Transkript
STUDIE REFERIERT
Pyelonephritis bei Frauen
Wie lange mit Ciprofloxacin behandeln?
lung war der infektiöse Bakterienstamm nicht mehr nachweisbar, und auch während des Follow-up trat eine Bakteriurie (< 104 KbE/ml) nicht wieder auf. Die Pyelonephritis ist eine der häufigsten Nierenerkrankungen, die vor allem bei Frauen auftritt. Beim Einsatz von Antibiotika wie Ciprofloxacin stellt sich die Frage: Wie lange ist die optimale Behandlungsdauer? LANCET Es kann Frauen jeden Alters treffen: Die akute Pyelonephritis, auch Nierenbeckenentzündung genannt, ist eine weit verbreitete, ernstzunehmende Infektion, an der oft Bakterien wie E. coli, Klebsiellen und Staphylokokken beteiligt sind. Es gibt bisher nur wenige kontrollierte Studien, die die optimale Behandlungsdauer von Antibiotika untersuchten. Bei einer 2-wöchigen Therapie mit Cotrimoxazol (Bactrim® und Generika) oder Fluoroquinolonen wie Ciprofloxacin (Ciproxin® und Generika) wurden bisher gute Heilungserfolge beobachtet. Daher werden oftmals 14 Tage als angemessen betrachtet. Doch ist dies tatsächlich notwendig? Merksätze ❖ Eine akute Pyelonephritis bei Frauen kann wirksam und sicher mit einer 7-tägigen Gabe von 2-mal täglich 500 mg Ciprofloxacin behandelt werden. ❖ Die Studienergebnisse befürworten die kürzere Therapiedauer auch bei älteren Frauen und schweren Infektionen. ❖ Die Wirksamkeit der kurzzeitigen Gabe von Ciprofloxacin bei Patientinnen mit komplizierten Infektionen konnte nicht restlos geklärt werden. Um diese Frage zu beantworten, wurde in Schweden eine prospektive, randomisierte, doppelblinde Nichtunterlegenheitsstudie an 21 Zentren durchgeführt. Daran nahmen über 18-jährige Frauen teil, die nicht schwanger waren. Bei ihnen bestand ein Verdacht auf eine akute, ambulant erworbene Pyelonephritis. Sie hatten über 38°C Fieber und mindestens ein Symptom im Harntrakt wie Flankenschmerzen, häufiges Wasserlassen oder Klopf- und Druckempfindlichkeit in der Nierengegend. Sie wurden zufällig im 1:1-Verhältnis in 2 Gruppen eingeteilt. Daraufhin erhielten sie entweder 7 oder 14 Tage lang 2-mal täglich 500 mg Ciprofloxacin. Studienziele Als primäre Endpunkte dienten die klinische und bakteriologische Wirksamkeit sowie die Verträglichkeit der zwei Behandlungsstrategien zum Zeitpunkt der ersten Nachkontrolle 10 bis 14 Tage nach Therapieende. In zweiter Linie wurde auch die langfristige Gesamtwirkung anhand einer zweiten Nachkontrolle an den Tagen 42 bis 63 beurteilt. Ausserdem blieben Patientinnen mit einer asymptomatischen Bakteriurie bei der ersten Nachkontrolle unbehandelt, um die Auswirkungen zu untersuchen. Laut Definition lag eine Heilung aus klinischer Sicht vor, wenn die Symptome während der Behandlung vollständig verschwanden, ohne dass erneut Anzeichen auf eine Infektion im Harntrakt während des Nachbeobachtungszeitraums auftraten. Dahingegen wurde von einem klinischen Versagen gesprochen, falls die Medikamenteneinnahme abgebrochen wurde. Als mögliche Gründe kamen verschlechterte oder persistierende Symptome sowie unerwünschte Ereignisse in Betracht. Bei einer bakteriologischen Hei- Studienpopulation Von insgesamt 248 Patientinnen wurden 126 Teilnehmerinnen einer 7-tägigen und 122 Teilnehmerinnen einer 14-tägigen Behandlungsdauer mit Ciprofloxacin nach dem Zufallsprinzip zugeteilt. 69 (28%) Testpersonen wurden von der Studie aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen: Bei 17 Frauen stellte sich die anfängliche Diagnose als falsch heraus. Des Weiteren fehlte in 25 Fällen eine Urinprobe vor Behandlungsbeginn, oder es konnte damit keine signifikante Bakteriurie bestätigt werden, oder es wuchsen mehr als zwei Bakterientypen. Ausserdem waren bei 20 Probandinnen die Erreger resistent oder nur teilweise auf Ciprofloxacin empfindlich. 7 weitere Frauen erhielten zudem in den ersten Behandlungstagen ein zusätzliches Antibiotikum. Von den 179 verbleibenden Frauen wurden 23 (13%) von der Beurteilung der Wirksamkeit ebenfalls ausgeschlossen, da sie die Kriterien für die Per-Protokoll-Analyse nicht erfüllten. Es verblieben daher 156 Patientinnen (7 Tage: n = 73 vs. 14 Tage: n = 83) für die Auswertung, wobei 21 (15 vs. 12%) Teilnehmerinnen eine wiederholte Infektion im Harntrakt hatten. Eine komplizierte Infektion im Harntrakt lag bei 14 (5 vs. 12%) Probandinnen vor, und insgesamt 9 Personen (3 vs. 8%) hatten Diabetes. Das Bakterium E. coli war unter den krankheitsauslösenden Keimen vorherrschend. Es befand sich vor der Behandlung in 143 (88 vs. 95%) Urinproben. Positive Blutkulturen konnten bei 42 (22 vs. 32%) von 155 Proben nachgewiesen werden, wobei überall E. coli vorhanden war. Wirksamkeit Kurz nach der Behandlung waren 71 (97%) Patientinnen der 7-TageGruppe und 80 (96%) Patientinnen der 14-Tage-Gruppe aus klinischer Sicht geheilt (Differenz -0,9%; 90%-KI -6,5–4,8; p = 0,004; Non-InferiorityTest). Auch langfristig war die Wirksamkeit beider Gruppen vergleichbar. ARS MEDICI 22 ■ 2012 1247 STUDIE REFERIERT Bei der Kontrolle an den Tagen 42 bis 63 betrug der kumulative Heilungserfolg 93 Prozent in beiden Gruppen (68 von 73 vs. 78 von 84; -0,3%; -7,4–7,2; p = 0,015). Das 7-tägige Schema ist einer 14-tägigen Therapie demnach nicht unterlegen. Des Weiteren bedingten negative oder positive Blutkulturen keine unterschiedlichen Heilungserfolge (40 [95%] von 42 vs. 110 [97%] von 113; p = 0,412). Eine vergleichbare Wirksamkeit wurde auch bei der 7- und bei der 14-tägigen Behandlung von Frauen mit positiven Blutkulturen festgestellt (15 [94%] von 16 vs. 25 [96%] von 26; p = 0,623). 4 Probandinnen in der 7-Tage-Gruppe hatten eine asymptomatische Bakteriurie bei der ersten Nachkontrolle. Obwohl sie nicht behandelt wurden, war bei der letzten Nachkontrolle kein Bakterienstamm mehr nachweisbar. In der 14-Tage-Gruppe hatten 4 Patientinnen eine asymptomatische Bakteriurie direkt im Anschluss an die Medikamenteneinnahme. Eine Testperson mit E. coli im Urin hatte aufgrund dieses Bakteriums eine Zystitis bei der letzten Nachuntersuchung, wohingegen bei den anderen Frauen keine Symptome auftraten. Patientensicherheit In der 7-Tage-Gruppe gab es zwei Behandlungsabbrüche, da bei einer Patientin Muskelschmerzen auftraten und in einem anderen Fall keine Besserung einsetzte. In der 14-Tage-Gruppe beendete eine Patientin die Medika- menteneinnahme am Tag 9 aufgrund eines juckenden Hautausschlags, und zwei Frauen hatten erneut eine akute Zystitis beim Abschluss der Therapie. Beim Langzeit-Follow-up trat bei 3 Teilnehmerinnen mit einer 7-tägigen Behandlung eine akute Zystitis auf, wohingegen eine Probandin mit einer 14-tägigen Behandlung erneut an einer akuten Pyelonephritis erkrankte; 2 weitere Testpersonen, darunter eine Diabetikerin, hatten eine akute Zystitis. Nach der ersten Woche berichteten vier (5%) von 86 Patientinnen aus der 7-Tage-Gruppe und 6 (6%) von 93 Patientinnen aus der 14-Tage-Gruppe ein unerwünschtes Ereignis, das möglicherweise oder wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Studienmedikation auftrat. Insgesamt wurden beide Behandlungsstrategien gut vertragen. Fazit Die Ergebnisse zeigen, dass die 7-tägige der 14-tägigen Therapie mit 2-mal täglich 500 mg Ciprofloxacin nicht unterlegen ist. Sowohl kurz- als auch langfristig konnten in beiden Gruppen hohe Heilungsraten in klinischer und bakteriologischer Hinsicht verzeichnet werden. Sogar bei Patientinnen mit hohem Fieber und einer starken Entzündungsreaktion war das kürzere Intervall sicher und wirksam. Dies schliesst ältere Frauen ein, bei denen häufiger positive Blutkulturen vorlagen. Bei der Kontrolle kurz nach Therapieende gab es nur wenige Fälle einer asymptomatischen Bakteriurie. Obwohl keine Behandlung erfolgte, trat keine wiederholte akute Pyelonephritis während des Nachbeobachtungszeitraums auf. Daher kann bei klinisch geheilten Patientinnen auf eine Urinprobe nach der Antibiotikaeinnahme verzichtet werden. Die Resultate bestätigen und ergänzen die Daten einer anderen Studie, bei der junge Frauen mit einer leichten, unkomplizierten Pyelonephritis 7 Tage lang erfolgreich mit Ciprofloxacin behandelt wurden. Ob die kurzzeitige Gabe von Ciprofloxacin bei Patientinnen mit komplizierten Infektionen genauso wirksam ist, konnte nicht vollständig geklärt werden. Zusätzliche Studien sind notwendig, um dies zu evaluieren. Da die hier gewonnenen Ergebnisse nicht auf andere Antibiotikaklassen übertragbar sind, sollte deren optimale Therapiedauer ebenfalls ermittelt werden. Denn Resistenzen nehmen in unserer Zeit weltweit zu, was ein Grund zur öffentlichen Besorgnis ist. Ein entscheidender Weg zur Eindämmung ist ein verminderter Gebrauch. Ein möglicher Ansatz ist wie hier die Verkürzung der Therapiedauer, sofern die Wirksamkeit nach wie vor gegeben ist. Monika Lenzer Quelle: Sandberg T et al.: Ciprofloxacin for 7 days versus 14 days in women with acute pyelonephritis: a randomised, open-label and double-blind, placebo-controlled, non-inferiority trial. Lancet 2012; 380: 484–490. Interessenkonflikte: keine deklariert 1248 ARS MEDICI 22 ■ 2012