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STUDIE REFERIERT
Erosive Fingergelenkarthrose: ein neues Anwendungsgebiet für Biologika?
Doppelblinde, randomisierte Studie mit Adalimumab
Schwere Formen der Fingergelenkarthrose können neben Schmerzen zu starken Deformitäten und Funktionseinschränkungen führen. Eine randomisierte, kontrollierte Studie hat den Effekt einer Tumor-Nekrose-Faktor-Blockade auf die Progression solcher Gelenkzerstörungen untersucht.
ANNALS OF RHEUMATIC DISEASES
Fingergelenkarthrosen sind in der älteren Bevölkerung häufig. Bisher gibt es nur wenige epidemiologische Daten zur erosiven Arthrose der Interphalangealgelenke. Bei dieser Unterform deuten Verschmälerungen des Gelenkspalts und subchondrale Knochenveränderungen auf eine Beteiligung proinflammatorischer Zytokine, von denen der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-alpha eine zentrale Stellung im Knorpel- und Knochenabbau einnimmt. Die vorliegende Studie hat die Wirksamkeit des TNF-alpha-Blockers Adalimumab (Humira®), der bisher unter anderem
Merksätze
❖ Bei Patienten mit erosiver Fingergelenkarthrose ist eine palpable Weichteilschwellung im Bereich der Interphalangealgelenke ein guter Prädiktor für ein Fortschreiten der Gelenkzerstörung.
❖ In solchen Fingergelenken vermag der Tumor-Nekrose-Faktor-Blocker Adalimumab im Vergleich zu Plazebo die Progression der Gelenkerosionen signifikant aufzuhalten.
bei rheumatoider Arthritis und Psoriasisarthritis eingesetzt wird, bei Patienten mit aktiver erosiver Fingergelenkarthrose untersucht.
Methodik Am Rheumaambulatorium der Universität Gent, Belgien, wurden 60 Patienten mit radiologisch bestätigter, erosiver Fingergelenkarthrose und schmerzhaften, entzündlich geschwollenen Episoden an den Interphalangealgelenken rekrutiert und entweder zu 40 mg Adalimumab oder Plazebo randomisiert, verabreicht alle zwei Wochen subkutan. Die doppelblinde Studie lief über zwölf Monate. Das Therapieansprechen war definiert durch eine Verringerung der Progression der strukturellen Gelenkschäden anhand eines Scoringsystems. Die radiologischen Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerung, Knochenplattenerosion und subchondraler Knochen wurden mit dem kontinuierlichen Ghent University Score System (GUSS™) beurteilt.
Resultate Die Arthroseerkrankung war bei diesen Patienten aktiv, denn während der zwölfmonatigen Beobachtungszeit wurde bei 40 Prozent in der Plazebogruppe und bei 27 Prozent in der Adalimumabgruppe mindestens ein weiteres Gelenk von Erosionen erfasst. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant, und auch die Gesamtergebnisse zeigten für Adalimumab keinen Effekt. Unter den Risikofaktoren für eine Progression erwies sich das Vorhandensein palpabler Weichteilschwellungen bei Behandlungsbeginn als guter Prädiktor für ein Fortschreiten destruktiver Prozesse. In der Untergruppe der Patienten mit diesem Risikofaktor kam es unter Adalimumab zu signifikant weniger
Zunahmen der Erosionen als unter Plazebo (3,7 vs. 14,5%; p = 0,009). Auch die GUSS™-Resultate bestätigten eine geringere Rate des mittleren Anstiegs der Erosionsscores während der ersten sechs Behandlungsmonate mit Adalimumab.
Diskussion In entzündlichen Phasen der Fingergelenkarthrose dürfte TNF-alpha eine wichtige Rolle bei osteolytischen Prozessen und beim Verschwinden des Knorpels spielen. Daher ist die TNFalpha-Blockade eine mögliche therapeutische Option bei erosiver Arthrose der Interphalangealgelenke, da sie Gewebe und damit die Handfunktion als Ganzes erhalten könnte. In dieser Studie bestätigten die Gesamtergebnisse einen therapeutischen Effekt des TNF-alpha-Blockers zwar nicht, bei denjenigen Patienten mit deutlichen Prädiktoren für eine erosive Entwicklung wie palpable Weichteilschwellung radiologisch befallener Interphalangealgelenke bewirkte die Neutralisierung von TNF-alpha jedoch eine signifikante Verlangsamung der Strukturschäden in den entzündeten Gelenken. Diese Studie werten die Autoren daher als Hinweis, dass das Konzept der TNF-alpha-Neutralisierung mit Adalimumab auch bei erosiver Fingergelenkarthrose die strukturellen Zerstörungen zumindest bei radiologisch auffälligen und klinisch durch palpablen Gelenkerguss gekennzeichneten Interphalangealgelenken verlangsamen kann. Grössere Phase-III-Studien müssten das jedoch noch bestätigen, so die Autoren.
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Halid Bas
Gust Verbruggen et al.: Tumor necrosis factor blockade for the treatment of erosive osteoarthritis of the interphalangeal finger joints: a double blind, randomised trial on structure modification. Ann Rheum Dis 2012; 71: 891–898. doi:10.1136/ard.2011.149849.
Interessenkonflikte: keine
1246 ARS MEDICI 22 ■ 2012