medline nach dem Stichwort «Tibet», so finden sich einige hundert Forschungsarbeiten zu dem Thema. Mit berechtigtem Stolz kann man hinzufügen, dass einige wichtige Arbeiten zur Tibetischen Medizin ihren Ursprung in der Schweiz haben, wo europaweit einzigartig seit mehr als 40 Jahren tibetische Arzneimittel hergestellt werden. Dieses Beispiel zeigt paradigmatisch, wie sich Komplementärmedizin und damit auch traditionelle Medizinsysteme entwickeln können. Heute stellt sich die Frage, inwieweit verschiedene Therapierichtungen anschlussfähig sind.Anschlussfähigkeit meint im Praxisalltag, dass eine sinnvolle Zusammenarbeit verschiedener Therapiesysteme existiert, bei der gemeinsame Interaktionen und Schnittstellen gefunden und in der täglichen Arbeit zu einem kohärenten Ganzen integriert werden. Komplementärmedizin hat eine ihrer Stärken bei chronischen Krankheiten. Für Patienten mit chronischen Krankheiten ist diese über mehrere Jahre, ja mitunter Jahrzehnte lebensbestimmend, die Beschäftigung mit ihrer Krankheit ist Teil ihrer Lebensgestaltung. Hier ist zum einen die Erfahrung des Arztes gefordert: Welche wirksamen Therapieangebote gibt es, wie passen sie zusammen, wie kann über die Jahre der Übergang zwischen verschiedenen Therapiemodalitäten gestaltet werden, wie an geänderte Umstände anpassen? Zum ande-
ren muss der Patient es schaffen, die gewählte Therapie mitzutragen und in seinen Lebensalltag zu integrieren. Es ist dieser lebensbegleitende Prozess, bei dem Therapieangebote aus der Komplementärmedizin eine wichtige Rolle spielen. Es ist also die praktische Arbeit, die wichtig ist, die früher viel diskutierten Paradigmen und Anschauungsformen treten in den Hintergrund.
Ich bin überzeugt, dass diejenigen Richtungen aus der Komplementärmedizin Bestand haben, die eine Fähigkeit des Anschliessens entwickelt haben, also den Übergang von einer Therapiemodalität in eine andere gewährleisten. Die Tibetische Medizin als Teil der modernen Phytotherapie gehört für mich dazu.
Dr. Herbert Schwabl Geschäftsführer Padma AG
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PHYTOTHERAPIE
7/2012