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FORTBILDUNG
Prostatakrebs: US-Experten raten vom PSA-Screening ab
In einer Neufassung ihrer Empfehlungen rät die USPSTF von einem PSA-basierten Screening zur Früherkennung von Prostatakrebs in der Allgemeinbevölkerung ab, weil der Schaden durch Überdiagnosen und Übertherapien den Nutzen überwiegt. Die Entscheidung für oder gegen eine Überprüfung der PSA-Serumwerte sollte individuell entsprechend den Erfordernissen des Patienten und der Situation erfolgen.
ANNALS OF INERNAL MEDICINE
Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) gibt Empfehlungen zur Effektivität spezieller Vorsorgeuntersuchungen für Patienten ohne Zeichen oder Symptome. Die Empfehlungen basieren auf der Evidenz zum Nutzen und den Risiken des jeweiligen Serviceangebots sowie auf einer Abwägung beider Aspekte. Die Kosten spielen bei dieser Betrachtung keine Rolle. Die USPSTF berücksichtigt, dass für eine klinische Entscheidung mehr Überlegungen erforderlich sind als ausschliesslich die Evidenz. Kliniker sollten die Datenlage kennen und auf dieser Basis eine individuelle Entscheidung entsprechend den Erfordernissen des Patienten treffen. Die Empfehlungen zum PSA-basierten Screening zur Früherkennung von Prostatakrebs beziehen sich auf Männer in der amerikanischen Allgemeinbevölkerung. Die Nutzung der PSA-Serumspiegel-Bestimmung zur Überwachung nach einer Diagnose oder einer Prostatakrebstherapie ist nicht Gegenstand dieser Empfehlungen.
Prostatakrebs In den USA ist Prostatakrebs die am häufigsten diagnostizierte nicht mit der Haut assoziierte Krebserkrankung bei Männern. Das Lebenszeitrisiko einer positiven Diagnose wird auf 15,9 Prozent geschätzt. In den meisten Fällen ist die Prognose – sogar ohne Behandlung – gut, allerdings gibt es auch aggressive Verläufe. Das Lebenszeitrisiko, an Prostatakrebs zu sterben, beträgt derzeit 2,8 Prozent. Bei unter 50-Jährigen tritt die Erkrankung nur selten auf, und nur wenige Männer sterben daran, bevor sie 60 Jahre alt sind; 70 Prozent der prostatabedingten Todesfälle ereignen sich erst im höheren Alter ab 75 Jahren.
Früherkennung und Überdiagnose Derzeit umfassen alle Empfehlungen zum ProstatakrebsScreening die Bestimmung des Serumspiegels an prostataspezifischem Antigen (PSA); andere Verfahren wie die digitalrektale Untersuchung oder eine Ultraschalluntersuchung können ebenfalls dazugehören. Aus überzeugender Evidenz geht hervor, dass mithilfe von PSA-basierten Screeningprogrammen zahlreiche asymptomatische Prostatakrebserkrankungen erkannt werden können. Ebenso gesichert ist jedoch die Erkenntnis, dass bei einem beträchtlichen Anteil dieser Betroffenen ein Tumor vorliegt, der entweder gar nicht oder aber so langsam fortschreitet, dass er über die verbleibende Lebenszeit des Betroffenen asymptomatisch bleibt. Beim Screening kommt es somit häufig zu einer Überdiagnostizierung. In gleichem Masse wie der Anteil der Überdiagnosen nimmt auch die Anzahl der Männer zu, bei denen eine Biopsie vorgenommen wird. Die genaue Grössenordnung der Überdiagnosen im Zusammenhang mit dem Screening ist schwer zu bestimmen. Schätzungen aus den beiden grössten Studien dazu weisen auf Raten zwischen 17 und 50 Prozent hin.
Merksätze
❖ PSA-basiertes Screening führt zu einer beträchtlichen Rate an Überdiagnosen.
❖ Mithilfe des PSA-Screenings können nur wenige prostatakrebsbedingte Todesfälle verhindert werden.
❖ Das Risiko für diagnose- und behandlungsbedingte gesundheitliche Schädigungen ist meist höher als der Nutzen des Screenings.
Nutzen der Früherkennung und -behandlung Das primäre Ziel des Prostatakrebs-Screenings besteht darin, die Anzahl der krebsbedingten Todesfälle zu verringern und die Lebenserwartung zu erhöhen. Ein weiteres Ziel ist die Verhinderung einer symptomatischen metastatischen Erkrankung. Männer mit einer im Screening erkannten Prostatakrebserkrankung können prinzipiell einer von drei Kategorien angehören. Dabei handelt es sich um ❖ Betroffene, deren Krebserkrankung trotz Früherkennung
und frühzeitiger Behandlung zum Tod führt ❖ Männer, bei denen auch ohne Screening eine gute Prognose
vorliegt
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KOMMENTAR
Dr. med. Jürg Weber, Wigoltingen Lehrbeauftragter der Universität Bern für Allgemeinmedizin
PSA-Screening und individueller Entscheid für die Messung sind nicht dasselbe!
Es ist nicht die wahrscheinlich richtige Erkenntnis, dass ein flächendeckendes, ungezieltes PSA-Screening nicht empfohlen werden kann, die das Dilemma des alternden Mannes und seines Hausarztes ausmacht. Es ist die Tatsache, dass aus dieser Erkenntnis heraus die Laienpresse wie auch die medizinische Fachpresse für uns einfache Praktiker unentwegt Titel und Texte vorlegt, die undifferenziert den Anschein erwecken, die PSA-Bestimmung sei bis auf bereits symptomatische oder familiär belastete Männer obsolet beziehungsweise alles andere sei anrüchig und Geldverschwendung.
Angesichts der Häufigkeit der Fragestellung und der Häufigkeit des Prostatakarzinoms in der Praxis wäre die rasche Einigung auf einen gangbaren, allseits akzeptierten Mittelweg wünschenswert zwischen einerseits der Forderung einer Expertengruppe, dass die Schweizer Krankenkassen den PSA-Test nicht mehr übernehmen sollten, und den vor allem im nördlichen Nachbarland propagierten alljährlichen Kontrollen «beim Urologen» für alle Männer ab 40 andererseits.
Jeder Praktiker kennt Fälle, bei denen der PSA-Test früh- und rechtzeitig ein Karzinom aufgedeckt hat. Ebenso denkt jeder ungern an die Fälle, die «in die Mühle geraten sind» und unnötigerweise Komplikationen und Depressionen durchgemacht haben. Die dritte Sparte von Erfahrungsberichten betrifft die Fälle, in denen das Karzinom vom Hausarzt zu spät oder gar nicht entdeckt worden ist, unabhängig vom Outcome. Diese dritte Sparte bereitet nicht nur den betroffenen Patienten, sondern auch uns die meisten unruhigen Nächte. Zentral ist, dass Urologen wie Praktiker mit Bedacht an die Frage des PSAScreenings herangehen. Ob es etwas bringt, wenn diese uns vollumfänglich bekannte und bewusste komplexe Problematik immer wieder mit reisserischen Titeln in die eine oder andere Richtung in der Öffentlichkeit diskutiert wird, wage ich zu bezweifeln.
Für die Diskussion im Einzelfall in der Praxis hat sich bei mir die semilogarithmische Darstellung und die Diskussion sowohl des Ausgangswertes wie speziell des Verlaufes, insbesondere auch vor und nach Interventionen, bewährt. Anhand dieser Darstellung können dem Patienten die ganze Problematik und der Verlauf eindrücklich und plausibel erklärt und schwierige Entscheidungen erleichtert werden.
Um Missverständnisse zu vermeiden, bleibt also zu fordern, dass klarer als
bis anhin deklariert wird, dass «abratende» Gremien sich auf das flächen-
deckende Screening beziehen (was aber bei uns weder gängig noch in Dis-
kussion ist) und nicht auf die bewusste und einzelne Bestimmung bei einem
Mann, der rechtzeitig wissen will, wo er steht.
❖
Bitte beachten Sie auch den Kommentar von Dr. med. Jean-Luc Fehr zum gleichen Thema auf den Seiten 916 und 917.
❖ Patienten, bei denen die frühzeitige Diagnose und eine entsprechende Behandlung das Überleben verbessern.
Nur randomisierte Studien zum Screening ermöglichen eine genaue Abschätzung der Anzahl der Männer, die zur letzten Kategorie gehören und vom Screening profitieren. Aus diesen Untersuchungen ergibt sich eine überzeugende Evidenz, dass die Anzahl der Männer, deren prostatakrebsbedingter Tod nach 10 bis 14 Jahren durch das Screening
vermieden werden kann, bestenfalls sehr gering ist. Von der USPSTF wurden vor allem zwei grosse Studien zum PSAScreening ausgewertet, und zwar der U.S. PLCO (Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian) Cancer Screening Trial und die ERSPC (European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer). In der amerikanischen Studie wurde keine Reduzierung der prostatakrebsbedingten Mortalität aufgrund des PSA-Screenings beobachtet. In der europäischen Untersuchung wurde eine Reduzierung um 1 Todesfall pro 1000 untersuchte Männer in der Altersgruppe von 55 bis 69 Jahren ermittelt. Dieses Resultat wurde jedoch massgeblich von den Studienergebnissen aus zwei Ländern beeinflusst. In den anderen fünf der insgesamt sieben Studien wurde dagegen keine statistisch signifikante Senkung der Sterblichkeit durch das PSA-Screening beobachtet. Zudem war die Gesamtmortalität in der europäischen Studie in den gescreenten und den nicht gescreenten Gruppen nahezu identisch. Somit liegt eine hinreichende Evidenz vor, dass der Nutzen des PSA-Screenings in der Vermeidung von maximal 1 Todesfall pro 1000 gescreenten Männern besteht.
Schädigungen durch Screening und diagnostische Verfahren Die Datenlage zeigt, dass mit dem PSA-Test häufig falschpositive Ergebnisse produziert werden. Bei PSA-Grenzwerten zwischen 2,5 und 4,0 µg/l sind etwa 80 Prozent der Ergebnisse falschpositiv. Diese sind zum einen mit negativen psychischen Auswirkungen wie ständigen Sorgen bezüglich einer potenziellen Prostatakrebserkrankung verbunden. Zum anderen werden bei den Betroffenen auch mehr Folgeuntersuchungen wie Biopsien durchgeführt als bei Männern mit negativem Testergebnis. Im Verlauf von zehn Jahren Screening erhalten etwa 15 bis 20 Prozent der Männer ein Testergebnis, das die Durchführung einer Biopsie veranlasst. Die Ergebnisse einer neuen Studie weisen darauf hin, dass etwa ein Drittel aller Männer, bei denen eine Biopsie durchgeführt wird, unter Schmerzen, Fieber, Blutungen, Infektionen, vorübergehenden Miktionsbeschwerden oder anderen Beschwerden leidet, die eine ärztliche Betreuung erfordern. Bei etwa 1 Prozent der Betroffenen ist sogar ein stationärer Aufenthalt erforderlich.
Schädigungen durch die Behandlung eines im Screening erkannten Tumors In den USA erhalten etwa 90 Prozent aller Männer mit einem durch das PSA-Screening erkannten Prostatatumor eine frühzeitige Behandlung in Form einer Operation, einer Bestrahlung oder einer Androgendeprivation. Eine hinreichende Evidenz zeigt, dass bis zu 5 von 1000 Männern innerhalb eines Monats nach einem prostatakrebsbedingten chirurgischen Eingriff versterben und 10 bis 70 von 1000 Männern mit schweren Komplikationen überleben. Bestrahlung und Operation sind zudem häufig mit langfristigen unerwünschten Wirkungen wie Urininkontinenz und erektiler Dysfunktion verbunden. Zu diesen Langzeitbeschwerden kommt es bei mindestens 200 bis 300 von 1000 behandelten Männern. Eine Bestrahlung kann ausserdem mit Störungen im Darmtrakt assoziiert sein (Tabelle). Manche Kliniker führen bei frühem Prostatakrebs zunächst eine Androgendeprivation als Primärtherapie durch, vor allem bei älteren Männern. Dabei handelt es sich jedoch um
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Tabelle:
Nutzen und Schaden eines Screenings bei 1000 Männern zwischen 55 und 69 Jahren bei einer ein- bis vierjährlichen Bestimmung des PSA-Serumspiegels über einen Zeitraum von zehn Jahren (mod. n. Moyer)
Potenzieller Nutzen des Screenings Reduziertes Zehnjahresrisiko für einen prostatakrebsbedingten Tod
Tod aufgrund von Prostatakrebs ohne Screening Tod aufgrund von Prostatakrebs mit Screening Verhinderung von Todesfällen aufgrund des Screenings
Anzahl der Männer
5 von 1000 4–5 von 1000 0–1 von 1000
Schädigungen durch das Screening Mindestens ein falschpositives Ergebnis des PSA-Tests
Die meisten positiv falschen Testergebnisse führen zu einer Biopsie. Bei bis zu 33% der Männer, die sich einer Biopsie unterziehen, treten mittelgradige oder schwere Symptome (Schmerzen, Fieber, Blutungen, Infektionen oder vorübergehende Miktionsschwierigkeiten) auf, und etwa 1% wird ins Krankenhaus eingewiesen.
100–120 von 1000
Diagnose Prostatakrebs
Die Diagnose Prostatakrebs muss nicht zwingend als Schaden betrachtet werden. Allerdings werden derzeit etwa 90% der Betroffenen behandelt und sind daher gesundheitlichen Schädigungen durch die Behandlung ausgesetzt. Dem überwiegenden Anteil der behandelten Patienten ginge es auch ohne Behandlung gut. Ein beträchtlicher prozentualer Anteil dieser Männer bliebe ein Leben lang asymptomatisch.
110 von 1000
Behandlungsbedingte Komplikationen
❖ schwere kardiovaskuläre Ereignisse ❖ tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien ❖ erektile Dysfunktion ❖ Harninkontinenz ❖ Tod
2 von 1000 1 von 1000 29 von 1000 18 von 1000 < 1 von 1000 eine von der Food and Drug Administration (FDA) nicht zugelassene Indikation. Zudem hat sich bei dieser Vorgehensweise bis anhin keine Verbesserung des Überlebens bei lokal begrenztem Prostatakrebs gezeigt, und aus der Datenlage geht hervor, dass die Androgendeprivation mit erektiler Dysfunktion (bei etwa 400 von 1000 Männern) sowie mit Gynäkomastie und Hitzewallungen verbunden ist. Wie bereits ausgeführt, resultiert das PSA-basierte Screening in einer erheblichen Überdiagnostizierung. Dies ist besonders bedenklich, weil ein Mann, dessen Krebserkrankung für den Rest seines Lebens asymptomatisch geblieben wäre, von einem Screening oder einer Behandlung nicht profitieren kann. Angesichts der derzeitigen Unmöglichkeit, dauerhaft inaktive Tumoren von letalen zu unterscheiden, ist jedoch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich Ärzte und Patienten für eine Behandlung entscheiden. Somit werden viele Männer, deren Krebserkrankung niemals symptomatisch geworden wäre, einer gesundheitlichen Schädigung durch die Behandlung ausgesetzt. Zwar kommt es auch bei Männern, bei denen später auch ohne Screening Prostatakrebs diagnostiziert worden wäre, meist zu einem vergleichbaren Outcome, durch das Screening sind die Patienten jedoch über einen längeren Zeitraum den negativen Auswirkungen der Behandlung ausgesetzt. Das PSA-basierte Screening ist demzufolge mit einer beträchtlichen Übertherapie und damit verbunde- nen gesundheitlichen Schädigungen assoziiert. Die USPSTF beurteilt die Grössenordnung der behandlungsbedingten Schädigungen deshalb als mindestens mittelgradig. Bewertung des PSA-Screenings durch die USPSTF Aus den derzeit verfügbaren Studien geht hervor, dass die Reduzierung der prostatakrebsbedingten Mortalität 10 bis 14 Jahre nach dem Screening im besten Fall sehr gering ausfällt – und dies sogar in der dafür als optimal erachteten Altersgruppe der 55- bis 69-Jährigen. Zudem wird keine Senkung der Gesamtsterblichkeit erreicht. Im Gegenzug kommt es häufig zu Schädigungen im Zusammenhang mit der Behandlung. Diese treten oft frühzeitig auf, persistieren häufig und gehen mit einem geringen, aber realen Risiko für einen vorzeitigen Tod einher. Sehr viel mehr Männer erfahren die Schädigungen der Screeningdetektion und der Behandlung statt ihren Nutzen. Die Abwägung der Risiken und des Nutzens umfasst die Abwägung der mittleren bis hohen Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen persistierenden behandlungsbedingten Schädigung gegen die sehr geringe Wahrscheinlichkeit, langfristig einen prostatabedingten Todesfall verhindern zu können. Die USPSTF kommt daher mit hinreichender Sicherheit zu dem Schluss, dass der Nutzen eines PSA-basierten Prostatakrebs-Screenings die gesundheitlichen Schädigungen nicht überwiegt. 926 ARS MEDICI 18 ■ 2012 FORTBILDUNG Klinische Überlegungen Die USPSTF rät von Screeningtests ab, deren Nutzen die Schädigungen der Zielpopulation nicht übertrifft. Die Entscheidung, ein PSA-Screening durchzuführen, sollte auf einer fundierten Kenntnis der klinischen Evidenz beruhen und zudem die Präferenzen des Patienten berücksichtigen. Ein flächendeckendes gemeindebasiertes oder unternehmensbasiertes PSA-Screening sollte nicht mehr durchgeführt werden. Zu den primären Managementstrategien einer im Screening erkannten Prostatakrebserkrankung gehören «watchful waiting» (Beobachtung und körperliche Untersuchung sowie eine Linderung der Symptome, wenn erforderlich) oder «active surveillance» (regelmässiges Monitoring mit Bestimmung des PSA-Serumspiegels, körperliche Untersuchung und wiederholte Prostatabiopsien). Bei Anzeichen einer Krankheitsprogression oder einer Verschlechterung der Prognose stehen dann chirurgische Eingriffe oder Bestrahlungen als therapeutische Optionen zur Verfügung. Zur optimalen Behandlung einer lokal begrenzten Erkrankung gibt es derzeit keinen Konsens. In der Scandinavian Prostate Cancer Group Study 4 war das chirurgische Management bei einem lokalen, vorwiegend klinisch diagnostizierten Prostatakarzinom nach 12 bis 15 Jahren mit einer absoluten Reduzierung der Prostatakrebsrate und der Langzeitmortalität von etwa 6 Prozent verbunden. Der Nutzen schien dabei auf Männer unter 65 Jahren beschränkt zu sein. Vorläufige Ergebnisse einer anderen Studie, in der «watchful waiting» mit externer Strahlentherapie (EBRT) bei lokalem Prostatakrebs bei Männern vor Einführung des Screenings verglichen wurde, zeigen, dass sich die Überlebensraten beider Gruppen nach 20 Jahren nicht signifikant unterschieden (31% vs. 35%; p = 0,26). In einer Analyse der SEER-Datenbank wurde nach der Einführung des PSA-basierten Screenings das Mortalitätsrisiko bei Männern mit lokalem Prostatakarzinom untersucht, die keine kurative Therapie erhielten. Die Zehnjahres-Mortalitäts-Rate betrug bei Männern, die bei der Diagnose zwischen 66 und 69 Jahre alt waren, in Abhängigkeit vom Tumorstadium 0 bis 7 Prozent. Die Mortalitätsrate aufgrund anderer Ursachen lag in dieser Untersuchung bei 0 bis 20 Prozent. Der relative Anteil der Todesfälle aufgrund anderer Ursachen als Prostatakrebs nimmt allgemein mit dem Alter beträchtlich zu. Empfehlungen anderer Expertengremien Die vorliegende Empfehlung der USTPSF ersetzt die Empfeh- lungen von 2008. Während die Organisation in der älteren Version von einem PSA-basierten Prostatakrebs-Screening bei Männern über 75 Jahre abgeraten hatte, rät sie in der aktuellen Empfehlung aufgrund der neuen Erkenntnisse von diesem Screening in allen Altersgruppen ab. Die American Urological Association empfiehlt ein PSA- Screening in Verbindung mit einer digital-rektalen Untersu- chung bei Männern über 40, die den Wunsch nach einem Screening äussern, wenn die geschätzte Lebenserwartung mehr als zehn Jahre beträgt. Diese Empfehlungen werden derzeit überarbeitet. Die American Cancer Society befürwortet eine informierte Entscheidung für oder gegen ein Prostatakrebs-Screening. Männer mit mittlerem Risiko sollten ab einem Alter von 50 Jahren, schwarze Männer oder Männer mit familiärem Prostatakrebs ab einem Alter von 45 Jahren Informationen zu Prostatakrebs und zum Screening erhalten. Das American College of Preventive Medicine empfiehlt ein Arzt-Patienten-Gespräch zu Nutzen und Risiken des PSA- Screenings für Männer ab 50 Jahren, wobei die Präferenzen des Patienten einbezogen werden sollten, und rät zu einer individuellen Entscheidung im Hinblick auf das Screening. Die American Academy of Family Physicians überarbeitet derzeit ihre Empfehlungen, und das American College of Physicians entwickelt ein Guidancestatement zu diesem Diskussionsgegenstand. ❖ Petra Stölting Quelle: Virginia A Moyer, on behalf of the USPSTF: Screening for prostate cancer: U.S. Preventive Services Task Force recommendation statement. Ann Intern Med 2012; 157(2): 1–16. Interessenkonflikte: Bei der USPSTF handelt es sich um eine unabhängige Organisation, die von der Agency for Healthcare Research and Quality finanziert wird. Die Empfehlungen der USPSTF werden unabhängig von der US-Regierung abgegeben. 928 ARS MEDICI 18 ■ 2012