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Titel
Therapie der benignen Prostatahyperplasie
Untertitel
Erst beobachten, dann behandeln
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Die Zahlen sind eindeutig: Das Auftreten einer benignen Prostatahyperplasie ist stark altersabhängig. Je nach Schweregrad und Fall wird zwischen einer abwartenden Therapie, einer medikamentösen Behandlung oder einem operativen Eingriff abgewogen.
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MEDIZIN — Fortbildung
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4416
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FORTBILDUNG
Therapie der benignen Prostatahyperplasie
Erst beobachten, dann behandeln

Die Zahlen sind eindeutig: Das Auftreten einer benignen Prostatahyperplasie ist stark altersabhängig. Je nach Schweregrad und Fall wird zwischen einer abwartenden Therapie, einer medikamentösen Behandlung oder einem operativen Eingriff abgewogen.
NEJM
Viele Männer bemerken keine sonderlichen Krankheitsanzeichen, obwohl histologische Befunde eine benigne Prostatahyperplasie (BPH) bestätigen oder eine anatomisch vergrösserte Prostata vorliegt. Doch im Alter haben über 50 Prozent der 60- bis 69-Jährigen und rund 90 Prozent der 80-Jährigen Beschwerden im unteren Harntrakt (lower urinary tract symptoms, LUTS). Die Pathophysiologie der BPH ist nicht vollständig bekannt. Fest steht, dass neben anderen physiologischen Markern vor allem Testosteron und sein Metabolit Dihydrotestosteron bei der Entstehung eine Rolle spielen.
Klinik Das klinische Bild der BPH lässt sich auf eine Obstruktion unterhalb der Harnblase zurückführen. Durch eine vergrösserte Prostata ist eine anatomische (statische) Blasenauslassobstruktion möglich. Das ist die häufigste Ursache für Beschwerden im unteren Harntrakt. Eine Blasenobstruktion kann aber auch durch funktionelle (dynamische) Faktoren hervorgerufen werden. Dabei kann ein erhöhter Tonus im Prostatamuskelgewebe durch adrenerge Alpharezeptoren beeinflusst werden. Zudem können Muskarinrezeptoren
Merksätze
❖ Bei geringfügigen Beschwerden wird zur abwartenden Therapie («watchful waiting») geraten.
❖ Bei mittleren und starken Beschwerden stehen Alphablocker, 5-alpha-Reduktase-Hemmer, Antimuskarinika (nur als Kombinationstherapie) und Phosphodiesterase-5-Hemmer (nur im Off-label-Einsatz in der Schweiz) als Behandlungsoptionen zur Verfügung.
❖ Eine Kombinationstherapie mit einem Alphablocker und einem 5-alpha-Reduktase-Hemmer ist effektiver als die jeweilige Monotherapie, aber die unerwünschten Wirkungen nehmen zu.
❖ Falls die alleinige Gabe eines Alphablockers unzureichend ist, kann bei klinisch signifikanten Blasenkapazitätsstörungen die Ergänzung eines Antimuskarinikums sinnvoll sein.

vom Typ M2 und M3 zu einer Hyperaktivität des Detrusormuskels beitragen. Ein weiterer Angriffspunkt ist die Phosphodiesterase-5 im glatten Blasen- und Prostatamuskel.
Diagnose Zur Diagnosestellung gehört eine gründliche Anamnese. Dabei sollte hinterfragt werden, ob der Patient sehr viel trinkt, einen hohen Koffeinkonsum hat sowie Diuretika oder bestimmte Antihistaminika einnimmt. In manchen Fällen verschwinden die Beschwerden im unteren Harntrakt durch den Austausch eines Diuretikums durch ein Antihypertensivum ohne harntreibende Wirkung. Des Weiteren sollte der Arzt die Prostata rektal abtasten und den PSA-Wert ermitteln. Üblicherweise sollte auch eine Urinprobe auf Blut oder Anzeichen einer Infektion untersucht werden. Zudem wird in bestimmten Fällen die Bestimmung der Restharnmenge empfohlen. Ein gutes Hilfsmittel bei der Diagnosestellung ist der validierte American Urological Association Symptom Index (AUASI). Damit wird das Ausmass der Beschwerden im unteren Harntrakt auf einer Skala von 0 bis 35 erfasst, wobei 0 Symptomfreiheit bedeutet.
Behandlung Liegen keine oder nur geringfügige Beschwerden (AUASIWert < 8) vor, wird eine abwartende Therapie (watchful waiting) empfohlen. Bei mittleren bis starken Beschwerden (AUASI-Wert ≥ 8) sollte eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen werden. Hierfür stehen vier Wirkstoffgruppen zur Verfügung: Alphablocker, 5-Alpha-Reduktase-Hemmer, Antimuskarinika und Phosphodiesterase-5-Hemmer. Nach Möglichkeit sind selektive Arzneistoffe zu bevorzugen, da sich deren Zielrezeptoren vorwiegend in Blase und Prostata befinden. Dadurch lassen sich systemische unerwünschte Wirkungen vermeiden, wie sie häufig bei nicht selektiven Arzneistoffen auftreten. Die volle Wirkung setzt manchmal nicht sofort ein, weswegen sie erst nach einer angemessenen Zeit beurteilt werden sollte. Bei unkomplizierten Fällen ist die Behandlung durch den Hausarzt sinnvoll, und bei komplizierten Beschwerden im unteren Harntrakt sollte ein Urologe hinzugezogen werden. Alphablocker Alphablocker (z.B. Alfuzosin, Tamsulosin) hemmen adrenerge Alpha-1-Rezeptoren des Sympathikus, wodurch die Kontraktion der glatten Muskelfasern der Prostata und des Blasenhalses abnimmt. Es kann dabei mindestens 2 bis 4 Wochen dauern, bis eine adäquate Wirkung einsetzt. Randomisierte Studien untersuchten Männer mit einer symptomatischen BPH. Sie hatten überwiegend mittlere bis starke 1090 ARS MEDICI 20 ■ 2012 FORTBILDUNG Urologika bei BPH und LUTS Alphablocker Alfuzosin Tamsulosin 5-alpha-Reduktase-Hemmer Finasterid Dutasterid Kombinationspräparate Dutasterid + Tamsulosin Antimuskarinika Fesoterodin Oxybutynin Tolterodin Trospium Darifenacin Solifenacin Xatral® oder Generika Pradif® oder Generika Proscar® oder Generika Avodart® Duodart® Toviaz® Ditropan®, Kentera®, Lyrinel® Detrusitol® Spasmo-Urgenin® Neo Emselex® Vesicare® Nicht selektiver Alpha-1-Blocker Selektiver Alpha-1A- und -1D-Blocker Hemmer der Typ-II-5-alpha-Reduktase-Isoenzyme Hemmer der Typ-I- und Typ-II-5-alpha-Reduktase-Isoenzyme Nicht selektiv Nicht selektiv Nicht selektiv Nicht selektiv Selektiver Muskarin-M3-Rezeptor-Antagonist Selektiver Muskarin-M3-Rezeptor-Antagonist Beschwerden im unteren Harntrakt und zum Teil verminderte Harnflussraten. Alphablocker erzielten auf der AUASISkala klinisch bedeutsame Verbesserungen um vier bis sechs Punkte. 5-Alpha-Reduktase-Hemmer 5-Alpha-Reduktase-Hemmer (z.B. Finasterid, Dutasterid) blockieren die Umwandlung von Testosteron zum aktiven Metaboliten Dihydrotestosteron. Dadurch wächst die Prostata langsamer oder verkleinert sich sogar. Sowohl Finasterid als auch Dutasterid verringerten in randomisierten, plazebokontrollierten Studien die Prostatagrösse um bis zu 25 Prozent, und die Beschwerden im unteren Harntrakt nahmen ab. Die AUASI-Gesamtwerte sanken um vier bis fünf Punkte bei Männern mit einer vergrösserten Prostata von über 30 g. Bei einem direkten Vergleich waren die Wirkungen von Finasterid und Dutasterid ähnlich. Bei der Behandlung ist allerdings etwas Geduld erforderlich, da es mindestens 2 bis 6 Monate dauern kann, bis die volle Wirkung einsetzt. Antimuskarinikum. Die Beschwerden verringerten sich bei der Kombinationstherapie signifikant (Abnahme um zwei bis vier Gesamtpunkte auf der AUASI-Unterskala). Erste Verbesserungen sind innerhalb von 2 Wochen spürbar, und nach etwa 12 Wochen setzt die volle Wirkung ein. Phosphodiesterase-5-Hemmer Ein Phosphodiesterase-5-Hemmer dient in erster Linie zur Therapie der erektilen Dysfunktion. Daneben ist der Einsatz bei Beschwerden im unteren Harntrakt denkbar. Durch die Hemmung der Phosphodiesterase-5 nimmt vor allem die Konzentration des zyklischen Guanosinmonophosphats zu. Das bewirkt eine Entspannung der glatten Muskulatur und hat womöglich auch eine antiproliferative Wirkung auf die glatten Muskelzellen in Prostata und Blase. Eine adäquate Wirkung setzt frühestens nach 4 Wochen ein. Die amerikanische Behörde FDA hat den Wirkstoff Tadalafil für diese Indikation zugelassen, in der Schweiz ist jedoch nur eine Offlabel-Behandlung möglich. Kombination von Alphablockern und 5-alpha-Reduktase-Hemmern Studienergebnisse zeigen, dass eine Kombinationstherapie mit einem Alphablocker und einem 5-alpha-ReduktaseHemmer im Vergleich zur Monotherapie wirksamer ist. Sinnvollerweise wird die Behandlung allerdings zunächst mit nur einem Wirkstoff begonnen. Nach der Beurteilung der Wirksamkeit wird die Dosis gegebenenfalls angepasst, ein anderes Medikament ausgewählt oder ein zweiter Wirkstoff ergänzt. Bei einer Kombinationstherapie müssen die vermehrten unerwünschten Wirkungen sowie die höheren Kosten gegen einen eventuell grösseren Nutzen sorgfältig abgewogen werden. Antimuskarinika (Parasympatholytika) Antimuskarinika inhibieren Muskarinrezeptoren im Detrusormuskel, wodurch sich dieser entspannt und Beschwerden im unteren Harntrakt abnehmen. Bei randomisierten, plazebokontrollierten Studien erhielten Männer mit Blasenkapazitätsstörungen einen Alphablocker zusammen mit einem Andere Therapien Pflanzliche Zubereitungen wie Sägepalmeextrakte werden vermehrt bei einer BPH eingesetzt, doch ihre Wirksamkeit ist umstritten. Neben dem Einsatz von Medikamenten ist in manchen Fällen ein operativer Eingriff erwägenswert. Zu den gängigen Verfahren gehören die transurethrale Resektion der Prostata (TURP) und die Mikrowellenthermotherapie. Weiterführende Informationen sind in den Leitlinien der American Urological Association (Guideline on the Management of Benign Prostatic Hyperplasia, 2010; www.auanet.org) und der European Association of Urology (Guidelines on Male Lower Urinary Tract Symptoms, including Benign Prostatic Obstruction, 2012; www.uroweb.org) zu finden. ❖ Monika Lenzer Quelle: Sarma AV, Wei JT: Benign prostatic hyperplasia and lower urinary tract symptoms. N Engl J Med 2012; 367: 248–257. Interessenkonflikte: Dr. Wei bekam Zuwendungen von Sanofi-Aventis und American Medical Systems. ARS MEDICI 20 ■ 2012 1091