Transkript
Rosenbergstrasse 115
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Gute Frage: Wo genau liegt eigentlich die pädagogische Chance für den Dümmeren, wenn der Klügere immer nachgibt?
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Und dies von einer lieben Freundin: «Ladies, if a man says he will fix it, he will. There is no need to remind him every six months about it.»
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So wie Politiker sich aus jeglicher Diskussion über Hunde heraushalten sollten, weil sie, egal, was sie sagen oder nicht sagen, so oder so die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler vergraulen (dies übrigens ein Tipp von nachfolgend erwähntem Herrn M.), so sollte man sich als Kolumnist auch über die Herren Mörgeli und Blocher nicht äussern. Die Meinungen sind gemacht, die Urteile längst zu Vorurteilen zementiert, die Feindbilder klar definiert. Entweder man outet sich als Mörgelianer oder man ist normal. Eine objektive Einschätzung von Vorgefallenem ist unmöglich – dafür sorgen beide Seiten. Soll man sich – als Mediziner und unter den gegebenen politischen Umständen – überhaupt Gedanken machen über ein Medizinhistorisches Museum? (Frage eines Kollegen: Was um Himmels willen kann man in einem Medizinhistorischen Museum so falsch machen, dass eine fristlose Kündigung unumgänglich wird?) Würde man ja gar nicht, wenn nicht dessen Leiter Mitglied der ungeliebtesten Partei der an der Uni Zürich relativ konzentriert anzutreffenden Gemeinschaft der Linksintellektuellen wäre.
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Einwand einer Kollegin, die es wissen muss: Linksintellektuelle sei ein Pleonasmus. Rechtsintellektuelle gebe es ohnehin nicht. Na denn. Wer die Macht hat, hat die Deutungshoheit. Was nicht das Gleiche ist wie recht haben. Sollte man meinen. Aber leider: Wer die Macht
hat, hat auch recht (und hat das Recht auf seiner Seite).
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Die Diskussion am Sonntagabend drehte sich um die immer wieder arg gebeutelte FDP. Ist ihr bloss der Zeitgeist nicht hold? Vielleicht. Und doch, irgendwie hat selber Schuld, wer die bequeme Spiessigkeit des Beschwörens einer solidarischen, naturverbundenen, feministischen, atomfreien und vor allem staatlich gelenkten und garantierten Zukunft nicht mit passenden Losungen bedient. Die Liebe (und Stimme) der Wähler strömt heute eben jenen zu, die sich in konformistischer Empörung gegen Abzocker, saturierter Angst vor technischem Fortschritt und Errettungserwartungen an Gesetze und Vorschriften finden und gegenseitig bestätigen.
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Vielleicht ist es aber auch die Unentschiedenheit (und Inkonsequenz) der liberalen Exponenten. Es waren ja auch nicht wenige Liberale (allen voran der in staatlichen Diensten stehende Felix Gutzwiller), die sich für einen weiteren Übergriff des Staats auf seine Bürger in Form eines Präventionsgesetzes starkgemacht hatten. Mehr Staat, weniger Freiheit? Irgendwie hatte man das anders im Ohr.
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Aber eben: Auch bei den Liberalen gibt es immer weniger eigenverantwortliche Abweichler von der Zwangsfürsorgeund Pflichtkonsensgesinnung. Mutige Sturköpfe gibt’s sowieso fast keine mehr. Alt Bundesrat Merz hatte vor nicht allzu langer Zeit gegenüber dem Ausland das Bankkundengeheimnis noch für unverhandelbar erklärt. Wenige Jahre und ein paar Drohgesten der Amerikaner und CD-Bestellungen der Deutschen später hat der (bürgerlich dominierte) Bundesrat die Stellung aufgegeben und droht jetzt sogar der eigenen Bevölkerung, das Bankkunden-
geheimnis auch im Inland zu schleifen. Wäre das Ganze ein Krieg (und manche sagen, es sei nichts anderes als ein Wirtschaftskrieg), würde man von Feigheit vor dem Feind sprechen. Aber selbst Applaus für Feigheit ist heute konsensfähig.
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Was die Schweiz sonst noch so bewegt: Natürlich die Energiewende. Der Bundesrat weiss jetzt genau, wie viel Strom wir in 40 Jahren verbrauchen, wie wir ihn produzieren und wie viel wir dafür bezahlen werden. Wenn’s nicht so peinlich wär, wär’s lustig. Als ob ein Bundesamt je auch nur über einen Zeitraum von zehn Jahren genaue Prognosen hätte machen können (die bundesrätliche Voraussicht bei der «Produktion» von Hausärzten lässt grüssen). Etwas Wichtiges immerhin haben wir erfahren, nämlich mit welchen Mitteln der Bundesrat die Ziele zu erreichen gedenkt. Sie lassen sich leicht aufzählen: Verbote, Gebote, Vorschriften, Zwangsmassnahmen, Abgaben, neue Steuern, Subventionen, Strafen. Schöne neue Welt.
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Ein sicheres Zeichen, dass man älter wird, ist, wenn man beim Schuhebinden überlegt, was man sonst grad noch erledigen könnte, wenn man schon mal unten ist.
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Und das meint Walti: Das Leben ist wie eine Flasche Shampoo: Wenn es leer wird, muss man es auf den Kopf stellen.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 19 ■ 2012
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