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STUDIE REFERIERT
Relative Wirksamkeit von neun Osteoporosemedikamenten
In einer Bayes-Analyse plazebokontrollierter Studien erwiesen sich Teriparatid, Zoledronsäure und Denosumab als wahrscheinlich wirksamste Medikamente zur Reduzierung nichtvertebraler und vertebraler Frakturen und wiesen zudem die höchsten Effektstärken auf.
BMC MUSCULOSKELETAL DISORDERS
Die Osteoporose ist eine progressive Erkrankung mit hoher Prävalenz. Bis zum Alter von 90 Jahren sind 1 von 3 Frauen und 1 von 8 Männern betroffen. Das Hauptproblem bei einer niedrigen Knochendichte ist das hohe Risiko für Frakturen nicht vertebraler Knochen wie der Hüfte oder dem Handgelenk. Ein Hüftbruch ist häufig mit einem chirurgischen Eingriff, einem langen Krankenhausaufenthalt, einer Rehabilitationstherapie und einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden. Die Osteoporose kann auch zu Wirbelbrüchen führen, die sich in einer Verringerung der Körpergrösse zeigt. Osteoporotisch komprimierte Wirbel sind im Röntgenbild sichtbar.
Merksätze
❖ Liegen keine direkten Vergleiche zu zwei Medikamenten vor, können indirekte Vergleiche (ITC-Analysen) eine Option zur Ermittlung der relativen Wirksamkeit darstellen.
❖ Teriparatid, Zoledronsäure und Denosumab erwiesen sich als wahrscheinlich wirksamste Medikamente zur Reduzierung vertebraler und nicht vertebraler Frakturen.
❖ Teriparatid, Zoledronsäure und Denosumab wiesen zudem die höchsten Effektstärken auf.
Zu den Osteoporose-Medikamenten gehören Bisphosphonate wie Alendronat, Etidronat, Risedronat und Ibandronat, selektive ÖstrogenrezeptorModulatoren wie Raloxifen und anabolische Agentien wie Teriparatid. Alle Wirkstoffe haben sich im Vergleich zu Plazebo als wirksam zur Reduzierung der Frakturraten erwiesen. Neuere Medikamente sind Denosumab, Strontium und Zoledronsäure. Zur Identifizierung des wirksamsten Medikaments liegen bislang keine direkten Vergleichsstudien vor. Diese direkte Vergleichsevidenz fehlt, weil Phase-III-Studien komplexer und teurer sind als plazebokontrollierte Phase-II-Studien und zudem wesentlich höhere Patientenzahlen erforderlich sind. Liegen keine direkten Vergleiche zwischen zwei Medikamenten vor, können indirekte Vergleiche plazebokontrollierter Studien eine verlässliche Option zum Vergleich der relativen Wirksamkeit der Medikamente darstellen.
Methoden In einem systematischen Literatur-Review identifizierten Robert B. Hopkins und sein Team randomisierte plazebokontrollierte Studien zu neun Osteoporose-Medikamenten für postmenopausale Frauen. Anhand einer ITCAnalyse nach Bayes (ITC = indirect treatment comparison) ermittelten sie zunächst für jedes Medikament die relative Wirksamkeit zur Reduzierung von Frakturen im Vergleich zu Plazebo (Odds-Ratio, 95%-Credibility [Glaubwürdigkeits]-Intervall) und jeweils im Vergleich untereinander. Zudem führten sie eine ITC-Analyse nach Bucher durch, einer klassischen statistischen Analyse. Alle Analysen wurden getrennt für nichtvertebrale Frakturen, vertebrale Frakturen, Hüftfrakturen und Handgelenksfrakturen durchgeführt. Ein Medikament wurde als das wirksamste eingestuft, wenn es die höchste Odds Ratio a posteriori oder die höchste Effektstärke aufwies.
Osteoporosemedikamente
❖ Alendronat (Fosamax® und Generika)
❖ Denosumab (Prolia®)
❖ Etidronat (nicht im AK der Schweiz)
❖ Ibandronat (Bonviva®, Generikum)
❖ Raloxifen (Evista®)
❖ Risedronat (Actonel®, Generikum)
❖ Strontium (nicht im AK der Schweiz)
❖ Teriparatid (Forsteo®)
❖ Zoledronsäure (Aclasta®)
Ergebnisse Die Wissenschaftler werteten 30 Studien mit insgesamt 59.209 Patienten aus. Die Datenlage zu den einzelnen Wirkstoffen war unterschiedlich umfangreich. Zu Alendronat lagen 6, zu Denosumab 1, zu Etidronat 8, zu Ibandronat 4, zu Raloxifen 1, zu Risedronat 6, zu Strontium 2, zu Teriparatid 1 und zu Zoledronsäure ebenfalls 1 Studie vor. Das durchschnittliche Alter der Patienten variierte zwischen 52 und 72 Jahren. Die seit der Menopause vergangene Zeit betrug zwischen 2,7 und 31,9 Jahren. Die Studien wurden über einen durchschnittlichen Zeitraum von 1 bis 4 Jahren durchgeführt. Die Knochendichte in der Hüfte zu Studienbeginn variierte zwischen 0,28 bis 1,08 und der Prozentsatz von Patienten mit vorherigen Wirbelbrüchen von 0 bis 100 Prozent. Die Medikamente mit der höchsten Wahrscheinlichkeit zur Reduzierung nichtvertebraler Frakturen waren Etidronat (0,41) und Teriparatid (0,41). Die Medikamente mit der höchsten Effektstärke waren Risedronat (16,4) und Alendronat (16,1). Diese Effektstärken waren jedoch geringer als die bei vertebralen Frakturen (Tabelle). Als Medikamente mit der höchsten Wahrscheinlichkeit zur Reduzierung vertebraler Frakturen erwiesen sich Teriparatid (0,30), Zoledronsäure (0,40) und Denosumab (0,20). Die Medikamente mit der höchsten Effektstärke
ARS MEDICI 20 ■ 2012 1113
STUDIE REFERIERT
Tabelle:
Odds-Ratios und ITC-Ergebnisse für Medikament vs. Plazebo nach Bayes (modifiziert nach Hopkins et al.)
Bayes-Analyse
nichtvertebrale Fraktur
vertebrale Fraktur
Hüftfraktur
Handgelenksfraktur
Medikament vs. Plazebo
OR (95%-Cr I) Prob. Effektgrösse
OR (95%-Cr I) Prob. Effektgrösse
OR (95%-Cr I) Prob. Effektgrösse
OR (95%-Cr I) Prob. Effektgrösse
Alendronat Denosumab Etidronat Ibandronat Raloxifen Risedronat Strontium Teriparatid Zoledronsäure
0,81 (0,66, 0,96) 0,01 16,1 0,80 (0,60, 1,06) 0,03 10,7 0,64 (0,31, 1,27) 0,42 6,4 0,90 (0,69, 1,16) < 0,01 9,3 0,91 (0,69, 1,20) < 0,01 8,4 0,77 (0,60, 0,91) 0,04 16,4 0,86 (0,69, 1,07) < 0,01 12,0 0,62 (0,38, 1,02) 0,41 9,9 0,74 (0,56, 0,97) 0,08 12,9 0,51 (0,37, 0,68) 0,31 (0,21, 0,44) 0,61 (0,29, 1,08) 0,50 (0,29, 0,78) 0,63 (0,43, 0,90) 0,60 (0,45, 0,79) 0,59 (0,45, 0,76) 0,32 (0,17, 0,57) 0,28 (0,19, 0,40) < 0,01 25,3 0,20 53,6 0,01 8,3 0,01 16,1 0,00 13,4 0,00 19,3 < 0,01 21,8 0,30 29,8 0,40 66,2 0,59 (0,29, 0,99) 0,67 (0,24, 1,47) 1,02 (0,12, 3,91) NR 1,29 (0,45, 2,88) 0,78 (0,44, 1,32) 0,98 (0,39, 2,01) 0,71 (0,04, 2,90) 0,65 (0,25, 1,34) 0,10 9,49 0,12 4,76 0,19 1,01 NR NR 0,01 1,25 0,01 5,71 0,01 2,47 0,44 1,93 0,11 5,53 0,93 (0.30, 2,64) 0,10 1,80 NR NR NR 2,42 (0,25, 10,54) 0,06 0,16 NR NR NR 1,76 (0,09, 8,22) 0,15 0,27 0,91 (0,13, 3,27) 0,22 1,37 3,25 (0,17, 14,89) 0,06 0,08 1,23 (0,05, 5,64) 0,41 0,57 NR NR NR OR (95%-CrI): Odds Ratio (95%-Credibility [Glaubwürdigkeits]-Intervall); Prob.: Probability (Wahrscheinlichkeit), dass das Medikament am wirksamsten ist; Effektgrösse beruteilt als Odds Ratio geteilt durch den entsprechenden Standardirrtum; NR: nicht rapportiert. bei vertebralen Frakturen waren ebenfalls Zoledronsäure (66,2), Teriparatid (29,8) und Denosumab (53,6). Bei Hüftfrakturen ermittelten die Wissenschaftler Teriparatid (0,44) und Etidronat (0,19) als wahrscheinlich wirksamste Medikamente. Die Medikamente mit der höchsten Effektstärke waren hier Alendronat (9,49) und Risedronat (5,71). Zur Reduzierung von Handgelenksfrakturen erwiesen sich Teriparatid (0,41) und Risedronat (0,22) als wahrscheinlich wirksamste Substanzen. Die Medikamente mit den höchsten Effekt- stärken waren Alendronat (1,80) und Risedronat (1,37). Allerdings waren die Effektstärken im Hinblick auf das Handgelenk wesentlich geringer ausgeprägt als bei allen anderen Frakturen. Die Ergebnisse der ITC-Analyse nach Bayes und der klassischen ITC-Analyse nach Bucher waren vergleichbar. Fazit Insgesamt erwiesen sich Teriparatid, Zoledronsäure und Denosumab in der Bayes-Analyse als wahrscheinlich wirksamste Medikamente zur Reduzierung nichtvertebraler Frakturen (in- klusive Hüft- und Handgelenksfraktu- ren) und vertebraler Frakturen und wiesen zudem bei allen untersuchten Frakturtypen die höchsten Effektstär- ken auf. ❖ Petra Stölting Hopkins Robert B. et al.: The relative efficacy of nine osteoporosis medications for reducing the rate of fractures in post-menopausal women, BMC Musculoskeletal Disorders. 2011, 12, 209. Interessenkonflikte: Drei der sieben Autoren haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. 1114 ARS MEDICI 20 ■ 2012