Transkript
XUNDHEIT IN BÄRN
POLITFORUM
Anreize und Standards für das elektronische Patientendossier
MOTION vom 29.3.2012
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats Sprecherin: Ruth Humbel Nationalrätin CVP Kanton Aargau
Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen vorzulegen, damit die Einführung der elektronischen Patientendossiers beschleunigt werden kann, insbesondere mit folgenden Massnahmen:
1. Anschubfinanzierung für die Einführung des elektronischen Patientendossiers in Arztpraxen
2. Schaffung eines Anreizsystems über Taxpunkte für Ärztinnen und Ärzte, die Patientendaten elektronisch zu dokumentieren und auszutauschen
3. Festlegung von verbindlichen Standards in Zusammenarbeit mit den Kantonen sowie mit dem von Hausärzte Schweiz initiierten Institut für Praxisinformatik (IPI).
Die Stellungnahme des Bundesrates vom 23.5.2012
Mit der im Jahre 2007 verabschiedeten Strategie E-Health Schweiz will der Bundesrat die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie im Gesundheitswesen fördern. Ein wichtiges Ziel liegt in der Verbesserung des elektronischen Informationsaustausches zwischen den Gesundheitsfachpersonen. Damit trägt die Strategie E-Health Schweiz zur Qualität, Effizienz und Sicherheit der medizinischen Versorgung der Bevölkerung bei und stellt eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von integrierten Versorgungsnetzen dar. Ein wichtiges Element im Rahmen der Umsetzung der Strategie E-Health Schweiz ist die Schaffung der rechtlichen Grundlagen zur Einführung eines elektronischen Patientendossiers. Das Departement des Innern (EDI) hat im Auftrag des Bundesrates einen Vorentwurf eines Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (VE-EPDG) erarbeitet und eine Vernehmlassung dazu durchgeführt.
Am 18. April 2012 hat der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis genommen und dem EDI den Auftrag erteilt, bis im November 2012 den Gesetzesentwurf und die Botschaft vorzulegen. Dabei wurde das EDI unter anderem beauftragt, im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs die rechtliche Verankerung von nichtmonetären und monetären Anreizen – insbesondere solcher, die über Anpassungen am Tarifsystem der Krankenversicherung zu finanzieren wären – zu prüfen. Mit diesem Auftrag anerkennt der Bundesrat die Bedeutung von Anreizen für eine rasche Einführung des elektronischen Patientendossiers in den Arztpraxen. Damit tragen sie auch zu einer Beschleunigung der Umsetzung des EPDG bei. Vor diesem Hintergrund und da der Bundesrat dem erteilten Prüfauftrag nicht vorgreifen will, beantragt er die Ablehnung der Ziffern 1 und 2 der Motion.
Hingegen werden im EPDG Bestimmungen enthalten sein, welche die gesetzliche Grundlage für die Festlegung von verbindlichen Normen, Standards und Integrationsprofilen sowie die Zusammenarbeit mit den Kantonen und weiteren interessierten Kreisen bilden (Artikel 8, 10 und 13 VE-EPDG). Der Bundesrat wird dabei der internationalen Kompatibilität dieser Vorgaben Rechnung tragen. In der Folge beantragt der Bundesrat die Annahme der Ziffer 3 der Motion. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Ziffern 1 und 2 und die Annahme der Ziffer 3 der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
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ARS MEDICI 19 ■ 2012
Stärkung der Patientenrechte
POLITFORUM
POSTULAT vom 15.3.2012
Jean-François Steiert Nationalrat SP Kanton Freiburg
Der Bundesrat wird beauftragt, in einem Bericht darzulegen: 1. Welche Instrumente Transparenz über
die Patientenrechte herstellen und welche Massnahmen den einheitlichen Vollzug dieser Rechte gewährleisten 2. Wie Partizipationsrechte (Beschwerde, Rekurs oder Klage) von Patientenorganisationen als Träger öffentlicher Aufgaben zur Geltendmachung von schutzwürdigen öffentlichen Interessen eingeführt werden können.
Die Rechte von Patienten sind unübersichtlich an vielen Stellen geregelt und massgeblich geprägt von der Rechtsprechung. Der daraus
folgenden Intransparenz und Inkohärenz sowie den bestehenden Vollzugsdefiziten in der Praxis von Patientenrechten stehen betroffene Einzelpersonen oft ohnmächtig gegenüber. Ein verbindliches und einheitliches Beschwerdemanagement in Spitälern und Kliniken fehlt. Patientenorganisationen sehen sich konfrontiert mit Meldungen über Gefährdungen und Schädigungen im Rahmen von medizinischen Behandlungen, bei welchen die Betroffenen oft weder die Mittel noch die Kraft haben, ihre Ansprüche zivil- oder strafrechtlich geltend machen zu können. Mangels öffentlich-rechtlichen Beschwerdemöglichkeiten bleibt es den Patientenorganisationen jedoch verwehrt, diese besonders schutzwürdigen Personen auch in Fällen, die sich wiederholen, rechtlich ausreichend zu schützen. Darüber hinaus bestehen Lücken im Schutz von weiteren Bereichen: 1. Bei Datenschutzverletzungen im medizini-
schen Bereich kann der Patient nicht auf die Hilfe des Datenschutzbeauftragten hoffen, weil dieser nicht legitimiert ist, die Entscheide eines Departementes anzufechten.
2. Schutz fehlt ebenfalls in der nicht transparenten Praxis bei Kostengutsprachen von Krankenversicherern, was zu erheblichen Ungleichbehandlungen führt.
3. Zu klären ist, wie der Bundesrat die Rekurs- beziehungsweise Beschwerdemöglichkeit gegenüber der staatlichen Zulassung von Medikamenten beurteilt.
In anderen Bereichen erfahren schwächere Vertragsparteien einen besonderen Schutz, beispielsweise Arbeitnehmende durch das Arbeitsrecht (Kündigungsschutz, Schlichtungsverfahren), Behinderte oder Frauen im Gleichstellungsgesetz sowie Pauschalreisende. Die zunehmende Komplexität im Gesundheitswesen verlangt nach der rechtlichen Regelung einer möglichen kollektiven Übernahme von Verantwortung durch Patientenorganisationen, wodurch die spezifischen Handlungsrechte der Patienten analog gestärkt werden könnten.
Stellungnahme des Bundesrates vom 23.5.2012
Der Bundesrat erachtet mehr Transparenz bei den Patientenrechten und eine Stärkung der Partizipationsrechte von Patientenorganisationen im Grundsatz als wichtig. Dabei darf aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Bund im Bereich der Patientenrechte über keine umfassende Gesetzgebungskompetenz verfügt. Nur in jenen Bereichen des Gesundheitsrechts, in denen er gestützt auf eine Verfassungsnorm zur Regelung befugt ist, kann er auch die Patientenrechte normieren (z.B. Transplantationsmedizin, genetische Untersuchungen beim Menschen, Fortpflanzungsmedizin, Heilmittelrecht, Epidemien). Sofern sich eine medizinische Behandlung im privatrechtlichen Rahmen abspielt (insbesondere bei frei praktizierenden Fachpersonen), gelten zudem die Regeln des Obligationenrechts und im Streitfall die neue Schweizerische Zivilprozessordnung. Diese
sieht beispielsweise in ihrem Artikel 89 eine Verbandsklage vor, die auch von Patientenorganisationen wahrgenommen werden kann. Zu erwähnen sind letztlich auch die Regeln des neuen Erwachsenenschutz- und Kindesrechts im ZGB, die auf den 1. Januar 2013 in Kraft treten werden. Darin enthalten sind unter anderem auch zwei neue Instrumente zur Förderung des Selbstbestimmungsrechts von Patientinnen und Patienten (Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung) sowie eine Verbesserung des Rechtsschutzes betroffener Personen im Falle einer fürsorgerischen Unterbringung. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Patientenrechte ist demnach beschränkt. Patientenrechte (insbesondere mit Blick auf die Behandlung in öffentlichen Spitälern) sind deshalb grundsätzlich von den Kantonen zu regeln, sei es
im kantonalen Gesundheitsgesetz, sei es in spezifischen Patientenrechtserlassen. Ein Bericht mit der vertieften Darstellung der Patientenrechte kann allfällige Lücken in der Gesetzgebung von Bund und Kantonen aufdecken und die Handlungsspielräume aufzeigen, innerhalb welcher der Bund einzelne Lücken schliessen kann. Das gilt sowohl für die im Postulat genannten als auch für weitere patientenrechtsrelevante Gebiete; insbesondere kann auch auf die rechtliche Situation geschädigter Patienten bei Spitalinfektionen eingegangen werden.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
XUNDHEIT IN BÄRN
ARS MEDICI 19 ■ 2012
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