Transkript
BERICHT
Hypertonie plus Herzinsuffizienz
Welche Medikamente, welche Reihenfolge, welche Kombination?
22nd European Meeting on Hypertension and Cardiovascular Protection
European Society of Hypertension, London, 26. bis 29. April 2012 Hypertension related problems: Their management and future prospectives. Hypertension and heart failure: what drugs to choose? Teaching Seminar – Session 1, 27. April 2012.
Arterielle Hypertonie ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer linksventrikulären Hypertrophie und einer Herzinsuffizienz. Welche Optionen heute das Optimum in der Herzinsuffizienztherapie darstellen und was von neueren Medikamenten erwartet werden darf, fasste Prof. Enrico Agabiti Rosei, Università degli Studi die Brescia, Italien, zusammen.
ULRIKE NOVOTNY
Die linksventrikuläre Hypertrophie lässt sich durch Antihypertensiva günstig beeinflussen, substanzabhängig, jedoch unterschiedlich deutlich, wie eine Analyse von 38 Studien mit 4227 Patienten erbrachte. Bei gleicher blutdrucksenkender Potenz geht die linksventrikuläre Hypertrophie unter Betablockern um zirka 6 Prozent zurück, unter Diuretika um 9 Prozent. Danach folgen die ACE-Hemmer, die Kalziumantagonisten und schliesslich die Angiotensinrezeptorblocker mit einem in Studien gezeigten Rückgang von 14,56 Prozent. Bei stärker gesenktem systolischem Druck wurde auch die diastolische Funktion besser beeinflusst.
ARB in hoher Dosis einsetzen Bei moderater Herzinsuffizienz mit verminderter Auswurffraktion besteht eine U-förmige Assoziation zwischen dem systolischen Blutdruck und der Mortalität, die im Bereich zwischen 130 und 140 mmHg am geringsten ist. Bei schwerer Herzinsuffizienz dagegen ist die Assoziation linear, bei niedrigstem systolischem Druck ist also die Mortalität am höchsten. Bei gleichem, am Arm gemessenem Druck kann die Mortalität durch neurohumorale Deaktivierung gesenkt werden (was eine mögliche Rolle des zentralen Blutdrucks zeigt). Bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion könnte eine Senkung des systolischen Drucks unter 130 mmHg nützlich sein. Alle diese Aussagen können jedoch nur aufgrund von Post-hocAnalysen aus klinischen und Beobachtungsstudien getroffen werden. Der Referent riet, für Angiotensinrezeptorblocker die höchstmögliche Dosis einzusetzen. Das legen mehrere Studien nahe. Eine Studie zeigte ein besseres klinisches Ergebnis unter 150 mg Losartan pro Tag, verglichen mit 50 mg (HEAAL-Studie [1]). Dieses Jahr bestätigte eine Arbeit, dass unter der höheren Dosis von Candesartan oder Losartan die Mortalität bei Herzinsuffizienz am geringsten ausfiel (2). Betablocker zeigen diesen Dosiszusammenhang nicht. Hier ist der wichtige Parameter, die Herzfrequenz zu reduzieren. Ob zuerst ein ACE-Hemmer und dann ein Betablocker oder die umgekehrte Reihenfolge empfehlenswert ist, kann nicht beantwortet werden: Eine Vergleichsstudie, welche die Sequenz Enalapril/Bisoprolol mit der umgekehrten Reihenfolge verglich, zeigte keinen signifikanten Unterschied (3). Wenn Patienten unter ACE-Hemmern plus Betablocker und Diuretikum
immer noch symptomatisch sind, erweist sich der Aldosteronantagonist Eplerenon bei schwerer Insuffizienz nach Myokardinfarkt und folgender linksventrikulärer Dysfunktion und auch bei systolischer Insuffizienz mit milden Symptomen als vorteilhaft hinsichtlich Mortalität und Rehospitalisationen (4). Ob in dieser Situation ein Aldosteronantagonist oder ein Angiotensinrezeptorblocker gewählt wird, sollte der behandelnde Arzt entscheiden.
Was bringen neue Medikamente? Eine neuere Studie zeigte einen gewissen Vorteil durch Omega-3-Fettsäuren hinsichtlich Mortalität oder Frequenz der Hospitalisation, dies bei guter Verträglichkeit (5). Ivabradin senkte über 30 Monate den primären Endpunkt (hier vor allem Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz) um 18 Prozent bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und einem Ausgangsruhepuls über 70 Schläge/Minute (6). Auch Eisencarboxymaltose zeigte eine Wirkung (verbesserte Ausdauer, verbesserte Lebensqualität) bei der recht häufigen Konstellation eines niedrigen Ferritinspiegels und einer Herzinsuffizienz (7). Zu Substanzen, die derzeit in klinischen Studien erforscht werden, führte Rosei eine umfangreiche Liste an, unter anderem Erythropoetin, Sildenafil und neue Medikamentengruppen. Allerdings ist auch die Liste der Stoffe lang, die bereits Studien hinter sich haben, jedoch mit negativen Ergebnissen. Dazu gehören zum Beispiel TNF-␣-Hemmer, Endothelininhibitoren, Vasopressinhibitoren und ein B-natriuretisches Peptid.
Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion Hier waren bisherige Ergebnisse eher enttäuschend, obwohl selbst bei diesen
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Patienten eine Aktivierung des neurohumoralen Systems besteht. Bei älteren Patienten zeigte sich unter Perindopril nach einem Jahr ein Vorteil, dieser war jedoch nach drei Jahren nicht mehr vorhanden (8). In der CHARM-Preserved-Studie mit Candesartan versus Plazebo liess sich die Häufigkeit einer Zuweisung ins Spital senken (9). In dieser Studie wurde eine stärkere Blutdrucksenkung erzielt als in anderen Studien. Die einzige Untersuchung mit Betablockern (Nebivolol) war eine Post-hocAnalyse, die eine gewisse Wirkung, ebenfalls auf die Rehospitalisationsrate zeigte (10). Nun werden die Ergebnisse aus der TOPCAT-Studie (Treatment of preserved cardiac function heart failure with an aldosterone antagonist/Spironolacton) erwartet. 4500 Patienten mit einer Auswurffraktion von mindestens 45 Prozent im Echokardiogramm und einem Alter von mindestens 50 Jahren werden über 4,5 Jahre beobachtet.
Eine effektive Behandlung wäre wich-
tig, denn das Gesamtlebenszeitrisiko
für eine symptomatische Herzinsuf-
fizienz beträgt 20 Prozent. Unter den
Betroffenen sterben 30 bis 40 Prozent
innerhalb eines Jahres und 60 bis
70 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Am besten sei es, früh mit der Therapie
zu beginnen. Bei den Patienten mit frü-
hem Therapiebeginn lasse sich der
grösste Erfolg erzielen – und das mit
den Medikamenten, die man derzeit
schon zur Verfügung habe, resümierte
Prof. Agabiti Rosei.
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Ulrike Novotny
Referenzen: 1. Konstam MA et al.: Effects of high-dose versus low-
dose losartan on clinical outcomes in patients with heart failure (HEAAL study): a randomised, doubleblind trial. Lancet 2009; 374: 1840–48; doi:10.1016/ S0140-6736(09)61913-9. 2. Svanström H, Pasternak B, Hviid A.: Association of treatment with losartan vs candesartan and mortality among patients with heart failure. JAMA 2012; 307: 1506–1512.
3. Willenheimer R et al.: Comparison of treatment initiation with bisoprolol vs. enalapril in chronic heart failure patients: rationale and design of CIBIS-III. Eur J Heart Fail 2004; 6 (4): 493–500. doi: 10.1016/j. ejheart.2003.12.016.
4. Zannad F et al.: For the EMPHASIS-HF Study Group: Eplerenone in Patients with Systolic Heart Failure and Mild Symptoms. N Engl J Med 2011; 364: 11–21.
5. Tavazzi L et al.: Effect of n-3 polyunsaturated fatty acids in patients with chronic heart failure (the GISSI-HF trial): A randomised, double-blind, placebocontrolled trial. Lancet 2008; 372: 1223–1230.
6. Swedberg K et al: Ivabradine and outcomes in chronic heart failure (SHIFT): a randomised placebo-controlled study. Lancet 2010 Sep 11; 376(9744): 875–885.
7. Anker SD et al.: Ferric Carboxymaltose in Patients with Heart Failure and Iron Deficiency for the FAIR-HF Trial Investigators. N Engl J Med 2009; 361: 2436– 2448.
8. Cleland JGF, Tendera M, Adamus J, et al.: The perindopril in elderly people with chronic heart failure (PEP-CHF) study. Europ Heart J 2006; 27: 2338–2345.
9. Yusuf S et al.: Effects of candesartan in patients with chronic heart failure and preserved left-ventricular ejection fraction: the CHARM-Preserved Trial. Lancet 2003 Sep 6; 362(9386): 77–81.
10. Dobre D et al.: Tolerability and dose-related effects of nebivolol in elderly patients with heart failure: data from the Study of the Effects of Nebivolol Intervention on Outcomes and Rehospitalisation in Seniors with heart failure (SENIORS) trial. Am Heart J 2007; 154: 109–115.
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